Chemische Industrie : Linde-Chef will massiv Jobs abbauen - kurz bevor er selbst geht

Linde-Chef Wolfgang Büchele verpasst dem deutschen Gasekonzern wenige Monate vor seinem Abgang einen harten Sparkurs. Ab 2019 sollen die Münchner nach der geplatzten Fusion mit dem US-Rivalen Praxair jährlich 550 Mio. Euro einsparen, um 370 Mio. Euro mehr als bisher geplant, wie das Unternehmen mitteilte.

Die Börse applaudiert

"Unsere klare Vision ist, Linde langfristig und nachhaltig zu einem der profitabelsten und präferierten Anbieter im Industriegase- und Engineering auszubauen", sagte Büchele, der Ende April seinen Posten räumt. Die relativ geringe Rendite galt als ein Grund für den geplatzten Zusammenschluss mit den profitableren Amerikanern.

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An der Börse kam der Sparkurs gut an: Mit einem Plus von gut 2 Prozent waren die Linde-Aktien die größten Gewinner im Dax. Analyst Markus Mayer von Baader war angetan vom jüngsten Zahlenwerk und lobte den Sparkurs: "Die signifikante Restrukturierung wird das Fett von Linde abschneiden."

Linde steigerte den Gewinn im dritten Quartal auf 313 Millionen Euro

Im dritten Quartal musste Linde konzernweit einen leichten Einnahmenrückgang hinnehmen. Der Umsatz sank binnen Jahresfrist um gut 2 Prozent auf 4,4 Mrd. Euro, der operative Gewinn (Ebitda vor Sondereffekten) im gleichen Umfang auf gut 1 Mrd. Euro.

Unter dem Strich verdiente die Traditionsfirma mit 313 Mio. Euro gut ein Zehntel mehr und schnitt insgesamt besser ab als Analysten erwartet hatten.

Abbau von bis zu 4.000 Mitarbeitern möglich

Der Stellenabbau dürfte kräftig ausfallen: Für das laufende und kommende Jahr veranschlagt Linde die Kosten für die Einsparungen auf 400 Mio. Euro. Die Zahl der wegfallenden Arbeitsplätze wollte Büchele nicht nennen. Auf Basis der üblichen Abfindungssummen veranschlagen Experten die Zahl der betroffenen Mitarbeiter auf 3.000 bis 4.000. Weltweit beschäftigt Linde 65.000 Menschen, davon 8.000 in Deutschland.

Pullach bei München werde der wichtigste Standort von Linde bleiben, aber man werde an jedem Standort in Diskussionen einsteigen, so Büchele. In den nächsten Wochen begännen die Gespräche mit den Arbeitnehmer-Vertretungen. Der Vorstand werde jede Region und jeden Geschäftsbereich unter die Lupe nehmen, aber "nicht mit dem Rasenmäher vorgehen".

Bei der Dividende an die Aktionäre wird nichts gekürzt

"Unsere Aktionäre haben ganz klare Erwartungen an die Leistungskraft und das Leistungspotenzial dieses Unternehmens. Und im Vergleich zu den Wettbewerbern liegen wir in diesem Bereich signifikant zurück", sagte Büchele. Die Anteilseigner sollen während der Sparwelle auf nichts verzichten müssen: Die Dividende soll in den kommenden Jahren weiter steigen.

Linde kämpft mit den Folgen des Ölpreisverfalls. Vor allem im Anlagenbau scheuen die Kunden Investitionen, der Umsatz der Sparte sinkt langfristig. Büchele warnte zudem vor den Folgen der sich abkühlenden Weltwirtschaft. Es sei nicht mehr mit Zuwachsraten von 5 sondern eher 3 Prozent zu rechnen. "Wir werden also mit hohem Kostendruck konfrontiert und müssen zudem gegen einen aggressiven Wettbewerb bestehen, der auf einer niedrigeren Kostenbasis agiert als wir."

Konzernchefs sollen nach Bücheles Abgang harten Sparkurs fortsetzen

Es sei gut und richtig gewesen, einen Zusammenschluss mit Praxair auszuloten, um damit am französischen Erzrivalen Air Liquide als weltgrößten Gaseanbieter vorbeizuziehen, verteidigte Büchele die letztlich gescheiterten Verhandlungen. Linde biete aber auch ohne den Schritt viel Potenzial. Das Unternehmen könne auch alleine wachsen. Die übrigen Vorstände und Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle würden dafür sorgen, dass auch nach seinem Abschied der Sparkurs weiter durchgesetzt wird. (reuters/dpa/apa/red)