Wenn das Zeitkonto am Tisch bleibt : Metaller ab Dienstag in unbefristetem Streik?

Nach der heute Nacht gescheiterten Runde für die rund 120.000 Beschäftigten der Betriebe im Fachverband der Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) ist die Lage eskaliert. Im Vorstoß der Arbeitgeber, den "Bann" zu brechen und "Überstunden nicht mehr mit Überstundenzuschlägen zu entlohnen", sieht die Gewerkschaft die Metaller als Speerspitze für andere Verhandlungen. Ginge es so durch, wären alle Arbeitnehmer im Land davon betroffen, "weil wir ja doch eine Leitfunktion haben", sagten Wimmer und sein Kollege Karl Proyer (GPA-djp).

Mit der versuchten Aushöhlung der Überstundenzuschläge (Stichwort: Zeitkonto, hier mehr dazu) würde die Last der Auftragsschwankungen an die Arbeitnehmer abgewälzt, kritisiert die Gewerkschaft. Damit würden die Arbeitnehmer zu Tagelöhnern degradiert, der Willkür der Arbeitgeber ausgeliefert. Dagegen werde man mit aller Kraft ankämpfen, wurde heute versichert. "Es kommt nicht in Frage, dass die Leute Geld verlieren." Die Arbeitnehmervertreter wollen das Arbeitszeit-Flexibilisierungsthema auf jeden Fall einmal von der laufenden Lohnrunde entkoppelt haben. Heute Nacht wurde aber auch das aktuelle Arbeitgeberangebot von 2,3 Prozent als unzureichend abgelehnt.

Aufhalten kann den Arbeitskampf nur mehr ein Einlenken der Arbeitgeber, wie die Gewerkschafter sagen. Bis 28. Oktober Mitternacht müsse ein neues und deutlich besseres Angebot für einen Lohnabschluss auf dem Tisch liegen, das höher ist als die zuletzt gebotenen 2,3 Prozent. Die Arbeitnehmerforderung lautet auf 100 Euro, mindestens aber ein Plus von 3,4 Prozent. Vor allem aber will die Arbeitnehmervertretung das Reizthema "Zeitkonto" überhaupt nicht auf der Agenda der KV-Runde haben.

FMMI-Obmann Christian Knill sieht in den verfahrenen Verhandlungen um einen Kollektivvertrag für die Maschinen- und Metallwarenindustrie die Gewerkschaften gefordert. "Wir sind ihnen in großen Schritten entgegengekommen, nun erwarte ich mir Schritte von ihnen", so Knill am Mittwoch zur APA.

Zu dem Entgegenkommen der Industrie bei der gestrigen Verhandlungsrunde zählt Knill eine Lohnerhöhung von 2,3 Prozent, auch für die Mindestlöhne und die Lehrlingsentschädigungen, sowie ein Kompromissangebot beim Zeitkonto. Hier hätte es eine Korridorlösung geben können, so Knill. Lesen Sie weiter auf Seite 2...

Wie viel ein Streiktag der Industrie kosten könnte, sei derzeit noch nicht zu beantworten, sagt Knill. Nun gelte es die jüngste Entwicklung in den Gremien zu besprechen.

Die Industriellenvereinigung appellierte heute an die "standortpolitische Vernunft". "Vor allem gegenüber Deutschland, dem wichtigsten Zulieferpartner, sind wir bei den Kosten bereits massiv unter Druck", so der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer. Er rief die Gewerkschaften auf "Schulter an Schulter mit den Arbeitgebern für die Entlastung des Faktors Arbeit und eine Reduktion der gesamten Steuerlast zu kämpfen, anstatt die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Betriebe zu gefährden".

Mit der heutigen Ankündigung eines unbefristeten Streiks gibt es in der Metallindustrie heuer zum zweiten Mal seit der Jahrtausendwende einen Arbeitskampf in der Metallbranche. 2011 riefen die Gewerkschaften allerdings nur zu einem Warnstreik auf, die nächste Stufe nach unbefristeten Betriebsversammlungen. Diesen Druck bauten sie aber schon nach der zweiten Verhandlungsrunde auf, diesmal sind bereits vier Runden ins Land gezogen. 2011 beteiligten sich an den Warnstreiks rund 160 Firmen, allerdings verhandelten damals noch alle sechs Metallerfachverbände gemeinsam mit den Gewerkschaften Pro-Ge und GPA, seit 2012 verhandelt jeder Fachverband für sich mit den Arbeitnehmervertretern.

Bevor die Warnstreiks 2011 zu einem richtigen Streik ausuferten, trafen sich beide Seiten an einem Sonntag zu Sondierungsgesprächen. Dort wurde vereinbart, am folgenden Montag die Lohnrunde wieder aufzunehmen. Am Dienstagmorgen wurde dann eine Einigung erzielt, im Schnitt gab es für die Arbeitnehmer ein Lohnplus von 4,2 Prozent. Der Industrie kostet der Abschluss 2011 rund 300 Mio. Euro. Als Verhandlungsbasis war damals von einer Inflationsrate von 2,8 Prozent ausgegangen worden. (rl)