Luftfahrt : Lufthansa-Chef: Ohne Geld vom Staat wären wir pleite

Der deutschen AUA-Mutter Lufthansa würde nach Einschätzung ihres Vorstands ohne den Einstieg des deutsche Staates Ende Juni das Geld ausgehen. "Ohne die Stabilisierungsmaßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds wäre die Gesellschaft aller Voraussicht nach innerhalb weniger Tage zeitnah zur geplanten außerordentlichen Hauptversammlung zahlungsunfähig."

So steht es in der veröffentlichten Einladung zur Lufthansa-Hauptversammlung am 25. Juni, auf der die Aktionäre dem 9 Milliarden Euro schweren deutschen Rettungspaket für die Fluggesellschaft zustimmen sollen. Die Lufthansa braucht dort nach dem Corona-Rettungsgesetz eine Zweidrittel-Mehrheit. Stimmen mehr als 50 Prozent der Aktionäre ab, reicht sogar eine einfache Mehrheit. Sollte sie nicht zustande kommen, sei "eine Insolvenz unvermeidlich", warnt der Vorstand um Konzernchef Carsten Spohr.

Nach dem Plan soll der staatliche Rettungsfonds über eine Kapitalerhöhung für 306 Mio. Euro mit 20 Prozent bei der Lufthansa einsteigen. Weitere 5,7 Mrd. Euro sollen über eine Stille Einlage fließen, dazu kommen 3 Mrd. Euro in Form eines Kredites der Staatsbank KfW. Der Staat zahlt für die neuen Aktien nur den Nennwert von 2,56 Euro - gut ein Viertel des Börsenkurses, der auf 10 Euro stieg. Der Vorstand habe in den Verhandlungen mit dem Staat vergeblich auf einen höheren Preis oder eine geringere Beteiligung gedrungen, räumte die Lufthansa ein.

Der niedrige Ausgabepreis sei dennoch gerechtfertigt, da der Börsenwert bereits die Hoffnung auf den Einstieg des Staates und die damit verbundene Rettung der Lufthansa widerspiegle, heißt es in dem Dokument. Bei einer Insolvenz gingen die Aktionäre praktisch leer aus. Der staatliche Einfluss auf das Unternehmen, den Spohr tunlichst vermeiden wollte, sei dadurch begrenzt, weil sich der Staatsfonds verpflichtet habe, sich bei Entscheidungen über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, über das Vergütungssystem für den Vorstand oder Wahlen zum Aufsichtsrat zu enthalten.

Solange die Staatshilfen nicht zurückgezahlt sind, darf die Lufthansa aber keine Dividenden zahlen und keine Boni an die Vorstände und die Führungsebene darunter ausschütten. Im Aufsichtsrat bekommt der Bund zwei Sitze. Frühestens 2024 gäbe es demnach wieder Dividenden, hieß es in einem Conference Call.

Auf das Rettungspaket folgt freilich das Sparprogramm: Spohr kündigte heute angesichts von Milliardenverlusten in der Corona-Krise "tiefgreifende Restrukturierungen" der Airline-Gruppe an. Deutlich mehr als 10.000 Stellen könnten wegfallen, die Mitarbeiter müssen Einbußen bei Arbeitszeit und Bezahlung in Kauf nehmen.

Das sei notwendig, um durch die Krise zu kommen und die staatlichen Finanzhilfen bis 2023 zurückzuzahlen. Die Lufthansa will Investitionen mehr als halbieren, weniger neue Flugzeuge von Airbus und Boeing kaufen und vor allem die Personalkosten drücken. Generell will der Vorstand jeden Stein umdrehen.

Noch vor der für 25. Juni geplanten außerordentlichen Hauptversammlung, die Teilen des Rettungspakets zustimmen muss, will der Lufthansa-Chef in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften Ergebnisse sehen und den Anteilseignern präsentieren. "Wir wollen die Wahrscheinlichkeit, dass die Hauptversammlung zustimmt, maximieren. Dazu werden die Aktionäre Zugeständnisse der Mitarbeiter hören wollen", sagte Spohr. Für Mittwoch nächster Woche ist in Deutschland ein Tarifgipfel geplant.

Der Konzern beschäftigt rund 138.000 Mitarbeiter. Davon rund 7.000 bei der österreichischen AUA (Austrian Airlines). Für die AUA hält der Lufthansa-Vorstand für dieses Woche eine Einigung mit der österreichischen Regierung in den laufenden Staatshilfeverhandlungen für möglich. könnte es ein Treffen zwischen Spohr und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geben.

Die Corona-Pandemie mit den folgenden Reisebeschränkungen hatte die Geschäfte der Lufthansa und ihrer Töchter mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Der Konzern benötigt daher staatliche Hilfe. Im Gegenzug muss die Lufthansa für das bereits geschnürte deutsche Hilfspaket 24 Start- und Landerechte an ihren wichtigen Flughäfen in Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben.

Das Management prüft mittelfristig die Veräußerung einzelner Geschäftsbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Einen Total-Verkauf von Lufthansa Technik schloss Spohr heute aus. Vorstellbar sei aber einen Teil davon an die Börse zu bringen oder einen Partner an Bord zu holen. Das war schon vor der Coronakrise überlegt worden.

Auch ein Verkauf des Geschäfts der Catering-Tochter LSG Sky Chefs weltweit außerhalb Europas sei denkbar. Für das Europa-Geschäft der LSG hat der Konzern bereits den Konkurrenten Gategroup als Käufer gefunden. Der Verkauf ist aber noch nicht vollzogen.

Die Lufthansa muss sich staatliche Hilfsgelder für Töchter im Ausland allerdings voraussichtlich auf das Rettungspaket der deutschen Bundesregierung anrechnen lassen. Wenn der Konzern aus der Schweiz, Österreich und Belgien zusammen staatlich garantierte Kredite von rund 2 Milliarden Euro erhalte, würden diese von den geplanten 9 Milliarden Euro Staatshilfe - die sukzessive gezogen werden kann - abgezogen, sagte Spohr. Die deutsche Bundesregierung könne zwar auf die Anrechnung verzichten. Allerdings benötige der Konzern keine 11 Milliarden Euro - und will sie wohl auch nicht.

Dabei erwartet der Vorstand nur eine schrittweise anziehende Nachfrage nach Flugreisen. Während zuletzt fast 700 der 763 Flugzeuge des Konzerns am Boden standen, dürften auch im kommenden Jahr noch 300 und im Jahr 2022 noch 200 Maschinen nicht fliegen, schätzt das Management. Für 2023 erwartet der Vorstand weiterhin eine um 100 Flugzeuge verkleinerte Flotte.

Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Konzern einen Milliardenverlust ein. Das zweite Quartal beschert noch verheerendere Zahlen. (reuters/dpa-afx/apa/red)