Logistik : Last Exit Seidenstraße

Mit einer Gesamtfläche von 95.000 Quadratmetern ist die in unmittelbarer Nähe zum Flughafen von Tbilissi gelegene georgische Niederlassung der Gebrüder Weiss alles andere als klein dimensioniert. Trotzdem nimmt man 2,5 Millionen Euro in die Hand und baut weiter aus. Neu dazukommen soll eine weitere Logistikanlage mit 2.000 Quadratmetern Crossdocking- und 6.000 Quadratmetern Freifläche, für die rund 160 Mitarbeiter vor Ort wird ein neues Bürogebäude errichtet.

Angesichts jährlicher Wachstumsraten zwischen 15 und 20 Prozent sei eine Erweiterung des Logistik-Hubs ganz einfach notwendig geworden, sagt Thomas Moser, Direktor und Regionalleiter Black Sea/CIS bei Gebrüder Weiss. Den Großteil seines Geschäfts in der Kaukasus-Region macht der österreichische Logistiker mit Importen aus Europa, gefolgt von lokalen Lager- und Logistiklösungen und der Verteilung der Waren in Georgien und den angrenzen Nachbarländern. Die Transporte erfolgen größtenteils via Lkw auf dem Landweg, CO2-Emissionsgrenzen gibt es in dieser Weltgegend vorerst noch keine. Ebenfalls von Relevanz ist die Seefracht, Schiene und Luftfracht spielen so gut wie keine Rolle. „Neben dem Transportgeschäft gewinnt aber auch die Lagerlogistik immer mehr an Bedeutung, das Verhältnis liegt nahezu bei 50:50“, sagt Moser.

Positive Entwicklung

Die georgische Wirtschaft entwickelt sich seit Jahren durchaus positiv. So etwa verzeichnete man 2017 ein Wachstumsplus von rund fünf Prozent. Ausschlaggebend dafür waren neben dem gestiegenen Konsumverhalten auch eine höhere Exportquote und ein wachsender Tourismussektor. „Die Bürokratie ist seit der Regierungszeit von Micheil Saakaschwili kein problem-behaftetes Thema mehr. Im Gegenteil, Prozesse für Bewilligungen und Genehmigungen verlaufen oft schneller und transparenter als in manchen europäischen Ländern“, sagt Moser.

Zehn bis 15 Mal pro Woche transportiert Gebrüder Weiss Produkte auf direktem Weg nach Georgien, einen Gutteil davon sogar weiter, etwa nach Armenien und Aserbaidschan. „Die Waren werden aus ganz Europa abgeholt, wobei unser Schwerpunkt derzeit auf Österreich, Italien, Frankreich, Deutschland und den Benelux-Staaten liegt, und in Wien, Frankfurt oder Treviso gebündelt. Dazu kommen zwei bis drei Fahrten aus der Türkei, Istanbul, nach Georgien“, sagt Moser. Die Laufzeit von Österreich nach Georgien beträgt im Normalfall fünf bis sieben Tage, rund 4.000 Kilometer sind dafür zurückzulegen.

Importe überwiegen

Aus Europa importiert werden vorwiegend Konsumgüter wie Elektronik-, Haushalts- und Gartengeräte. Ebenfalls hoch im Kurs stehen Elektrowerkzeuge, Agrarprodukte und Nahrungsmittel. Erfolgversprechend entwickle sich zudem der Warenverkehr mit Ersatzteilen, heiß begehrt sei zudem alles, was aus der Automobilindustrie kommt.

„Der Anteil an Importen überwiegt derzeit noch deutlich. Georgien hat als Produktionsstandort noch großen Aufholbedarf und muss auch noch attraktiver für Investoren werden“, sagt Moser. Man sei aber auf einem guten Weg: „Exportseitig entwickelt sich für die Kaukasus-Region vor allem Russland zu einem neuen Hoffnungsmarkt.“ Gefragt seien Maschinenteile, Mineralwasser und Wein. Letzterer finde übrigens, ebenso wie georgisches Aluminium, auch immer mehr Abnehmer in Deutschland und Frankreich.

Erste Versuche, in Georgien Fuß zu fassen, unternahm Gebrüder Weiss bereits Ende der 1990er-Jahre. „Leider gab es dann einige Rückschläge, die wir nicht beeinflussen konnten – etwa den Kaukasuskrieg 2008“, sagt Moser. 2011 erfolgte ein weiterer Anlauf, vorerst mit einem Joint Venture. Seit 2015 ist man ausschließlich als Gebrüder Weiss vertreten. Aufgeben sei ohnehin niemals eine Option gewesen. „Nach der erfolgreichen Etablierung unserer Standorte in Ost- und Südosteuropa sowie in China war es ein logischer Schritt, auch jene Märkte zu erschließen, die geografisch dazwischen liegen“, sagt Moser. Mittlerweile zähle man sich zu den etablierten Marktteilnehmern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kämen überwiegend aus der Region: „Das junge Team leistet hervorragende Arbeit.“

EU soll Seidenstraßen-Konzepte vorlegen

Neben dem Ausbau der Logistikservices in der Kaukasus-Region will Gebrüder Weiss mittelfristig weitere Standorte in Zentralasien eröffnen. Büros in Georgien, der Türkei, Russland, Turkmenistan, Kasachstan und China. Im Vorjahr ist Jerewan, Armenien, dazugekommen. „Unser Einstieg in Armenien ist von Anfang an sehr gut verlaufen. Wir haben dort ein engagiertes Team, welches die Hubfunktion Georgiens mit der anschließenden Verbindung nach Armenien gut einsetzt. Neben klassischen Transporten können wir auch immer mehr mit Projektgeschäften punkten. Erst kürzlich etwa haben wir zwei Steinbrechmaschinen – immerhin 15 und 19 Meter lang, 2,8 und 3,5 Meter breit und jeweils 3,8 Meter hoch – multimodal, also per See- und Landtransport, von Irland nach Armenien erfolgreich abgewickelt“, sagt Moser.

Die Entwicklungen sämtlicher Länder, die sich in unmittelbarer Nähe der historischen Seidenstraße befinden, werden „sehr genau“ beobachtet. „Die Idee war damals wie heute, dass Europa und Asien nicht nur über den Seeweg, sondern auch über den Landweg verbunden sein sollten“, sagt Moser. Ob österreichische, respektive europäische Unternehmen in diesem gigantischen Projekt eine Rolle spielen können, würde stark von der Haltung der EU gegenüber China abhängen.