Autotest : Manager Christian Rosner testet den GTI oder: Der Rallyefahrer und das fast perfekt abgestimmte Auto

Autotest Christian Rosner GTI
© Thomas Topf

Der See ruft. Ganz ehrlich, „Wörthersee, ich war dabei“ konkurriert mit den Gedanken an Spoiler in Bügelbrettgröße, Basslautsprecher in Kofferraummaßen und Bodenfreiheit im Millimeterbereich. Dass GTI für Grand Turismo Injection steht, wissen bestenfalls eingeweihte Autofreaks, für alle anderen bietet das Urmeter des tunebaren Kompaktwagens ein ganzes Universum an Assoziationen an. Wir fanden, nach 40 Jahren Golf GTI und fast 20 Jahren INDUSTRIEMAGAZIN-Autotest wäre es an der Zeit, selbst einmal in den schnellen Golf einzusteigen und die Legende auf Wahrhaftigkeit zu prüfen. Kann es vor jeder Dorfdisko einen automobilen Irrtum geben, oder haben 120.000 Besucher des GTI-Treffens in Kärnten einfach kapiert, wie gute Autos funktionieren? Ein kurzes Röhren

Unsere Wahrheitsfindung beginnt mit dem Ausfassen des Testwagens von der Porsche Holding in der Wiener Innenstadt. Mit Augenzwinkern drückt man uns den Schlüssel in die Hand – das mag wohl bedeuten, dass wir Spass haben werden. Auch wer nicht regelmäßig mit dem Golf tanzt, erkennt das bolidenhafte am GTI an einem imposanten Heckspoiler und zwei verchromten Auspuffrohren. Im Inneren gehören Karositze und ein Schaltknauf in Golfballform zum Code.

Der erste Weg führt aus der Stadt hinaus. Dabei ist zu bemerken, dass auch ein GTI ein Golf ist. Weder wächst dem Fahrer nach dem Einsteigen ein Fuchsschwanz, noch ist das Losfahren grundsätzlich mit schwarzen Gummistreifen am Asphalt verbunden. Eigentlich ein alltagstauglicher, reichlich ausgestatteter Wagen, in dem es sich noch dazu prächtig sitzt. Endlich auf der Autobahn Richtung Baden der erste Kickdown, ein kurzes Röhren und rasant wächst das Verständnis. Ein 2-Liter-Benziner leistet unter der Haube 265 PS, drückt man das Gaspedal durch, boostet er für zehn Sekunden lang mit fast 290 PS. Auf gut 1.300 Kilo Fahrzeuggewicht umgelegt ist das Attribut „sportlich“ wohlverdient.

Mann fürs Grobe

In Baden treffen wir Christian Rosner. Er ist unser Mann fürs Grobe: Viel Rallye-Erfahrung, unter anderem der Titel Historic-Rallye-Staatsmeister 2008 mit dem Porsche 911, machen ihn zum idealen Tester. Rosners Karriere ist reich an Stationen bei IT- und Technologieunternehmen. Er leitete den Vertrieb bei Digital und Hewlett Packard, war Chef von S&T und bis 2014 als Vorstand beim bayrischen IT-Systemintegrator Allgeier tätig. Damals pendelte er zwischen Baden und München und war in dem 6.000-Mitarbeiter-Unternehmen für Restrukturierungen zuständig. Mittlerweile geht er es ruhiger an, verdient sich als Investor und Business-Angel und berät Unternehmen bei Restrukturierungen und M&A- Projekten. „Ich habe in meinem Leben knapp 40 Firmen gekauft und verkauft, ein bisschen Erfahrung sammelt sich da schon an“, stapelt er tief. Heute betreut er laufend zwei bis drei Projekte und vermittelt den Eindruck, die menschgewordene Tiefenentspannung zu sein.

GTI-Fahrer

Zum Golf braucht Rosner nicht viele Erklärungen, zumal für ihn ein GTI kein Mythos ist. In den 80er Jahren erlebte er die wirklich goldenen Zeiten der IT-Branche und handelte sich als Account Manager von Digital einen GTI in dunkelblau-metallic als Dienstwagen heraus. „Irgendwie gelang es mir, meinen Chef davon zu überzeugen, dass ich sowas brauche“, erzählt Rosner verschmitzt. Heute fährt er einen BMW 330d Touring und meint fast entschuldigend: "Man wird vernünftig."

Als wir loslegen, relativiert sich der Eindruck schon wieder. „Der liegt super auf der Straße“, sagt er, während sein Beifahrer fast im Sitz liegt. Rosner hat Rennsporterfahrung und entsprechend ernst nimmt er das Motto „Autotest“. Je länger er den GTI durch die Kurven des hügeligen Badner Umlandes presst, desto begeisterter ist er. „Ich habe noch nie einen Fronttriebler erlebt, der sich so stimmig fährt, der Wagen ist unglaublich.“ Erstaunlicherweise leidet der Golf nie unter dem typischen Traktionsverlust, den überstarke Vorderradantriebe mit sich bringen.

Als wir über einige Unebenheiten holpern, meint er: „Na, die Federung lässt aber auch nichts im Unklaren.“ Das Fahrwerk lässt sich von sportlich bis komfortabel einstellen, entsprechend direkt funktioniert auch die Lenkung. Wir finden, die Sporteinstellung macht am meisten Spaß, zumal es sich in den taillierten Schalen ohnehin wie in Abrahams Schoß sitzt. „Ich sitze gerne im Auto statt am Auto“, sagt Rosner, „deshalb kann ich auch mit den ganzen SUVs wenig anfangen.“

Vermisste Kupplung

Unser Testwagen hat ein Doppelkupplungsgetriebe. In ihm werken zwei Getriebeeinheiten. Während eine die Kraft überträgt, wird in der anderen der nächste Gang vorbereitet, dadurch bleibt beim Schalten der Kraftschluss immer erhalten. Das technisch bewundernswerte Konzept beeindruckt den ehemaligen Rallye-Fahrer nicht: „Es gibt Fahrsituationen, in denen man gerne eine Kupplung hat“, sagt Rosner. Dass der Golf beim Schalten auch mal Zwischengas gibt, bleibt hingegen nicht unbemerkt. „Lässig“. Hier dürften die Konstrukteure wohl die gewünschte Wirkung erzielt haben. Wenn Rosner aus den engen Kurven heraus beschleunigt, mag man sich gar nicht vorstellen, wie er den Wagen mit Kupplung um die Straßenbiegung gezirkelt hätte.

Unaufgeregt super

Rosners Fazit nach rund 50 Kilometern ist überschwänglich: „Ich bin wirklich beeindruckt. Der GTI ist ganz nahe am perfekt abgestimmten Auto.“ Was ihm wie uns gleichermaßen gefällt, ist die Unaufgeregtheit in jeder Geschwindigkeits- und Straßensituation. Der Golf fühlt sich so kompakt an, wie er ist, liegt phänomenal auf der Straße und lässt motorisch ohnehin nichts zu wünschen übrig. Das Fahrwerk haben die Wolfsburger so hinbekommen, dass es sich sportlich stellen lässt, ohne im Normalbetrieb Bandscheibenvorfälle zu produzieren. Überhaupt sitzt es sich in den straffen Sitzen außerordentlich gut, aber etwas anderes als Ergonomie ist bei mehr als einer Million verkauften VW Golfs pro Jahr auch nicht zu erwarten.

Das Versprechen in einer Pressemitteilung des Ur-GTIs 1976, dass der Wagen auch „zum Einkaufen in Schrittgeschwindigkeit ruckfrei zu fahren ist“, wird auch heute noch gehalten. „Ein feines Auto“, sagt Rosner wieder im zivilisierten Stadtfahrbetrieb. Er bemerkt zum Abschied: „Jetzt haben Sie mir echt einen Floh ins Ohr gesetzt.“ Zweifelsfrei ein guter Anlass, Assoziationen zu überdenken.