Hintergrund : Neue Ölschwemme mit Fracking: USA setzen Ölpreis wieder massiv unter Druck

Mit der Einigung auf eine Förderkürzung schien die Opec im November ihr wichtigstes Ziel erreicht zu haben: Die Ölpreise stiegen über 50 Dollar (46 Euro) je Fass und hielten sich seither komfortabel darüber. Genau dieser Erfolg rief aber die US-Ölbarone auf den Plan, die zu solchen Preisen mit ihrer teuren Schieferölproduktion wieder Geld verdienen können.

Preisrally war nur von relativ kurzer Dauer

Das sogenannte Fracking läuft erneut auf Hochtouren und sorgt zumindest in den USA für eine Ölschwemme. Die wiederum lässt den Ölpreis inzwischen wieder abtauchen. Am Mittwoch kostete ein Fass Nordseeöl erstmals seit der Vereinbarung wieder rund 50 Dollar. Zwar gehen Experten nicht von einem Preisrutsch wie vor einem Jahr aus. Die Gretchenfrage bleibt aber, wie die Opec und Russland auf den US-Schieferölboom reagieren.

"Die Realität ist nun einmal so, dass die US-Ölförderer bei Preisen über 50 Dollar wieder zu bohren beginnen", sagte Dean Rogers, Chef-Analyst beim auf Energie spezialisierten Hedge-Fonds Kase & Co schon im Herbst voraus. In den USA sind dem Ölindustrie-Dienstleister Baker Hughes zufolge derzeit mehr als 600 Bohrlöcher aktiv.

US-Schieferölproduktion feiert Comeback

Das sind so viel wie zuletzt vor eineinhalb Jahren. Aus diesem Grund platzen die US-Lagertanks aus allen Nähten. Für eine gute Stimmung in der US-Ölindustrie sorgte auch der Amtsantritt von Donald Trump. Der neue US-Präsident ist ein Freund der Branche und hält nichts von kostspieligen Umweltauflagen.

Die Mitglieder des Öl-Kartells hatten Ende November beschlossen, erstmals seit 2008 wieder ihre Förderung zu drosseln. Russland und einige andere Exportländer schlossen sich an. Somit sollen im ersten Halbjahr 2017 täglich 1,8 Millionen Barrel weniger als zuvor aus dem Boden gepumpt werden. 2008 war die Kürzung mit allerdings 4,2 Millionen Fässern pro Tag deutlich höher ausgefallen.

Dennoch: Dass sich das Kartell überhaupt mit Russland einigen konnte, galt und gilt als Erfolg. Und viele Börsianer vermuten, dass bei einem neuen Preisverfall die Scheichs und eben Länder wie Russland erneut auf die Förderbremse treten könnten. Insidern zufolge denkt die Opec bereits über eine Verlängerung der Förderbremse bei ihrem geplanten Treffen am 25. Mai nach. Doch sicher ist das keineswegs. "Das Risiko einer Wiederaufnahme des Preiskriegs bleibt", warnte die russische Ölfirma Rosneft in einem Reuters-Interview vor kurzem.

Fracking lohnt sich auch dank Trump wieder

Einige Börsianer halten das aber für unwahrscheinlich: "Die Stimmung am Markt hat zwar gedreht, und das Risiko für Preisabschläge ist gestiegen", betont Analyst Tamas Vargas vom Brokerhaus PVM Oil Associates. "Wir stehen aber nicht mal in der Nähe einer Klippe." Die Analysten von Goldman Sachs bekräftigen daher ihre Preisprognose für das zweite Quartal 2017: Danach soll ein Fass US-Leichtöl WTI 57,50 Dollar kosten - um fast zehn Dollar mehr als aktuell.

Russland selbst hat zwar die Ölförderung gedrosselt, war Ende Februar von der Zielmarke aber noch weit entfernt. Dagegen kürzte Saudi-Arabien offenbar mehr als zugesagt. Zur Überraschung vieler hielten sich mehr als 90 Prozent der Opec-Länder an die Quoten. Die Organisation steht für rund ein Drittel des weltweiten Rohöl-Angebots. Neben dem Kartell-Mitglied Saudi-Arabien sind Russland und USA mit großem Abstand und vergleichbaren Fördervolumina die größten Ölproduzenten der Welt. Vor allem Saudi-Arabien und Russland fürchten bei Förderkürzungen aber um ihre weltweiten Marktanteile und hatten lange gezögert, diese Notbremse zu ziehen.

Analysten hatten von Anfang an mit Blick auf die US-Produktion bezweifelt, dass die Preisrally nachhaltig sein würde. Schließlich haben die Amerikaner während des für sie besonders schmerzlichen Preisverfalls - Mitte Jänner 2016 fiel der Preis für die Sorte Brent aus der Nordsee auf ein Zwölf-Jahres-Tief von 27,10 Dollar je Barrel - keineswegs geschlafen. Inzwischen können sie dank technischer Innovationen Öl aus Schiefergestein zu einem Preis herauslösen, der bisher Opec-Ländern wie Iran und Irak vorbehalten war - und die pumpen den Rohstoff auf herkömmliche Weise an die Oberfläche.

Der russische Ölgigant Rosneft sieht daher nur eine Möglichkeit, den Markt längerfristig ins Gleichgewicht zu bringen: Die US-Förderer müssten sich dem Kartell anschließen. Das ist in den USA schon aus rechtlichen Gründen undenkbar.

(von Andrea Lentz und Hakan Ersen, Reuters / APA /red)