Energie : Mythen zur Energiewende

"Der Klimaschutz- und Energiebereich ist ein Tummelplatz für Halbgebildete, Viertelgebildete, Ungebildete, für Besserwisser und für die Spezies der Bauchdenker, aber vor allen Dingen ein Tummelplatz der Lobbyisten aller Richtungen, insbesondere jener, die als Energie-Platzhirschen in ihrer bisherigen Existenz bedroht sind", plädierte der Präsident der Lobbying-Organisation Erneuerbare Energie Österreich, Peter Püspök, bei der Präsentation des "Faktenchecks" für mehr Sachlichkeit in der Diskussion.

Deshalb wollen der Klima- und Energiefonds (KliEn) und Erneuerbare Energie Österreich mit dem "Faktencheck Energiewende", der heuer zum dritten Mal herausgegeben wurde, mit “Mythen zur ökonomischen Dimension der Energiewende aufräumen“.

Zwei-Grad-Ziel einhalten

"Ein Großteil der fossilen Reserven an Kohle, Öl und Gas muss für immer unter der Erde bleiben, egal, welche Menge gefördert werden kann, egal, wie billig sie sind", forderte Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und -Energiefonds. "Die Fakten sprechen eine klare Sprache, es gibt keine Zeit mehr zu verlieren", so Höbarth. "Zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels stehen der Weltgemeinschaft noch circa 800 Gigatonnen CO2-Äquivalente an Treibhausgasen zur Verfügung." Ohne tiefgreifende Umgestaltung des Energie- und des Mobilitätssystems werde diese CO2-Menge schon innerhalb der nächsten 20 Jahre aufgebraucht sein.

Subventionen für fossile Energien würden die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens behindern, sagte Höbarth und verwies in dem Zusammenhang auch auf eine Studie, die der Klima- und Energiefonds vom Wifo anfertigen ließ und die für Österreich ein jährliches Volumen von 3,8 bis 4,7 Mrd. Euro an Subventionen für fossile Energieträger festgestellt hat.

Subventionen in der Kritik

Diese (indirekten) Subventionen bestehen vor allem in der Nichteinhebung von Steuern und Abgaben auf fossile Energieträger, die man einheben könnte oder die höher sein könnten. Dass die Mineralölsteuer auf Diesel geringer ist als auf Benzin wird etwa als Subvention in Höhe von 640 Mio. Euro gewertet. Diese Berechnungsmethode hätte den rechnerischen Effekt, dass die Subvention verschwinden würde, wenn die Mineralölsteuer auf Benzin auf das Niveau der Dieselbesteuerung gesenkt oder die Mineralölsteuer ganz abgeschafft würde.

Das wäre natürlich unsinnig, verteidigte Wifo-Energieexpertin Angela Köppl die gewählten Berechnungsannahmen, denn es sei bekannt, dass fossile Treibstoffe und insbesondere Diesel umweltschädlich seien. Die niedrigere Besteuerung von Diesel habe den negativen Effekt gehabt, "dass die Zulassung von Diesel-Personenkraftwagen enorm zugenommen hat. Und das ist natürlich ein Effekt, der aus Klimasicht und aus Umweltsicht nicht wünschenswert ist."

Aber auch das Pendlerpauschale, die Grundsteuerbefreiung für Verkehrsflächen, Steuerbegünstigungen im Rahmen der Normverbrauchsabgabe oder die Neubauförderung im Rahmen der Wohnbauförderung für Ein- und Zweifamilienhäuser gelten in der Wifo-Studie als Subventionen.

Energiewende ist nicht teuer

Püspök würde sogar noch weiter gehen. "Die Schadenskosten, die durch Benzin, Diesel, Öl und Gas verursacht werden, sind gewaltig. Und für mich ist alles, was diese Schadenskosten nicht ausgleicht, Subvention."

Auch die verbreitete Annahme, das die Energiewende teuer sei und das Wirtschaftswachstum hemme, ist nach Ansicht des Energie- und Klimafonds und des Verbands "Erneuerbare Energie Österreich" ein Mythos. Es seien nämlich gerade jene Staaten, "die beim Klimaschutz erfolgreich sind, auch durchwegs wirtschaftlich erfolgreicher". In vielen Staaten sei es gelungen, BIP-Wachstum und Treibhausgas-Reduktion zu entkoppeln.

"Aus unseren Untersuchungen kommen wir immer mehr zur Überzeugung, dass die erforderliche Transformation des Energiesystems ein neues Verständnis im Umgang mit Energie braucht", sagte Köppl. So müsse Mobilität "nicht unbedingt mit Verkehrsbewegungen einhergehen".

Mit einem weiteren "Mythos" wollte die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin aufräumen. "Wir haben das sehr genau nachgerechnet: Es sind keine neuen Stromleitungen notwendig, um mit der Energiewende fortzuführen", sagte Kemfert. "Im dem Moment, wo wir einen konsequenten Kohleausstieg machen würden, wären auch ausreichend Stromleitungskapazitäten vorhanden, die wir nutzen könnten, um die Energiewende vernünftig fortzusetzen." (apa)

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