Stahlindustrie : Minenunglück in Brasilien: Die dunkle Seite der Stahlproduktion

Nach dem Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien ist die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 99 gestiegen. 259 weitere Menschen wurden noch vermisst, wie die Zivilschutzbehörde mitteilte. Nach Einschätzung der Rettungskräfte besteht kaum noch die Aussicht, Überlebende zu finden. Der Damm an der Mine Corrego do Feijao des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale war am vergangenen Freitag gebrochen.

Nach sechs Tagen sind knapp 360 Menschen tot oder vermisst

Der verheerende Dammbruch hat auch dem Image seines Besitzers Vale einen weiteren schweren Schlag versetzt - und wirft auch ein schiefes Licht auf die gesamte Bergbaubranche und ihre großen Kunden in der Stahlindustrie.

Brasilien leidet bis heute unter der Umweltkatastrophe, die der Bruch eines weiteren Damms vor drei Jahren in Minas Gerais ausgelöst hatte - dessen Betreiber Samarco war ein Tochterunternehmen von Vale und dem australisch-britischen Konzern BHP.

Damals kamen 19 Menschen ums Leben, die giftige Schlammlawine gelangte in den Fluss Rio Doce und später in den 650 Kilometer entfernten Atlantik. Bis heute zahlen Vale und BHP Milliardenbeträge für den verheerenden Dammbruch, und noch warten viele Opfer auf eine Entschädigung.

Diesmal ist der Schaden für die Umwelt offenbar geringer, dafür aber könnte die Zahl der Opfer in die Hunderte gehen. Die brasilianische Justiz fror bereits 11 Mrd. Real (2,57 Mrd. Euro) auf den Konten von Vale für mögliche Entschädigungszahlungen ein. Außerdem wurde das Unternehmen vom Staat und vom Bundesstaat mit ersten Strafen in Höhe von 81 Mio. Euro belegt.

Umweltschützer: Europas Stahlindustrie ist direkt beteiligt

Angesichts der Katastrophe und möglicher Umweltschäden rief die Naturschutzorganisation WWF Unternehmen in Europa dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. Deutschland zum Beispiel beziehe über 50 Prozent seines importierten Eisenerzes aus Brasilien und zähle zu den größten Abnehmern des Rohstoffs. "Der Dammbruch zeigt, welch unfassbares Leid der Abbau von Rohstoffen verursachen kann", sagte Jörg-Andreas Krüger vom WWF.

Giftiger Schlamm fließt von der Mine in den Bergen bis in den Atlantik

Im Jahr 2015 gab es in Minas Gerais schon ein ähnliches Unglück. Bei der "Tragödie von Mariana" brach in einem Eisenerzbergwerk ein Damm an einem Rückhaltebecken, 19 Menschen kamen ums Leben. Das damalige Betreiberunternehmen Samarco gehörte ebenfalls Vale sowie dem australisch-britischen Konzern BHP. Eine riesige Welle mit Schlamm und schädlichen Stoffen ergoss sich in angrenzende Ortschaften und kontaminierte den Fluss Rio Doce auf rund 650 Kilometern Länge. Bis in den Atlantik floss die braunrote Brühe.

Vale betont seine "Leidenschaft für die Menschen und den Planeten"

Vale wurde 1942 in Minas Gerais als Companhia Vale do Rio Doce gegründet. Bis 1997 war es in Staatsbesitz. Heute ist Vale der weltweit größte Minenbetreiber für Eisenerz und das drittgrößte Bergbauunternehmen nach den australisch-britischen Konzernen BHP und Rio Tinto.

Neben Eisenerz baut das brasilianische Unternehmen Nickel, Kupfer und andere Metalle ab und besitzt Wasserkraftwerke sowie Schienennetze, Häfen und Schiffe zur Lieferung seiner Produkte. Weltweit beschäftigt es 76.500 Menschen. Sein Börsenwert liegt bei 78,7 Mrd. Dollar (69,4 Mrd. Euro).

Konzern kassiert Milliardengewinne

2017 erwirtschaftete Vale einen Gewinn von 5,5 Mrd. Dollar bei einem Umsatz von 34 Mrd. Dollar. Netto bedeutet dies ein Plus von 38 Prozent verglichen zum Vorjahresergebnis - ein erster Hinweis, dass sich das Geschäft nach einem Einbruch der Rohstoffpreise im Jahr 2015 wieder erholt hat. Die Krise hatte Vale zu deutlichen Kosteneinsparungen gezwungen.

Nach Angaben des Bergbau-Experten Luiz Jardim Wanderley von der Staatlichen Universität von Rio der Janeiro tendieren Unternehmen in Zeiten fallender Rohstoffpreise generell dazu, "ihre Budgets für Sicherheit und Wartung zu reduzieren". Von den 450 Dämmen in Minas Gerais gebe es deshalb eine "relativ hohe Zahl", deren Zustand "zweifelhaft oder unhaltbar" sei, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Der 1976 gebaute und 86 Meter hohe Unglücksdamm war stillgelegt und zum Abriss vorgesehen. Vale beteuert, eine Inspektion des TÜV Süd habe im September keine Beanstandungen ergeben. Auch bei einer weiteren Kontrolle im Jänner seien keine Mängel festgestellt worden.

Auf seiner Website bekräftigt Vale seine "Leidenschaft für die Menschen und den Planeten". Zu den angestrebten Unternehmenswerten zählen der Grundsatz "Das Leben ist am wichtigsten" und "Tue das Richtige". (apa/afp/dpa/red)