Maschinenbau : Lohnfertigung: Aug’ in Auge

Hans-Peter Steininger Steininger Metallbearbeitung
© Helene Waldner

Vor drei Jahren sieht Martin Hubweber dem Abgrund ins Auge. Seinem Unternehmen, dem Maschinenbauzulieferer AIM, brechen massiv die Aufträge weg. Der Auslastungsgrad der Anlagen – auch der neuen, teuer angeschafften Laserschneideanlage – stürzt ins Bodenlose. Um sich über Wasser zu halten, sucht Hubweber eine kurzfristige Liquiditätsspritze in Höhe von einer Million Euro. Doch es hagelt Absagen. Von den Banken. Und vom Kunden, für dessen reibungslose Belieferung er zuvor seine Laserschneideanlage installierte. Hubweber zieht aus der Episode die Konsequenzen. Er will dem Preisverfall, den Lohnfertiger von Maschinenbauern ausgeliefert sind, nicht mehr mitmachen. „Es wird immer schlimmer“, sagt Hubweber. Rumänien, Bulgarien – „von überall kommen Billigteile herein“, sagt er. Mit Spannen von „weit unter fünf Prozent“ sei für ihn im Zuliefergeschäft für Extrusionsmaschinen kein Geschäft mehr zu machen. Deshalb verschob der Timelkamer Betrieb – heute ein 48-Mann-Unternehmen – die Gewichte. Jetzt soll es die Umwelttechnik richten. „Da sind die Spannen besser“, so Hubweber. Den Maschinenbau? Strich Hubweber kurzerhand „aus dem Portfolio“. Kostenmisere Ganz im Gegensatz zur Zulieferindustrie präsentiert sich der Maschinenbau derzeit kerngesund und kreuzfidel. Nicht weniger als 44 der 50 größten Maschinenbauer des Landes erwirtschafteten im Vorjahr Umsatz- und Ertragssteigerungen – zum Teil dramatischer Natur. Beim Biegemaschinenhersteller Trumpf Maschinen Austria kletterte der Umsatz gar von 134 (2010) auf 161 Millionen Euro. Zugleich erhöhten Maschinenbauer den Druck auf Lieferanten – nach bester Autobauer-Manier. Sie sind der neue Benchmark. Dort stieg – bis hinunter zu den Tier-2-Zulieferern – über Jahre der Kostendruck. Nun stehen auch Maschinenbaulieferanten von B- und C-Teilen im Visier der Kostensenker. Man kommuniziert es nur nicht gern. „Leben und leben lassen“ – der Grundsatz schallt einem aus dem Maschinenbaubetrieb Trumpf entgegen. Doch die Großzügigkeit hat Grenzen. „Einfache Teile schreiben wir immer häufiger über Internet aus“, heißt es im Betrieb. Hier geht´s weiter

Damit ist man nicht allein. Vorstände geben Kostenreduktionsziele aus, die sich gewaschen haben. Bei Einschnitten bis zehn Prozent liegen häufig die Jahresziele – ganz wie im Automobilbereich. Das laufe unter dem Motto „qualitative Verbesserung des Lieferantenmanagements“, erklärt Daniel Palm, Geschäftsbereichsleiter Produktions- und Logistikmanagement bei Fraunhofer Austria. Zulieferer müssten nun „die Suppe auslöffeln“. INDUSTRIEMAGAZIN sprach mit Lohnfertigern über ihre Kostensituation – die Abhängigkeiten nehmen zu. Teure Messprozesse Hans-Peter Steininger kennt sie allesamt. Die Einkäufer von Emco, Engel oder Fill. Doch mit großartigen Rabattforderungen tun sie sich bei Steininger, Chef des gleichnamigen Präzisionsteileherstellers in Wels, schwer. Denn die Oberösterreicher pochen auf ein „faires Preis-Leistungs-Verhältnis“, fahren bewusst nicht die absolute Billigschiene. Und trotzdem musste der Geschäftsführer zuletzt Zugeständnisse machen. Maschinenbauer wälzten massiv Prüfkosten auf den Zulieferbetrieb ab. Die Teilekontrolle, bisher als Qualitätssicherungsaufgabe im Wareneingang vieler Maschinenbauer angesiedelt, „wurde uns übertragen“, erzählt Steininger. Der Betrieb investierte dafür ordentlich. In eine Messmaschine – Kostenpunkt: 100.000 Euro. Und ein Messtechniker wurde aufgenommen. Durchrechenbar seien diese Kosten allerdings nicht. Doch ohne die spürbaren Investitionen hätte es der Welser Betrieb heute massiv schwerer, zu bestehen. Denn nicht nur der Schwertberger Spritzgießmaschinenbauer Engel pocht mittlerweile auf die Qualitätsprüfung beim Lieferanten. Auch andere Maschinenhersteller wie Trumpf Maschinen Austria zogen mit der Forderung blitzschnell nach. Abgeschaut haben sie sich das bei Automobilbauern und großen OEMs. Dort müssen sich Zulieferer schon lange mit ihrer EDV, Logistik und Qualitätsanbindung „an Geschäftspartnern ausrichten“, heißt es in der Branche. Der Prüfaufwand werde „weiter zunehmen“, glaubt Steininger. Bald sei „nicht nur mehr der erste und hundertste Teil zu dokumentieren“. Sondern auch der „zwanzigste, fünfzigste und siebzigste“, sagt er. Schlanke Prozesse Immerhin: Liegt die Qualitätssicherung beim Lieferanten, könnten Qualitätsabweichungen noch rechtzeitig erkannt werden. „Die Gefahr einer Auslistung verringert sich für den Zulieferer“, zieht Alfred Hutterer, langjähriger Chef von Trumpf Maschinen Austria – und seit Juli im Ruhestand –, einen positiven Schluss. Doch die Kosten müssen Lieferanten trotzdem neutralisieren. Hier geht´s weiter

Viele tun das in der Produktion. So konnte Steininger Metallbearbeitung im Rahmen eines Rüstworkshops an wichtigen Maschinen die Rüstzeiten „halbieren“, so Geschäftsführer Hans-Peter Steininger. In seinem Fall war der Partner der Produktionsoptimierer Six Sigma Austria. Dass dessen Lehren ursprünglich aus der Autoindustrie kommen, ist kein Zufall. Die Prinzipien der schlanken Produktion haben Autozulieferer wie der Lichtsystemehersteller ZKW Zizala längst verinnerlicht. Nun werden sie auch „im Maschinenbau immer mehr zur Bedingung“, beobachtet Fraunhofer-Austria-Experte Daniel Palm. Preise „ausgelutscht“ Seriennahe Produkte, am besten termin- und mengengerecht ans Montageband geliefert: Darauf konditionieren Automobilisten ihre Lieferanten. Immer mehr auch Maschinenbauer. Gertrude Schatzdorfer kann ein Lied davon singen. „Die Preise haben sich nach der Krise nicht rehabilitiert“, erzählt die Chefin des oberösterreichischen Blechbearbeitungsbetriebs Schatzdorfer Gerätebau. Dafür trete die Konkurrenz noch aggressiver „mit Kampfpreisen“ in Aktion. Obwohl die Preise für Laserteile längst „ausgelutscht“ seien. Consulter würden „in Serienbriefform“ bei 20 Lohnfertigern 2000 Teile anfragen. Die Konditionen sind dabei oft ein Schlag ins Gesicht. „Unsere preislichen Vorstellungen werden um 20 Prozent unterschritten“, so die Geschäftsführerin. Den einzigen Ausweg, den sie aus der Misere sieht: Systempartnerschaften. Firmen wie Fill oder Stiwa bietet Schatzdorfer Teile komplett an – „inklusive Oberflächenbehandlung, und sogar schon verpackt“, bestätigt Schatzdorfer, dass immer mehr Wertschöpfung beim Lieferanten liegt. Offene Bücher Und damit auch das Risiko. Speziell bei Single-Sourcing-Strategien. Eine solche fährt der Maschinenbauer Salvagnini in Ennsfeld. Das Risiko, sich abhängig zu machen, nimmt Weber-Hydraulik, ein Zulieferer für Pneumatikzylinder, dabei auf sich. Sogar die Bücher öffnet er dem Abnehmer – „zumindest die großen Brocken sind für Salvagnini jederzeit einsehbar“, so Einkaufsleiter Willi Pranzl. Auch andere Zulieferer sehen darin kein Problem mehr. „Ganz die Hose runterzulassen sei zwar gefährlich“, so ein Branchenexperte. Bei Weber-Hydraulik redet man die Gefahr aber klein. Salvagnini kennt seinen Zulieferer zwar entlang der gesamten Lieferkette. Ein Faktum, das Einkaufsleiter Willi Pranzl aber eher in Sicherheit wiegt. „In der Krise suchten Auftraggeber Flöhe“, erzählt er. Sie hätten an Produkten Dinge beanstandet, die noch nie beanstandet wurden – „nur um ihr Lager zu entlasten“, beobachtete Pranzl. Bei einer gelebten Partnerschaft sei die Gefahr kleiner, „dass so etwas passiert“. Klar, niemand steht gern vorm Aus. Hier geht´s weiter

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Pranzl, Zulieferer kommen nicht zur Ruhe. Nach dem Konjunkturcrash setzen Maschinenbauer ihren Sparkurs fort. Aufträge für Standardteile werden im Internet verschachert, Prüfkosten abgewälzt. Willi Pranzl: Wir erleben keine rasante Preisentwicklung, das ist richtig. Ich sehe dafür aber auch keine Notwendigkeit. Wie bitte? Pranzl: Schon damals, als die Preise jährlich um zwei, drei Prozent erhöht wurden, wusste doch keiner, warum das eigentlich passiert. Ein halbes Prozent war immer die Verhandlungsbasis – und der Verkauf brachte es unter. Doch wozu? Da bricht jetzt der Einkäufer in Ihnen durch. Sie beliefern Salvagnini mit Spezialzylindern für den Werkzeugmaschinenbau. Zu kleiner werdenden Absatzmengen kamen 2009 auch noch Preisnachlässe dazu. Die vielfach noch nicht aufgeholt wurden. Pranzl: So schlimm ist es bei der Produktgruppe Spezialzylinder nicht. Im Schnitt sind die erzielten Preise halbwegs konstant. Die Kostenauftriebe in den Kollektivvertragsverhandlungen sind aber ein Problem. Denn Preissteigerungen bringen wir derzeit keine durch. Erfasst Sie da nicht Mitleid, Herr Pressler? Günther Pressler: Lieferanten sind leidensfähig. Es gibt Hunderte Anbieter, die in den Startlöchern scharren. Bei den Spezialzylindern natürlich weniger. Und trotzdem haben Sie Weber-Hydraulik kürzlich zu Ihrem Alleinlieferanten auserkoren. Wieso das Risiko einer Single-Sourcing-Strategie? Pressler: Weil es keines ist. Wir halten permanent Kontakt zu potenziellen Lieferanten – die können jederzeit loslegen. Es gibt immer einen Plan B. Herr Pressler, im Fahrzeugbereich wird nicht lange gefackelt, sind ultimative Preisforderungen gleich am Tisch. Verpacken Sie schlechte Nachrichten besser? Pressler: Die Peitsche ist nie ein Mittel. Lieferanten erziehen ist wie Kinder erziehen – das geht nur mit Besonnenheit.