Wirtschaftspolitik : Merkel gegen Ende der Russland-Sanktionen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat klare Signale in Richtung Moskau gesandt. "Bevor wir keine Fortschritte beim Minsker Abkommen sehen, kann nicht darüber gesprochen werden, dass die Sanktionen aufgehoben werden", sagte Merkel nach einem Treffen mit Staats- und Regierungschefs Litauens, Lettlands und Estlands am Freitag in Vilnius mit Blick auf den Ukraine-Konflikt.

Zudem bekräftigte sie bei ihrem Litauen-Besuch das deutsche Engagement beim Schutz der NATO-Außengrenzen im Baltikum. Bisher gebe es "keine substanziellen Fortschritte im Minsker Prozess und das ist keine gute Nachricht", sagte die Kanzlerin bei einer Pressekonferenz in der Weißen Halle im Präsidentenpalast in Vilnius.

Das 2015 unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs zustande gekommene Minsker Abkommen sieht unter anderem einen Waffenstillstand in der Ostukraine vor. Das Abkommen wurde bisher aber nur in Teilen umgesetzt, immer wieder gibt es Verstöße. Die sich gegenüber stehenden ukrainischen Regierungstruppen und prorussische Separatisten weisen sich gegenseitig die Schuld dafür zu. Auch gegen die von Russland annektierte Krim und die dortige Regierung sind EU-Sanktionen in Kraft. Russland hatte die ukrainische Schwarzmeerhalbinsel 2014 annektiert. Am Donnerstag hatten die EU-Staaten ihre Sanktionen gegen Vertraute von Russlands Staatschef Wladimir Putin und gegen Separatisten in der Ostukraine um weitere sechs Monate verlängert. Der Frieden und die "Wiedergewinnung der territorialen Integrität der Ukraine" sei "für uns alle, die wir hier stehen, ein ganz wichtiges Thema", sagte die Kanzlerin in Vilnius.

Merkel war am Freitagvormittag zunächst mit der litauischen Präsidentin Dalia Grybauskaite zusammengetroffen. Litauen feiert heuer seine vor hundert Jahren ausgerufene staatliche Unabhängigkeit. Merkel betonte die "freundschaftlichen, engen Beziehungen" zu dem EU- und NATO-Partner Litauen und den Einsatz der deutschen Bundeswehr zur Stärkung der NATO-Ostflanke. "Symbol dieser engen Beziehungen ist auch aus deutscher Perspektive die Anwesenheit deutscher Soldaten und Soldatinnen", sagte Merkel am Freitag in Vilnius. "Es ist unser Beitrag dazu, dass die NATO ihre Bündnisverteidigung stärkt." Grybauskaite dankte Merkel für den Beistand und das Engagement der Bundeswehr. "Das ist eine große Unterstützung, Abschreckung und Demonstration, dass die NATO-Partner die Bedeutung der Abschreckung verstehen und mit uns Seite an Seite stehen." Litauen gehört wie die anderen Baltenstaaten Lettland und Estland zu den direkten NATO-Nachbarn Russlands und sorgt sich um seine Sicherheit.

Im Zuge des verstärkten Schutzes der NATO-Ostflanke führt die Bundeswehr in Litauen mit rund 450 Soldaten einen multinationalen Gefechtsverband auf dem Stützpunkt Rukla. Dort traf Merkel zum Abschluss ihrer Reise auch mit deutschen Soldaten zusammen. Damit wolle sie ihre Wertschätzung für deren Arbeit zeigen, sagte sie.

Das angespannte Verhältnis zu Moskau und die unsichere internationale Lage waren auch Thema bei Merkels Treffen mit den baltischen Ministerpräsidenten Saulius Skvernelis (Litauen), Maris Kucinskis (Lettland) und Jüri Ratas (Estland). Merkel sprach von "erheblichen Divergenzen" mit Russland bei den Themen Ukraine, Syrien und anderen geopolitischen Herausforderungen, will aber mit Moskau im Gespräch bleiben. Dies wurde von den baltischen Regierungschefs begrüßt.

Die baltischen Staaten und Polen blicken mit Sorge auf die geopolitischen Ambitionen Russlands. Im vergangenen Jahr stationierte die westliche Militärallianz in Polen sowie Estland, Lettland und Litauen jeweils ein multinationales Bataillon.

Nach den Erfahrungen mit der Ukraine sei es richtig gewesen, sich stärker auf die Bündnisverteidigung zu konzentrieren, sagte Merkel im Hinblick auf eine Bedrohung für die baltischen Staaten. Deutschland habe dabei nicht abseitsstehen können und sei deswegen in Litauen präsent. "Das ist unser Beitrag dazu, dass die NATO ihre Bündnisverteidigung stärkt."

Zur Sprache kam auch das in den drei Ostseestaaten umstrittene deutsch-russische Projekt der Gasfernleitung Nord Stream 2. "Wir sehen es als geopolitisches, nicht als wirtschaftliches Projekt", sagte Grybauskaite. Sie warnte vor der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. "Der Dissens ist nicht neu", sagte Merkel. Die Bundeskanzlerin bemühte sich, die Sorgen einiger Bündnispartner wegen Nord Stream 2 zu zerstreuen. "Die Ukraine muss Transitland bleiben", sagte Merkel.

Die Gas-Pipeline soll von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führen. Mehrere osteuropäische Länder fühlen sich durch die Direktverbindung durch die Ostsee übergangen und warnen vor wachsendem Einfluss Moskaus auf Europa. Die Ukraine fürchtet, dass durch das Vorhaben ihre Einnahmen durch den Gas-Transit aus Russland einbrechen.

Merkels eintägiger Besuch in Litauen diente auch der Abstimmung auf den kommende Woche geplanten informellen EU-Gipfel in Salzburg. Neben sicherheits- und außenpolitischer Fragen, dem britischen EU-Austritt und der Flüchtlingspolitik war auch der mehrjährige EU-Finanzrahmen ein wichtiges Thema der vier Regierungschefs. Merkel betonte die Gemeinsamkeiten Deutschlands und der Baltischen Staaten in vielen EU-Fragen. Die vier Länder seien sich einig, dass nur ein starkes Europa seine Rolle in der Welt spielen, seine Werte sichern kann und seine Sicherheit gewährleisten könne. Mit Blick auf die anstehenden Europa-Wahlen gelte es, den Menschen in den EU-Staaten deutlich zu machen, dass Europa einen Mehrwert bedeute, sagte Merkel. (AFP/dpa/APA/red)