Bahnindustrie : Mit 300 kmh nach Berlin: Deutsche Bahn schließt Milliardenprojekt ab

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© Peter Martens

Mal wurde sie als längste U- Bahn der Welt verspottet, mal als Milliardengrab für den Solidaritäts-Zuschlag, mal als sinnlosestes Projekt der Deutschen Einheit: Die ICE-Trasse Berlin-München stand lange allenfalls in Konkurrenz zum BER, dem geplanten Berliner Großflughafen, der seit Jahrzehnten auf den Start des ersten Flugzeugs wartet.

Das letzte "Verkehrsprojekt Deutsche Einheit"

Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE 8) wurde mehrfach totgesagt und schien sich in Projekte wie den Berliner Hauptbahnhof oder gar Stuttgart21 einzureihen, die der Bahn viel Ärger und hohe Kosten bringen. Doch gut 25 Jahre nach dem Fall der Mauer werden die Züge noch heuer in weniger als vier Stunden zwischen Berlin und München auf der Trasse pendeln. Für die Deutsche Bahn soll es angesichts der Konkurrenz der Billigflieger und Fernbusse der Weg zurück in die Offensive sein.

Es ist das letzte große Verkehrsprojekt Deutschen Einheit, das jetzt fertiggestellt ist. Die Bahn jubelt, es sei sowohl im Zeitplan als auch im Kostenrahmen von 10 Mrd. Euro geblieben. "Wir können Großprojekte", sagt Bahnchef Richard Lutz. Im Vergleich zu den ersten Planungen Anfang der 1990er Jahre stimmt das zwar nicht. Doch immerhin in den vergangenen zehn Jahren kamen keine neuen Hiobsbotschaften von den zahllosen Baustellen zwischen Berlin, Leipzig, Erfurt, Nürnberg und München.

Züge fahren mit 300 Kilometern pro Stunde

Ab Dezember verkehrt ein sogenannter "Sprinter" dreimal täglich, der nur in Halle (Saale), Erfurt und Nürnberg hält. Mit diesem Zug dauert die Reise von München nach Berlin drei Stunden und 55 Minuten.

Auf der Neubaustrecke fahren Züge dann teilweise bis zu 300 Kilometer in der Stunde, so Lutz.

Da trifft es sich gut, dass ab Ende 2017 auch die ersten neuen ICE-4-Züge aufs Gleis kommen. Die neue Generation wird in kommenden Jahren das Rückgrat des Fernverkehrs bilden und auch zwischen Berlin und München zum Einsatz kommen. Die Züge sollen den Personenverkehr dann über die ehemaligen Soda-Brücken zurück in die Erfolgsspur fahren.

Ein langer Weg mit vielen Problemen - und Kosten

Anfang des Jahrtausends sah dies anders aus. Als der Bund besonders knapp bei Kasse war, stand das Projekt mehrfach vor dem Aus, praktisch herrschte Baustopp. Vor allem die Grünen, damals in der Regierung, machten Front gegen das Vorhaben und favorisierten stattdessen den Ausbau alter Bahn-Verbindungen. Im Bundeshaushalt war Ebbe, so dass Hochrechnungen von einer Inbetriebnahme irgendwann nach 2030 ausgingen.

Geld floss gerade noch für "Baurechts erhaltende Maßnahmen". Das hieß, es wurde gerade soviel geschaufelt und gebuddelt, dass die Trasse nicht ein neues Genehmigungsverfahren brauchte. Folge: In der Landschaft standen Bauwerke, die im Volksmund "Soda"-Brücken genannt wurden. Einfach, weil sie "so da" in der Landschaft standen. Ohne Schienen- oder andere Anbindung, ohne Aussicht, dass in absehbarer Zeit weitergebaut würde.

Dabei waren die Herausforderungen selbst mit Geld groß genug: Weit über 300 Bahn- und 170 Straßenbrücken wurden benötigt. Das Kernstück von gut 100 Kilometern durch den Thüringer Wald besteht allein aus 22 Tunneln und 29 Brücken. Die Hälfte der Strecke verläuft unter der Erde oder über Täler. Dieser Abschnitt ist so auch der letzte, der jetzt fertig wird. Zwischen Berlin und Halle/Leipzig fuhren die Züge schon 2006. Von dort nach Erfurt war die Trasse 2015 betriebsbereit.

Deutsche Bahn steht stark unter Druck

Für die Deutsche Bahn kommt der reguläre Betrieb mit dem Fahrplanwechsel im Dezember gerade recht. Der Konzern steht von vielen Seiten unter Druck. Vor allem der Boom der Fernbusse und der Billigflieger drohten IC und ICE zu leeren. Die Bahn konnte den Trend zwar schon stoppen - aber nur mit Sonderpreisen auf Kosten des Gewinns.

Mit Berlin-München in drei Stunden und 55 Minuten will sie Auto- und Fernbusfahrer von der Straße und vor allem Passagiere aus den Fliegern holen. Derzeit hat die Bahn auf der Verbindung einen Marktanteil von etwa 20 Prozent, eine Steigerung auf 50 Prozent zwischen den beiden boomenden Millionen-Städten gilt als machbar.

Im weiteren Einzugsgebiet leben 17 Millionen Menschen

Darüber hinaus profitieren zahlreiche weitere Fernverkehrs-Verbindungen von der neuen Strecke. Insgesamt 17 Millionen Menschen leben im weiteren Einzugsgebiet, denen man jetzt mehr und schnellere Züge anbieten könne, rechnet die Bahn vor. Praktisch der gesamte Nahverkehr werde sich zudem in der Region an der Magistrale orientieren.

Sie bildet damit auch das Kernstück der vor zwei Jahren angekündigten Offensive, wonach der Staatskonzern bis 2030 sein Fernverkehrsangebot um ein Viertel ausweiten wollte. Rund 50 Millionen Reisende sollen dann mehr mit den Zügen unterwegs sein, was einem Plus von mehr als einem Drittel entspräche.

(von Markus Wacket, Reuters /APA/red)