Industriekonjunktur : Leichter, aber überraschender Dämpfer in der deutschen Industrieproduktion

Überraschender Dämpfer für die deutsche Wirtschaft: Die Unternehmen drosselten ihre Produktion im Juni nach zuvor fünf Anstiegen in Folge. Damit endete der längste Aufwärtstrend der vergangenen sechs Jahre abrupt. Industrie, Baubranche und Energieversorger stellten zusammen 1,1 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das deutsche Wirtschaftsministerium mitteilte. Ökonomen hatten dagegen mit einem Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet, nach plus 1,2 Prozent im Mai.

Unter dem Strich: Ein Plus von knapp zwei Prozent im Quartal

Im gesamten zweiten Quartal zog die Produktion allerdings um 1,8 Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Jahres an. "Die Auftragseingänge sowie die Indikatoren für das Geschäftsklima deuten darauf hin, dass die aufwärtsgerichtete Tendenz bei der industriellen Erzeugung weiter anhält", betonte das Ministerium.

Experten gehen davon aus, dass Europas größte Volkswirtschaft ungeachtet des Produktionsrückgangs ihr Wachstumstempo gehalten hat. Ökonomen erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt von April bis Juni erneut um 0,6 Prozent wuchs. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht nächste Woche seine erste Schätzung.

Experten erwarten trotzdem weiteres Wachstum

"Mit einer grundsätzlichen Trendwende ist wegen des kräftigen Binnenkonsums, des gestiegenen Investitionsvertrauens und der Belebung der Weltwirtschaft vorerst nicht zu rechnen", sagte die Konjunkturexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Sophia Krietenbrink. "Auch die Niedrigzinsen wirken weiter als Konjunkturstütze."

Für die zweite Jahreshälfte bleiben die meisten Experten ebenfalls optimistisch. "Insgesamt stehen die Zeichen für eine Fortsetzung des Aufschwungs im Sommerhalbjahr weiter gut", sagte BayernLB-Ökonom Stefan Kipar. "Denn die Voraussetzungen für eine Produktionsausweitung sind durch moderat steigende Neuaufträge in der Industrie und eine gute Stimmung unter den Unternehmen weiterhin gegeben." Allerdings dürfte das Tempo etwas nachlassen: Von Reuters befragte Analysten gehen von einem Plus von jeweils 0,5 Prozent im dritten und viertel Quartal aus.

Ein Minus von 1,4 Prozent in der Industrie

Die Industriebetriebe allein fuhren ihre Produktion im Juni um 1,4 Prozent herunter. Sowohl die Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen als auch die Konsum- und Vorleistungsgüterproduzenten wiesen ein Minus aus.

Die Energieerzeuger steigerten ihre Leistung dagegen um 1,4 Prozent. Das Baugewerbe meldete ein Minus von 1,0 Prozent. "Vor allem im Baugewerbe könnte die schwächere Entwicklung auch ein Zeichen zunehmender Engpässe sein", sagte DIHK-Expertin Krietenbrink. "Drei Viertel der Baubetriebe nennen den Fachkräftemangel als Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung." (reuters/apa/red)