Luftfahrt : Lufthansa: Konzernmutter der AUA vor Einstieg des Staates
23 Jahre nach dem Verkauf der letzten Lufthansa-Aktien durch Deutschland zwingt die Corona-Krise die AUA-Mutter, nach Hilfen in jeder Form zu suchen. Erste Adressen sind die Regierungen im Heimatmarkt Deutschland-Österreich-Schweiz und Belgien. In Berlin sind die Gespräche bereits weit fortgeschritten und sollen möglicherweise bereits in der kommenden Woche abgeschlossen werden, hieß es aus Regierungskreisen.
Es geht um viele Milliarden
Lufthansa bestätigte Verhandlungen über verschiedene Beteiligungsformen des Staates. Man sei im engen Austausch mit allen Regierungen im Heimatmarkt und anderen Stellen wie der staatlichen KfW-Bank, um die Liquidität zu sichern, sagte ein Sprecher in Frankfurt, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Es geht um Milliarden, so viel ist sicher. Das Management versucht seit Krisenbeginn, das Geld des Konzerns zusammenzuhalten und die Fixkosten zu senken. Rund 700 der 760 Flugzeuge in der Konzernflotte stehen am Boden, die aktuelle Verkehrsleistung beträgt noch 5 Prozent. Neben der massiven Kurzarbeit in allen Betriebsteilen wurden die Dividende gestrichen und die Managergehälter gekürzt. 87.000 Lufthanseaten sollen in Kurzarbeit geschickt werden.
All die geplanten Schritte reichen nicht
Doch das alles reicht nicht. Die erst 1997 vollständig privatisierte Lufthansa verfügte laut Vorstandschef Carsten Spohr bei Bilanzvorlage am 19. März einschließlich einer neuen KfW-Kreditlinie über liquide Mittel von 5,1 Milliarden Euro. Zudem könne die Lufthansa Flugzeuge im Wert von 10 Milliarden Euro als Sicherheit bei Banken einbringen. "Unsere Bilanz ist stärker, die Eigentumsquote ist höher als bei fast allen unserer Wettbewerber", sagte Spohr. Man werde im Zweifel länger durchhalten als andere.
Dem stehen die Abwertung der Kreditwürdigkeit durch die Rating-Agentur Moody's auf Ramsch-Niveau und negative Börsenanalysen entgegen. Die US-Bank Citi hat als Extremfall das Kursziel der Lufthansa-Aktie auf 50 Cent abgesenkt. Sie glaubt, dass Lufthansa eine Finanzspritze von 4,5 Milliarden Euro benötigt. Bei einem Kurs von aktuell knapp 8 Euro ist die gesamte Gesellschaft an der Börse nur noch 3,8 Milliarden Euro wert.
Analysten: Zahlungsausfall droht
Nach Einschätzung der Landesbank Baden-Württemberg könnte im Dezember oder auch schon im dritten Quartal ein Zahlungsausfall drohen. Die Analysten rechnen mit operativen Verlusten von an die 5 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2020. Sollte die Krise über den Juni hinaus andauern, müssten auch die letzten Reserven genutzt werden, um eine Insolvenz zu vermeiden. Die LBBW-Analysten sind sich allerdings sicher, dass es zu einer staatlichen Rettung kommt, denn der Konzern sei auch im europäischen Maßstab zu groß, um auszufallen (too big to fail).
Möglicherweise wird der über die Jahre immer weiter gewachsene Konzern in Teilen rückabgewickelt. Spohr hat bereits angekündigt, dass sein Unternehmen nach der Krise kleiner sein werde als vorher. In Belgien und Österreich hat der Konzern den Betrieb der übernommenen Ex-Staatsairlines vorläufig komplett gestoppt. Die wenigen Fernflüge der Gruppe finden ab Frankfurt oder aus der Schweiz statt, während in Brüssel und Wien alles steht. Vor allem in Belgien wird daher öffentlich über eine Renationalisierung der Lufthansa-Tochter Brussels Airlines nachgedacht.
JETZT NEU - Corona Economy:
Der neue Nachrichten-Echtzeit-Dienst von INDUSTRIEMAGAZIN. Registrieren Sie sich hier >>
Der dickste Brocken im Portfolio ist aber die deutsche Kerngesellschaft Lufthansa, die mit gut 16 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr für knapp die Hälfte des Konzernumsatzes steht. Die LBBW-Banker sehen im Kranich ein wichtiges Symbol des deutschen Wohlstandes, dessen Verlust man in der rein politischen Betrachtung für "schlechthin unmöglich" halte. Sie gehen daher davon aus, dass der Bund vor einem möglichen Zahlungsausfall mit Garantien, Krediten oder stillen Reserven einspringt.
Eine komplette Verstaatlichung der Lufthansa haben Bundesregierung wie Lufthansa-Spitze gleichermaßen öffentlich abgelehnt. Auch für die LBBW käme das nur zeitlich begrenzt in Frage, denn dauerhaft agierten staatseigene Airlines zu ineffizient. Mit dem eigens beschlossenen Stabilisierungsfonds steht immerhin ein Instrument bereit, im Notfall Staatsbeteiligungen an strategisch wichtigen Unternehmen zu managen. (dpa/apa/red)