Pharmaindustrie : Merck prüft Verkauf der Gesundheitssparte

Beim deutschen Merck-Konzern steht das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten und Gesundheitsprodukten nun doch auf dem Prüfstand. Der Vorstand des Pharma- und Chemieunternehmens will sich von dem Bereich mit Produkten wie dem Nasenspray Nasivin und dem Nahrungsergänzungsmittel Multibionta ganz oder in Teilen trennen, wie Merck überraschend mitteilte.

"Wir halten es für zunehmend herausfordernd, dieses Geschäft intern so zu finanzieren, dass es die notwendige Größe erreichen kann", sagte die Chefin der Merck-Gesundheitssparte Belen Garijo. Es würden alle Optionen geprüft, entschieden sei noch nichts. Die Erlöse aus einem möglichen Verkauf wollen die Hessen für das Erreichen ihrer Finanzziele einsetzen.

Spekulationen seit Jahren

Gerüchte, dass Merck sich von dem Geschäft mit seinen weltweit 3.800 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt 860 Mio. Euro trennen will, gibt es bereits seit Jahren. Bis jetzt hatte das Unternehmens offiziell aber stets abgewinkt. Noch Anfang 2016 hatte die Chefin der Sparte Consumer Health, Uta Kemmerich-Keil, der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, Merck wolle in dem Geschäft aus eigener Kraft wachsen und es auch nicht verkaufen. Die Sparte sei integraler Bestandteil von Merck und auf Kurs, das Ziel von einer Milliarde Umsatz in den nächsten vier bis fünf Jahren zu erreichen.

Insidern zufolge stand das Management in den vergangenen Jahren aber wiederholt mit potenziellen Käufern im Austausch, wurde dabei aber von der Merck-Familie gebremst, die hinter dem Unternehmen steht. Die Nachfahren von Friedrich Jacob Engel, der 1668 mit dem Kauf der Engel Apotheke in Darmstadt die Keimzelle für den weltweit ältesten Arzneimittelhersteller legte, halten bis heute eine Mehrheit von rund 70 Prozent.

An der Börse kamen die Nachricht unterdessen gut an. Merck-Aktien waren mit einem Aufschlag von bis zu 3,6 Prozent größter Gewinner im Leitindex DAX. Analyst Peter Spengler von der DZ Bank schätzt, dass das Geschäft einen Verkaufserlös von bis zu 2,7 Mrd. Euro einbringen könnte. Als potenzielle Käufer sieht er namhafte Pharmakonzerne wie GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Pfizer, Bayer, Reckitt-Benckiser, Procter & Gamble, Perrigo, Sanofi und Dr. Reddy's. Ulrich Huwald von MM Warburg äußerte sich ebenfalls positiv: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung." So könnte der Mittelzufluss für den Schuldenabbau genutzt werden. Zudem signalisiere Merck damit seine Fokussierung auf die Pharma-Sparte.

Ein Merck-Sprecher betonte, das Unternehmen stehe mit seinen Plänen noch ganz am Anfang. Ein möglicher Verkauf der Sparte werde sicher nicht mehr 2017 über die Bühne gehen. Eine Entscheidung sei für Anfang 2018 geplant.

Traditionskonzern richtet sich anders aus

Der Traditionskonzern hatte sich zuletzt stark auf den Ausbau seines Life-Science-Bereichs, der Produkte für die Pharmaforschung anbietet, sowie seines Pharmageschäfts mit verschreibungspflichtigen Medikamenten konzentriert. Dort liegen die Hoffnungen nach einer Reihe von Rückschlägen vor allem auf der Krebsimmuntherapie Bavencio (Avelumab) und dem Multiple-Sklerose-Mittel Mavenclad. Die einstige Merck-Ertragsperle, das Geschäft mit Flüssigkristallen für Flachbildschirme, schwächelte dagegen zuletzt wegen zunehmender Konkurrenz aus China.

Im Geschäft mit freiverkäuflichen Arzneimitteln (OTC) gehört Merck eher zu den kleineren Spielern. Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren stark bewegt: Der französische Pharmakonzern Sanofi übernahm die Selbstmedikationssparte von Boehringer Ingelheim und gab dafür seine Tierarznei-Sparte an den deutschen Arzneimittelhersteller ab. Bayer hatte sich 2014 mit dem Kauf der OTC-Sparte vom US-Pharmakonzern Merck & Co verstärkt, zuletzt lief es dort für die Leverkusener aber wenig rosig. (reuters/apa/red)