Ein Steher : Mirko Kovats feilt an seinem Comeback

Kovats
© Valerie Rosenburg

Es ist fünf Minuten nach zwölf – und es herrscht Endzeitstimmung. Als am Mittag des 30. September Mirko Kovats, sein Aufsichtsrat, ein Heer von Anwälten und der Sanierungsverwalter Matthias Schmidt in den Räumlichkeiten in der Wiener Wächtergasse eintreffen, ist die Rettung der A-Tec Industries bereits gescheitert.Nur noch 12 Stunden, bis Mitternacht, bleiben Mirko Kovats an jenem sonnigen Septembertag, um über einen Einstieg von Investoren eine Summe von rund 200 Millionen Euro aufzubringen – und damit die Insolvenzquote zu erfüllen. Doch im letzten Augenblick hat der tschechische Investor Penta sein Angebot zurückgezogen. Mehr noch: Mit einer Klage gegen Details des Verkaufsprozesses und der drohenden Rechtsunsicherheit verschreckt Penta die anderen Interessenten, die daraufhin ihrerseits ihre Angebote platzen lassen.In der Sitzung im nüchternen großen Besprechungsraum in der Wächtergasse kursieren Verschwörungstheorien: Gibt es Absprachen zwischen Gläubigerbanken und dem tschechischen Investor? Soll etwa die Erfüllung des Sanierungsplans gezielt hintertrieben werden, um ihn, Mirko Kovats, zu entmachten? Das Gremium empört sich kollektiv über die Klage von Penta: Sie sei sachlich unrichtig, chancenlos vor Gericht – hätte das Verkaufsverfahren aber doch so nachhaltig gestört, dass es die Erfüllung des Sanierungsplanes verhinderte.Langsam weicht die wütende Verzweiflung einem nüchternen Blick auf die Realität. Der Vorsitzende von Kovats’ Aufsichtsrat, Freimut Dobretsberger, fragt – fast ein wenig schüchtern –, wie sich denn jetzt die rechtliche Situation der A-Tec Industries darstelle. Unwidersprochene Antwort eines der Kovats- Advokaten: „Das Unternehmen A-Tec Industries besteht rechtlich zumindest bis 29. Dezember 2012 weiter. Aber mit heute Mitternacht ist das gesamte Vermögen der A-Tec Industries dem Sanierungsverwalter treuhändig zur Verwertung zu übergeben.“ Der Abverkauf ist in vollem Gang (INDUSTRIEMAGAZIN berichtete). Auf London-Tour. Das ganze Vermögen der A-Tec Industries? Nicht ganz. Denn selbst die leere Firmenhülle hat einigen Wert für den schillernden Investor. Noch hat A-Tec außerhalb Österreichs im Maschinenbau einen klingenden Namen – und beeindruckende Anlagenbau-Referenzprojekte vorzuweisen. Sollte es Insolvenzverwalter Matthias Schmidt gelingen, mit dem Verkauf der Einzelunternehmen der A-Tec Industries mehr als 30 Prozent der Gläubigerforderungen zu erfüllen, dann ist Kovats im Besitz einer völlig schuldenfreien Unternehmenshülle (Details aus Seite 2). Mehr noch: Mit der Entschuldung weist die leere A-Tec zumindest buchhalterisch einen riesigen Bilanzgewinn auf. Kovats’ zukünftige operative A-Tec müsste über Verlustvorträge für Jahre keinen Steuer-Cent an den Fiskusabführen.Wen wundert es, dass Mirko Kovats angesichts dieser Gemengenlage längst an seinem Comeback feilt? Personen, die dem konkursverfangenen Unternehmer noch immer nahe stehen, berichten, dass er erst im November eine ausgedehnte Tour durch das Londoner Finanzzentrum und den Mittleren Osten gemacht hat. Mit mehreren potenziellen Geldgebern sollen da Anlagenbauprojekte in Übersee besprochen worden sein. Und der Rückkauf des Maschinenbauers Emco aus der Konkursmasse. Über seine Stiftung besitzt Kovats persönlich immerhin noch rund ein Prozent an Emco – und, nach seiner eigenenRechtsauffassung, auch ein Rückkaufsrecht auf den Salzburger Maschinenbauer. Höchststrafe: 10 Jahre. Einen Strich durch die Rechnung kann Kovats letztlich nur die Staatsanwaltschaft – die seit März gegen den Investor ermittelt – machen. Und eine kleine, aber bedeutsame rechtliche Änderung, die vor wenigen Jahren just vom späteren Rechtsvertreter des A-Tec-Aufsichtsrates, dem FPÖ-Justiziminister Dieter Böhmdorfer, in Kraft gesetzt wurde:Hatten bis 2004 in Wirtschaftsstrafsachen nur jene Beweise vor Gericht Gültigkeit, die von den Ermittlern aufgrund von konkreten Verdachtsvorwürfen gefunden wurden, darf heute alles Material, das Anhaltspunkte für strafbares Verhalten birgt, zu weiteren Ermittlungen führen und letztlich in eine Anklage münden.Und Material haben die Ermittler der Abteilung Wirtschaftskriminalität zur Genüge gesammelt: 120 Kisten mit Akten und Festplatten wurden im Juni in Kovats Privatanwesen und den Büroräumlichkeiten der A-Tec bei Hausdurchsuchungen sichergestellt. Die Unterlagen – mit der Aktenzahl 605 St 18/11b versehen – werden noch bis Januar 2012 von Werner Hallas, dem Gerichtssachverständigen der Staatsanwaltschaft, ausgewertet. „Wir ermitteln derzeit in alle Richtungen, nicht nur jene in den Medien dargestellten“, sagt Michaela Schnell, erste Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Wien. „Von Untreue, betrügerischer Krida, grob fahrlässigerBenachteiligung von Gläubigerinteressen bis zu Bilanzfälschung ist da alles dabei.“ Die Höchststrafe der vorgeworfenen Delikte, so Staatsanwältin Schnell: „Bis zu zehn Jahre Haft.“ Fortsetzung auf Seite 2: Kovats, Kredite und BZÖ.

Dass die Arbeit der Staatsanwaltschaft einfach wird, kann man nicht behaupten. Alleine der Ausdruck des Organigramms der M.U.S.T.-Privatstiftung von Mirko Kovats (das Kürzel „M.U.S.T.“ steht für die Vornamen von Kovats, seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder) ist mit mehr als 100 Quer- und Schachtelbeteiligungen und allen Funktionen nur auf Papierformat A1 leserlich. Dabei stehen gerade Vorgänge rund um diese Stiftung im Fokus der Ermittlungen. Etwa ein Aktienrückkauf, den sich Kovats am 10. Juli 2008 vom Aufsichtsrat genehmigen ließ. Damals dekretierte derMehreitseigentümer des börsennotierten Konzerns als Vorstandsvorsitzender den Kauf von 1,513 Millionen eigenen Aktien zu einem Durchschnittskurs von 14,59 Euro. Kein halbes Jahr später ließ er sich vom Aufsichtsrat den Weiterverkauf der Anteile an ein Tochterunternehmen seinerM.U.S.T.-Stiftung um 6,29 Euro pro Stück abnicken. Aktien mit einem Einkaufspreisvon 22,1 Millionen Euro gingen so um 9,417 Millionen Euro ins Eigentum der Stiftung über. Dabei dürfte Kovats in diesem Fall Glück im Unglück haben: Weil der Aktienkurs der A-Tec in den Monaten nach dem Weiterverkauf komplett abgestürzt ist, ist für die anderen Aktionäre der A-Tec aus der Transaktion kein Schaden entstanden – eine Anklage scheint in diesem Punkt aussichtslos. Kredit trotz Gewinnausschüttung. Zum Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft zählt auch der Umgang mit einem Aufwertungsgewinn aus dem Jahre 2005. Damals wurde die AE & E Beteiligungsgesellschaft mit der A-Tec verschmolzen, was zu einem Gewinn von 229 Millionen Euro führte. Der dadurch entstandene Bilanzgewinn von 182,6 Millionen Euro wurde zunächst auf das nächste Geschäftsjahr vorgetragen – doch zum Teil Ende 2006 als Dividende ausgeschüttet. Hauptnutznießer: Kovats‘ M.U.S.T.-Privatstiftung, die 55,2 Prozent der A-Tec-Aktien, und deren Tochter Capital- und Industrie Investment AG (CII), die 11,3 Prozent der Aktien hält. Dass just zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung eineUnternehmensanleihe in Millionenhöhe aufgenommen werden musste, werten dieStaatsanwälte als potenziell strafrechtlich relevant. Kovats und das BZÖ. Die Verbindung von Mirko Kovats zum dritten politischen Lager dürfte für die Staatsanwaltschaft ebenfalls interessant sein. Im Zuge der Erhebungen des Finanzamtes Wien gegen die in zahlreiche Affären verwickelte BZÖ-eigene Werbeagentur „Orange“ wurden auch die Geschäftsbeziehungen der A-Tec Industries unter die Lupe genommen, die sich über die Jahre 2006 und 2007 erstreckten. Dabei entdeckt wurden etwa eine Rechnung für die „Erstellung von Unterlagen, Fusion OMV-Verbund“ – und eine bislang unbezahlt gebliebene Rechnung für einen nicht näher bezeichneten „Druckkostenaufwand“ – in Höhe von immerhin 12.000 Euro. Mittellos. Nach eigenen Angaben ist Mirko Kovats derzeit mittellos. Das knapp 10.000 Quadratmeter große Anwesen in der Hinterbrühl mit der Grundbuch-Einlagezahl 16113/116 wurde mit der Insolvenz der A-Tec Industries an die RaiffeisenlandesbankOberösterreich verpfändet. Dem Vernehmen nach besteht noch Immobilienbesitz in Cannes – ein Haus, das nach dem Verkauf einer Liegenschaft auf den Bahamas erworben worden sein soll. In einer TOSE Privatstiftung, die ebenfalls im Geflecht der Stiftungen Kovats auftaucht, sind Hotel- und Gastromonomie-Immobilien gebündelt, darunter die Schlosshotel Krumbach Immobilienverwaltung GmbH und die Artis Hotel & Restaurant GmbH. Über die pfandrechtliche Belastung all jener Immobilien ist nichts bekannt. Nur formal wertlos? Zumindest die Aktienmehrheit an der nunmehr leeren Hülle A-Tec Industries bleibt Mirko Kovats noch. Wenn auch hier eine Transaktion zuletzt für Verwunderung gesorgt hat. Bei der letzten Hauptversammlung der A-Tec Industries im Oktober – zu deren Stimmrechtsnachweis üblicherweise Aktien-Hinterlegungsurkunden von heimischen Banken vorgelegt werden – überraschte Mirko Kovats die Anwesenden mit einemDokument der Societé Generale Private Banking – Niederlassung Monaco. Vier Millionen Aktien mit dem damals schon bescheidenen Wert von 1,67 Euro pro Anteilsschein waren per 18. September für die M.U.S.T. Privatstiftung im Steuerparadies hinterlegt. Verpfändet – etwa als Sicherstellung für einen Immobilienkreditkauf – waren sie damals nicht, denn das wäre auf der Hinterlegungsurkunde vermerkt worden.Warum die Aktien an der damals schon stark wertgeminderten A-Tec Industries im Zwergstaat geparkt waren, darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht weil der Eigentümer ahnt, dass die Anteilsscheine zukünftig weitaus weniger wertlos sind, als sie heute scheinen? Inkubator wider Willen. Matthias Schmidt, der Masseverwalter der A-Tec Industries, könnte – ungewollt– zum Geburtshelfer einer neuen A-Tec Industries werden. Hinter den Kulissen hat Mirko Kovats vorgesorgt. Schon vor dem endgültigen Scheitern des Sanierungsverfahrens – und der Herauslösung aller werthaltigen Bestandteile aus der A-Tec Industries – stellten die Anwälte sicher, dass eine leere Firmenhülle bis zumindest Ende 2012 fortbestehen bleibt. Sollte es dem Masseverwalter – der Mirko Kovats keineswegs wohlgesonnen, aber den Gläubigern zu einem hohen Verwertungsergebnis verpflichtet ist – gelingen, über den Verkauf der Einzelunternehmen der A-Tec Industries mehr als 30 Prozent der Gläubigerforderungen zu erfüllen, dann gilt auch die leere Firmenhülle als entschuldet– und darf weiterbestehen. Mit allen Vorteilen für Kovats: Einem riesigen Bilanzgewinn, der buchhalterisch durch die Entschuldung entsteht, und der Möglichkeit, über Verlustvorträge in den kommenden Jahren bei operativem Geschäft Steuern zu sparen. Dass Matthias Schmid wider Willen zum Inkubator einer neuen A-Tec werden könnte, ist sehr wahrscheinlich: Selbst im Einzelverkauf sind die Assets der A-Tec Industries, wie die Montanwerke Brixlegg, der Maschinenbauer Emco oder das Kraftwerk in Voitsberg, so werthaltig, dass eine 30-Prozent-Quote machbar scheint.