Finanzierung : Neue Mittel

Eine hohe Abhängigkeit von Bankkreditlinien kann man Viktor Sigl nun definitiv nicht mehr nachsagen. Aus der erfolgreichen Platzierung einer 85 Millionen schweren Unternehmensanleihe im April wird der Finanzvorstand von KTM jetzt zahlreiche Bankdarlehen vorzeitig zurückzahlen. Bei Gesamtverbindlichkeiten des oberösterreichischen Motorradherstellers von rund 125 Millionen Euro liegt der Anteil an Bankkrediten aktuell bei weniger als einem Drittel. „Mit der Anleihe ist es uns gelungen, unser Refinanzierungsportfolio zu diversifizieren. Wir konnten dafür das derzeit sehr günstige Marktumfeld optimal für uns nutzen“, sagt KTM-Finanzvorstand Viktor Sigl. Doch nicht nur in Mattighofen stehen Corporate Bonds hoch im Kurs – immer mehr Unternehmen setzen auf den Kapitalmarkt. Heimische Kreditinstitute sehen diesen Trend keineswegs als Konkurrenz für das eigene Kerngeschäft, sondern viel mehr als eigenkapitalschonendes und provisionsträchtiges Zubrot. Nun werden auch entsprechende Kapitalmarktzugänge für kleinere Anleihevolumina intensiv diskutiert. KreditklemmeGegen das Volumenswachstum bei den Corporate Bonds an der Wiener Börse im letzten Jahr von 43,9 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro liest sich die Steigerung bei den herkömmlichen Unternehmenskrediten von 2,7 Prozent äußerst bescheiden. Von der viel zitierten Kreditklemme wollen aber weder Banken noch außenstehende Experten etwas wissen. „Es ist eine gewisse Zurückhaltung in der Finanzierungsvergabe bei den Banken zu beobachten, insbesondere durch die neuen regulatorischen Anforderungen von Basel III an bonitätsschwache Unternehmen“, sagt Johann Moser, Geschäftsführer der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS). Nicht zuletzt als Lehre aus der letzten Finanzmarktkrise beobachtet Moser auch, dass sich liquiditätsstarke Unternehmen ihre Investitionen trotz der niedrigen Kreditzinsen viel häufiger als früher aus dem Cashflow refinanzieren. Wer weiter auf Fremdkapital angewiesen ist, darf sich zumindest über ein historisch niedriges Zinsumfeld freuen. Kein Ende der ExpansionZumindest für heuer scheint eine Abkehr der Europäischen Zentralbank von ihrer expansiven Geldpolitik so gut wie ausgeschlossen. „Wir erwarten zwar vorerst keine Leitzinssenkung, aufgrund der konjunkturellen Abwärtsrisiken könnte die Europäische Zentralbank die Wirtschaft aber länger und stärker als bisher von uns angenommen stützen“, sagt Mildred Hager, Analystin der Erste Bank. Mit dieser Einschätzung befindet sich die Expertin in guter Gesellschaft. Alle vom Industriemagazin befragten Banker rechnen für die nächsten zwölf Monate mit weiterhin extrem niedrigen Geldmarktzinsen in der Eurozone auf ähnlich tiefem Niveau wie jetzt. Obwohl die europäischen Währungshüter die Leitzinsen noch bei 1,00 Prozent halten, ist der 3-Monats-Euribor als wichtigster Schlüsselzinssatz für Unternehmenskredite nach den exorbitant hohen Liquiditätsspritzen aus Frankfurt für die Finanzbranche in den letzten Wochen bis auf 0,68 Prozent gesunken. Win-winNoch erfreulicher als die Geldmarktsätze entwickelten sich die Zinsen am Kapitalmarkt für heimische Finanzierungskunden. Die Sekundärmarktrendite für Bundesanleihen – ein häufiger Anpassungsindikator in Kreditverträgen – sank im Mai erstmals in der Geschichte auf unter 2 Prozent. Damit ist die Berechnungsgrundlage für längerfristige Fixzinsengagements so günstig wie noch nie. Hier gehts weiter

Voll von der momentanen Zinssituation profitieren Unternehmen derzeit bei Anleiheemissionen. „Der aktuelle Boom bei Corporate-Bond-Begebungen ist auf eine klassische Win-win-Situation zurückzuführen. Unternehmen holen sich langfristiges Kapital zu günstigen Konditionen und Investoren erhalten deutlich mehr Zinsen als am Sparbuch oder beim Festgeld“, sagt Florian Vanek von der Wiener Börse. Diese Erfahrung konnte auch KTM bei der aktuellen und überhaupt ersten Anleihetransaktion in der Firmengeschichte machen. 4,375 Prozent Kuponzahlung bei 5-jähriger Laufzeit lockten so viele Privatanleger an, dass das Orderbuch kurz nach Öffnung bereits mehrfach überzeichnet war. Wie viel sich der Mattighofener Motorradhersteller durch die Umschuldung der Bankdarlehen auf die Anleihe an Kreditzinsen erspart, wollte Finanzvorstand Viktor Sigl nicht beziffern. „Eine Anleihe kann man von den Zinskosten nicht exakt mit einem Bankkredit vergleichen. Ein Kredit wird umso teurer, je länger die Laufzeit und je schlechter die Besicherungssituation für die Bank ist“, sagt Viktor Sigl. Kein Rating erforderlichNicht unbedingt zwingende Voraussetzung für eine Anleihebegebung ist ein offizielles und entsprechend teures Kapitalmarktrating. „Ein externes Rating ist in der Regel erst bei Emissionsvolumina von über 250 Millionen Euro notwendig. Internationale Anleihen österreichischer Emittenten müssen in der Regel ein externes Rating aufweisen und werden ab rund 250 Millionen Euro internationalen und österreichischen Großinvestoren angeboten. Bei den jüngst schwerpunktmäßig im Privatpublikum platzierten Anleihen zwischen 75 und 100 Millionen Euro von MIBA, KTM oder der Strabag konzentriert sich das Investoreninteresse auf bekannte Firmennamen und natürlich attraktive Kupons“, sagt Dieter Hengl, Vorstand der Bank Austria. Schwierig ist es nach wie vor, eine Käuferschicht für Corporate Bonds mit 10 Millionen Euro Volumen oder gar weniger zu finden. „Kleinere Emissionen oder Mittelstandsbonds sind in der derzeitigen Situation sicherlich eine interessante Variante, die es weiter zu verfolgen gilt“, sagt Christoph Raninger, Vorstand BAWAG P.S.K.. Diese Intention verfolgen auch die anderen großen heimischen Banken, unter anderem werden neue Fondskonstruktionen zur Öffnung dieses Marktes diskutiert. Noch zuwarten?Von historischen Tiefstwerten weit entfernt befinden sich momentan die Kreditmargen. Daran ändert auch die aktuell sündhaft günstige Liquidität der Europäischen Zentralbank für die Kreditindustrie nichts. „Durch die EZB ist zwar genug Liquidität im System vorhanden, die Gesamtrefinanzierungsbasis wurde aber durch die neuen regulatorischen Vorschriften sogar teurer“, sagt Christoph Raninger von der BAWAG P.S.K. Gerade langfristige Liquidität ist für Banken kostbar und teuer geworden, daher gilt als Faustregel für Unternehmen: Je länger die Kreditlaufzeit, desto höher die Marge. Dementsprechend erwartet Bank-Austria-Vorstand Dieter Hengl künftig eher kürzere Finanzierungslaufzeiten bei Unternehmenskrediten von eher 3 bis 5 anstatt von 8 bis 10 Jahren. Dass die Margen von ihren derzeitig hohen Niveaus wieder nach unten drehen, erwarten Experten nicht. „Der Rohstoff Kapital wird sich für Banken weiter verteuern, somit sollten die Kreditmargen tendenziell eher steigen. Gemessen am europäischen Durchschnitt hätten wir in Österreich ohnehin noch einiges Potenzial nach oben“, sagt BAWAG-P.S.K.-Vorstand Christoph Raninger. Das Marktumfeld für die Aufnahme von Fremdkapital könnte zinsseitig für heimische Unternehmen nicht günstiger sein. Während Banken zunehmend restriktiver in der Kreditvergabe agieren, stehen dagegen Privatanleger bei Corporate-Bond-Emissionen Schlange. Wenngleich margenseitig betrachtet Fremdkapital jetzt schon teuer erscheint, dürfte das Ende der Fahnenstange hier noch nicht erreicht worden sein. Ronald Felsner