Verbotene Preisabsprachen : LKW-Kartell: Verpasst die ÖBB den Anschluss?

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Bei der ÖBB ticken die Uhren anders. Während allenorts bereits intensive Vorbereitungsarbeiten im Gange sind, weiß man bei Österreichs größtem Infrastrukturunternehmen noch nicht einmal, ob man überhaupt klagen wird.

„Der Verfahrensstand, bzw. die weitere Vorgehensweise zur Thematik ist in unserem Bereich noch offen. Aus Unternehmenssicht können wir derzeit keine offizielle Stellungnahme abgeben“, sagt ÖBB-Sprecher Roman Hahslinger.

Gesprächiger zeigt sich da der Mitbewerber aus Deutschland. „Mit den illegalen Preisabsprachen wurde uns ein enormer Schaden zugefügt“, erklärte Ulrich Weber, Personalvorstand Deutsche Bahn, bereits Anfang Dezember des Vorjahres. Eine Feststellungsklage ist längst schon draußen, mehr als vierzig Großunternehmen, darunter auch die Bundeswehr und die Betreibergesellschaften der deutschen Flughäfen, haben sich daran beteiligt. Die Rede ist von 35.000 betroffenen Fahrzeugen, der Einkaufwert beträgt über zwei Milliarden Euro.

Langjähriger Betrug

Mindestens 14 Jahre lang sollen Manager von DAF, Daimler, Iveco, MAN und Volvo/Renault geheim die Preise untereinander abgesprochen haben. Bereits 2016 hat man dafür von der EU-Kommission eine Strafzahlung in Höhe von 3,8 Milliarden Euro aufgebrummt bekommen. Nun droht dem Lkw-Kartell Ungemach von Seiten der geschädigten Kunden.

Allerdings haben diese auch Fristen zu berücksichtigen. Für die ältesten Jahrgänge, also von 1997 bis 2002, ist bereits Anfang 2018 Verjährung eingetreten. Ab jetzt können also nur noch für Käufe im Zeitraum zwischen 2002 und 2011 Entschädigungsleistungen geltend gemacht werden. Und dabei haben es gerade die Forderungen für Fahrzeuge aus den ersten Jahren des Kartells in sich. Es werden nämlich nicht nur der überhöhte Kaufpreis, sondern auch Zinsen eingeklagt. „Da geht es um erhebliche Beträge, teilweise sind die Zinsforderungen höher als der eigentliche Schadensersatzanspruch“, so eine Brancheninsider.

Anlass zu Spekulationen

Das zögerliche Verhalten der ÖBB gibt mittlerweile Anlass zu wüsten Spekulationen. Man wolle die teilweise langjährigen Geschäftsbeziehungen zu den großen Herstellern wohl nicht durch Klagen belasten, ist eines der harmloseren Gerüchte, das aktuell die Runde macht. Hinter vorgehaltener Hand mehren sich die Stimmen jener, die meinen, dass die ÖBB als staatliches Unternehmen gar kein vitales Interesse daran hätte, sich auf einen jahrelangen Rechtsstreit einzulassen. „Sind ja nur Steuergelder, um die es da geht“, meint einer, der ob dieser Ansage lieber anonym bleiben möchte.

ÖBIB und Bundesheer wurden aktiv

Aktiv wurden indes andere staatsnahe Unternehmen wie etwa der Flughafen Wien. Wie berichtet, hat sich dieser bereits im Vorjahr der großen Sammelklage von Deutsche Bahn & Co angeschlossen.

Ebenfalls klagen wird das Österreichische Bundesheer. „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Schadensfeststellung“, erklärt Ministeriumssprecher Michael Bauer auf Nachfrage des „Industriemagazin“.

Und auch bei der Österreichischen Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH (ÖBIB) laufen entsprechende Vorbereitungsarbeiten. „Von uns wird jede Anstrengung unternommen, um etwaige Schadensansprüche geltend zu machen“, sagt ÖBIB-Generalsekretärin Martha Oberndorfer. Eine Bestandsaufnahme hätte ergeben, dass zwei (der neun) Beteiligungsunternehmen in puncto Lkw-Kartell betroffen sind. Sowohl bei der OMV als auch bei der Post würden deshalb entsprechende juristische Schritte geprüft, so Oberndorfer.

Langwierige Klagsvorbereitung

Was die Klage gegen die inkriminierten Lkw-Hersteller so mühsam macht ist, dass für jeden einzelnen Lkw entsprechende Nachweise einzubringen sind. Dabei handelt sich um Rechnungen, Zulassungen, Leasingverträge und andere Dokumente. Zudem muss für jedes Fahrzeug eine individuelle Berechnung des Schadensbetrags beigelegt werden. Aufgelistet im sogenannten ökonomischen Sachverständigengutachten, errechnet sich dadurch die Schadensersatzforderung, mit der die geprellten Großkunden letztendlich vor Gericht ziehen. Das ist auch der Grund, warum sich die Betroffenen zu Klägergemeinschaften zusammenschließen. Wenn mehrere Geschädigte dieses Gutachten gemeinsam in Auftragen geben, verteilen sich die nicht unerheblichen Kosten, die dieses Gutachten verursacht, entsprechend.

Der Aufwand lohnt sich allemal, sagen deutsche Kartellrechtsexperten. Die Chancen auf Entschädigung stünden gut, in Summe geht es um Schadenersatzforderungen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro.

Parlamentarische Anfrage zur ÖBB

Geld, das nicht nur die geschädigten Geschäftskunden aus der Privatwirtschaft, sondern vor allem auch die finanzmarode Republik Österreich dringend benötigen, sagt Peter Kolba von der Liste Pilz . Er wirft der österreichischen Bundesregierung in der Causa Lkw-Kartell Untätigkeit vor. Man agiere angesichts der Summen, um die es hier geht, viel zu zögerlich. Kolba kündigte eine Reihe parlamentarischer Anfragen des Parlamentsklubs der Liste Pilz an, spätestens dann würde wohl auch die ÖBB Farbe bekennen müssen.

Infrastrukturminister Norbert Hofer, in dessen Zuständigkeit die ÖBB fällt, war trotz mehrfacher Nachfrage bis Redaktionsschluss zu keiner Stellungnahme bereit.

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