Autozulieferer : Machtkampf bei Grammer - und das Bauchweh einer ganzen Branche

Bisher war das Machtgefüge in der deutschen Autobranche wie zementiert: Die wenigen großen Hersteller stehen einer Menge kleiner Zulieferer gegenüber und können ihnen mit ihrer Einkaufsmacht die Bedingungen diktieren.

Doch voriges Jahr bekamen diese Beziehungen Risse, als die Prevent-Gruppe im Streit mit Volkswagen die Lieferung von Getriebegehäusen und Sitzbezügen einstellte und die Produktion bei VW teilweise lahmlegte.

Nun hat sich die bosnische Unternehmerfamilie Hastor, zu der Prevent gehört, ein neues Ziel gesucht: Sie will den bayerischen Zulieferer Grammer unter ihre Kontrolle bringen. Das lässt die Alarmglocken in der Branche schrillen. Denn alle großen Autobauer, darunter VW, BMW und Daimler, beziehen ihre Kopfstützen von Grammer.

Showdown für diesen Mittwoch erwartet

Auf der Hauptversammlung am kommenden Mittwoch wird ein Showdown erwartet. Die deutsche Firma stemmt sich mit aller Kraft gegen die Übernahme.

Inzwischen hat auch die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner den Kurs der Investorenfamilie Hastor mit ungewöhnlich scharfen Worten kritisiert: Der Investor "gefährdet die Zukunft von Grammer", sagte Aigner.

"Hastor veranstaltet einen unverantwortlichen Machtpoker auf dem Rücken des Unternehmens und seiner Mitarbeiter", so die CSU-Politikerin der "Welt am Sonntag". In der sozialen Marktwirtschaft trage ein Großaktionär soziale Verantwortung für Mitarbeiter und Arbeitsplätze.

"Hastor veranstaltet einen unverantwortlichen Machtpoker"

Der Machtkampf zwischen Prevent und VW, der erst nach wochenlangen Verhandlungen beigelegt werden konnte, gilt in der Branche als Mahnung. "Die Automobilindustrie will auf jeden Fall verhindern, dass sich so etwas wiederholt", sagt Autoprofessor Stefan Brazel, der das Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach leitet.

VW sagte damals zu, mindestens sechs Jahre weiter mit Prevent zusammenzuarbeiten, um das Kriegsbeil zu begraben. Im Gegenzug durfte VW sich einen weiteren Lieferanten für Getriebe-Gussteile suchen.

Der genaue Plan liegt im Dunkeln

Was genau die Hastor-Gruppe mit Grammer vorhat, liegt im Dunkeln. Ihre Vertreter äußern sich nur selten öffentlich. Die Bosnier hielten zuletzt über die Investmentfirmen Cascade und Halog mehr als 20 Prozent an dem Hersteller von Kopfstützen, Armlehnen und Mittelkonsolen.

Ziel sei, die Profitabilität zu steigern, sagte ein Insider des weit verzweigten Firmenimperiums der Nachrichtenagentur Reuters. "Bei der Rendite von Grammer hapert es." Zuletzt erwirtschaftete die Firma eine operative Marge von 4,9 Prozent. Damit rangiert Grammer nach Ansicht von Prevent hinter vergleichbaren Unternehmen. Grammer selbst hält dagegen, die vergleichbare Konkurrenz komme im Schnitt lediglich auf 4,7 Prozent.

Der Prevent-Insider verwies etwa auf den Zulieferer Dräxlmaier, der Renditen um die sieben Prozent erziele. Das Unternehmen aus Vilsbiburg selbst macht dazu keine Angaben. Grammer peilt eine Marge in dieser Höhe bis 2021 an. Zum Vergleich: Der Dax-Konzern Continental erzielt mehr als zehn Prozent Rendite.

Die Frage nach der Rendite

Um die Profitabilität bei Grammer zu steigern, könnte die Familie Hastor eine härtere Gangart in den Verhandlungen mit den Autobauern über Preise und Bedingungen einschlagen. Bisher können die großen Hersteller wegen der Stückzahlen, die sie abnehmen, Lieferanten zu Zugeständnissen zwingen.

Forderungen nach Preisabschlägen von mehr als fünf Prozent sind in der Branche nicht selten. Die Autokonzerne können so ihren Spardruck auf die Zulieferer abwälzen und sichern damit ihre Gewinne. Lediglich große Lieferanten wie Bosch, Continental oder ZF Friedrichshafen können dem Preisdruck etwas entgegensetzen, weil sie ganze Systeme vom Antriebsstrang über die Innenausstattung bis hin zur Fahrzeugelektronik anbieten. Kleinere Lieferanten dagegen sind meist auf bestimmte Bauteile spezialisiert, ihre Rendite oft niedriger.

Das Risiko der Autoindustrie

Für die Autobauer wäre ein Lieferant von der Größe wie Grammer unter der Kontrolle von Prevent ein Risiko, wenn er sich künftig ihren Preisforderungen entgegenstellt. Es gibt mit Adient, Faurecia und Lear zwar auch andere Bezugsquellen für Kopfstützen, doch können die Einkaufschefs große Stückzahlen nicht einfach woanders ordern. Bei Mittelkonsolen ist Grammer Aufsichtsratschef Klaus Probst zufolge für manche Baureihen der alleinige Lieferant. Bis ein anderer die Teile liefern könne, würde es mehr als zwei Jahre dauern.

Genau darauf könnte Prevent setzen. In den vergangenen Jahren hat die Familie Hastor ein kaum durchschaubares Imperium aufgebaut, zu dem zahlreiche Beteiligungen aus unterschiedlichen Branchen gehören. "Prevent guckt sich immer am Markt um, was interessant wäre", sagte die Person aus dem Umfeld der Unternehmensgruppe.

Warum Grammer für die Bosnier so interessant ist

Auf Grammer sei man aufmerksam geworden, weil die Prevent-Tochter Car Trim auf Bezüge für Autositze und Kopfstützen spezialisiert sei. "Wenn die Hastors mit ihrem Vorhaben erfolgreich sind, dann kostet es die deutsche Automobilbranche eingespielte Konzepte und Regeln, etwa im Bereich der Beschaffung von Teilen aus nur einer Quelle", so Grammer-Aufsichtsratschef Probst in einem Interview mit der der "WirtschaftsWoche".

"Wir haben von Anfang an gesehen, dass die großen Autohersteller das Investment der Familie Hastor sehr negativ betrachten", beschreibt er die Reaktion der Branche. Der Angriff der Familie Hastor auf Grammer gefährde die Existenz des Unternehmens. "Im ersten Quartal haben sich unsere Auftragseingänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halbiert."

Für die Abwehr von Prevent hat sich Unternehmenschef Hartmut Müller den chinesischen Rivalen Ningbo Jifeng an die Seite geholt, der inzwischen gut zwölf Prozent an Grammer hält. Damit soll ein Durchmarsch von Prevent auf der Hauptversammlung am Mittwoch verhindert werden. Prevent will Müller stürzen und drei Aufsichtsratsmitglieder durch eigene Leute ersetzen. Wer sich durchsetze, sei völlig offen, sagt Probst. (reuters/apa/red)

Der Machtkampf mit der Unternehmerfamilie Hastor hat den deutschen Autozulieferer Grammer zahlreiche neue Aufträge gekostet. "Im ersten Quartal haben sich unsere Auftragseingänge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum halbiert", sagte Aufsichtsratschef Klaus Probst gegenüber der "WirtschaftsWoche".

"Uns fehlen im ersten Quartal Aufträge im Wert von 300 Millionen Euro über die gesamte Produktlaufzeit." An der Börse reagierten die Anleger schockiert: Die Grammer-Aktien brachen im Kleinwerteindex SDax um bis zu knapp zehn Prozent ein.

Das Grammer-Management versucht seit Wochen, den Einfluss der ungeliebten bosnisch-stämmigen Unternehmerfamilie Hastor, die hinter dem Autozulieferer Prevent steht, zu beschränken. Die Hastors wollen Grammer-Chef Hartmut Müller stürzen und fünf Aufsichtsräte durch eigene Leute ersetzen. Zur Unterstützung holte der bayerische Zulieferer den chinesischen Investor Ningbo Jifeng ins Boot.

Mit wachsendem Anteil von Jifeng sinken die Chancen der Hastors, sich auf der Hauptversammlung durchzusetzen. Prevent kontrollierte zuletzt mehr als 20 Prozent der Anteile an dem Hersteller von Armlehnen, Kopfstützen und Mittelkonsolen aus Amberg in der Oberpfalz.

Der berühmt-berüchtigte Kampf mit Volkswagen

Prevent war 2016 durch einen Streit mit Volkswagen bekanntgeworden. Die Auseinandersetzung hatte zeitweise die Produktion des Autobauers in Wolfsburg lahmgelegt. Probst ist alarmiert: "Wir haben von Anfang an gesehen, dass die großen Autohersteller das Investment der Familie Hastor sehr negativ betrachten." Der Angriff der Familie auf Grammer gefährde die Existenz des Unternehmens. Für die großen deutschen Automobilhersteller sei Grammer sehr wichtig. So sei die Firma im Bereich Mittelkonsolen bei manchen Baureihen der alleinige Lieferant.

Einer Lösung des Machtkampfes will Aufsichtsratschef Probst nicht im Weg stehen. "Ich stelle mein Amt zur Verfügung, wenn dadurch eine positive Zukunft für Grammer, die Kunden und Mitarbeiter garantiert ist." Dieser Schritt allein würde das Problem zwischen Hastor und den Herstellern aber nicht lösen. Wer sich auf dem Aktionärstreffen am 24. Mai durchsetze, sei "noch völlig offen." (reuters/apa/red)