Österreich : Nationalrat beschließt Preisbremse für Medikamente - Pharmabranche bestürzt

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Nach zähen Verhandlungen haben sich SPÖ und ÖVP doch noch auf eine Kostenbremse bei der Erstattung von Medikamentenkosten durch die Krankenkassen geeinigt. Abgestellt wird auf EU-Durchschnittspreise, ein Strafabschlag bei besonders teuren Präparaten kommt nicht. Die entsprechende Änderung des ASVG wurde umgehend im Nationalrat beschlossen. Die Opposition kritisierte dies.

Noch bis zum Nachmittag hatten die Gesundheitssprecher von SPÖ und ÖVP, Erwin Spindelberger und Erwin Rasinger, verhandelt. Davor hatte es 14 Monate lang ergebnislose Gespräche zwischen Sozialversicherungs-Hauptverband und der Pharmaindustrie gegeben. Am Donnerstag ging es dann sehr schnell. SPÖ und ÖVP brachten einen "gesamtändernden Abänderungsantrag" zu einer vorsorglich auf die Tagesordnung gehievten winzigen ASVG-Änderung ein, der am Abend - ohne Begutachtung oder Behandlung im Gesundheitsausschuss - mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen beschlossen wurde.

Die Neuregelung sieht vor, dass für die Aufnahme von Medikamente in den Erstattungskodex der Kassen künftig der EU-Durchschnittspreis zu gelten hat. Erhoben wird er mehrmals (nach der ersten Festsetzung durch die Preiskommission nach 18 Monaten, dann nach weiteren 24 und - als Option - nochmals nach neuerlichen 18 Monaten), um sinkende Kosten zu berücksichtigen.

Dies gilt auch für besonders teure (weil oft neue und hoch wirksame) Präparate, mit denen die Firmen erst gar nicht in den Kodex hineinwollen, die von den Kassen in Ausnahmefällen - nach Chefarztbewilligung - aber trotzdem bezahlt werden. Der zunächst geplante fünfprozentige Strafabschlag für diese kommt aber nicht.

Festgelegt wurde auch, dass ein Originalprodukt um 30 Prozent billiger werden muss, wenn ein wirkstoffgleicher Nachfolger (Generikum oder Biosimilar) auf den Markt kommt. Ist das der Fall, wurde im Gegenzug ein bis 1. Oktober 2020 geltendes Moratorium für das Streichen aus dem Erstattungskodex festgelegt, solange der verlangte Preis nicht um mehr als 30 Prozent höher als das günstigste Konkurrenzprodukt ist.

Dies ist ein Zugeständnis an die Pharmaindustrie, die sich wegen der Billigkonkurrenz aus Schwellenländern Sorgen macht. (APA/red)

In der Debatte im Nationalrat zeigten sich SPÖ und ÖVP am Donnerstag erleichtert, doch noch einen Kompromiss bei den Medikamentenkosten geschafft zu haben. Bei der Opposition sorgte die überstürzte Beschlussfassung, aber auch der Eingriff in den Pharmamarkt für Kritik. Lediglich die Grünen stimmten dem Vorhaben der Koalition letztlich zu.

"Gut Ding braucht eben Weile", verteidigte SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger die Vorgangsweise. Monatelang sei vergeblich versucht worden, die sehr hohen Kosten für innovative Medikamente in Österreich in den Griff zu bekommen. "Da geht es nur ums Abcashen, nicht um die Versorgung der kranken Menschen", kritisierte er. Mit dem nun gültigen Durchschnittspreis "werden die Pharmariesen auch in Zukunft nicht am Hungertuch nagen", meinte er zu deren Kritik.

"Der Trend geht in eine Richtung, wo wir in Zukunft mit Preisen zu rechnen haben, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen"

ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger entschuldigte sich für das späte Einbringen, rechtfertigte sich aber mit der Komplexität der Materie. Es handle sich um den zweiten Erfolg nach dem Rahmen-Pharmavertrag im Vorjahr. Beides folge dem Muster, dass es eine hochqualitative Gesundheitsversorgung unabhängig von Alter und Einkommen geben müsse. Mit der Gesetzesänderung wolle man den Pharmastandort und die Forschung im Land sichern, die Ausgabenobergrenzen der Kassen einhalten, den EU-Schnitt erreichen (Österreich liegt hier laut Spindelberger 16 Prozent darüber) und die Planbarkeit garantieren.

Für die Grünen kritisierte Karl Öllinger das überstützte Vorgehen. Dass der Pharmaindustrie Zügel angelegt werden, begrüßte er aber. Nicht so die FPÖ: Überall werde gespart, aber nicht bei den Sozialversicherungen, kritisierte Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein, denn dort müssten SPÖ und ÖVP ihre Leute versorgen.

Ganz anders sah das Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ). Die Einigung sei von enormer Wichtigkeit, denn der chancengerechte Zugang zu einer modernen, leistbaren Medizin sei ein Schlüsselfaktor für ein qualitativ hochstehendes Gesundheitssystem. "Der Trend geht in eine Richtung, wo wir in Zukunft mit Preisen zu rechnen haben, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen", warnte die Ministerin: "Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen sich auf das Gesundheitssystem verlassen können." (APA/red)

Mit Bestürzung und vehementer Ablehnung hat die Pharmabranche auf die vom Nationalrat beschlossene Medikamenten-Preisbremse reagiert. Die Pharmig warnte vor einer Gefährdung der Arzneimittelversorgung, die chemische Industrie ortete überzogene Preiseinschnitte, und das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie (FOPI) sah einen Tiefpunkt des Parlamentarismus.

Seitens der Pharmig erblickte Generalsekretär Jan Oliver Huber in einer Aussendung "planwirtschaftliche Eingriffe, die die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit Arzneimitteln in Gefahr bringen". Gerade innovative Produkte würden künftig nicht mehr so schnell in Österreich zur Verfügung stehen. "Draufzahlen werden dank Hauptverband (der Sozialversicherungsträger, Anm.) die österreichischen Patientinnen und Patienten", meinte er.

"Es ist unverständlich, dass man bei so einem heiklen Thema wie der Arzneimittelversorgung bereit ist, ohne eine realistische Abschätzung der Auswirkungen vorzugehen", kritisierte auch Sylvia Hofinger vom Fachverband der Chemischen Industrie. Auch massive verfassungsrechtliche Bedenken lägen vor.

"Die in den langen und zähen Verhandlungen getroffene Übereinkunft bedeutet für die Pharmaindustrie zusätzliche massive Belastungen", konstatierte FOPI-Präsident Manuel Reiberg. Außerdem werde dadurch einmal mehr von den eigentlichen Baustellen im Gesundheitssystem abgelenkt: "Die Arzneimittel sind definitiv nicht die Kostentreiber." (apa/red)