Coronakrise : Konjunktur Deutschlands und der Eurozone: "Rezession vorerst beendet"

Hafen Hamburg mit Frachtkränen
© Peter Martens

Nach dem Coronaschock kehrt die Wirtschaft in Deutschland und auch im Euroraum mit viel Schwung in die Wachstumsspur zurück. Dies signalisieren die vom Institut IHS Markit für Juli erhobenen Umfragedaten unter Einkaufsmanagern, die als bewährtes Barometer für die Konjunkturentwicklung gelten.

Ifo: "Der Optimismus kommt zurück"

Die deutlich verbesserte Stimmung bei den Unternehmen in Deutschland verspricht nach Einschätzung des Ifo-Instituts im Sommerquartal eine Rückkehr zum Wachstum. "Das ist ein guter Start ins dritte Quartal", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. "Der Optimismus kommt so langsam wieder zurück."

Für das dritte Quartal gehe das Ifo-Institut von einem Wirtschaftswachstum von 6,9 Prozent aus, nach einem voraussichtlich zweistelligen Rückgang im zweiten Quartal.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex für Juli legte auf 90,5 Zähler von 86,3 Punkten im Juni zu, wie das Münchner Institut mitteilte. Es ist der dritte Anstieg in Folge.

Es bleibt Luft nach oben

Überraschend gut laufe die Binnenwirtschaft, sagte Wohlrabe. Die Industrie brauche ein bisschen länger, um aus der Krise zu kommen. Während die Zuversicht steige, werde die aktuelle Lage weiter deutlich unterhalb des langfristigen Mittelwertes eingeschätzt. "Da ist noch einiges an Nachholbedarf", sagte Wohlrabe. Deutlich verbessert hätten sich die Erwartungen der Automobilhersteller: "Man ist zuversichtlich, dass man in der nächsten Zeit deutlich mehr Autos verkaufen kann."

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Auch die Exporterwartungen legten leicht zu. Trotz Corona-Pandemie gehe es in vielen Ländern aufwärts. In Spanien und Italien sei die Industrieproduktion gestiegen, "China floriert ohne Ende", sagte Wohlrabe. Davon würden auch die Exporteure profitieren: "Das Tal der Tränen haben die Exporteure verlassen."

IHS Markit: Deutliches Wachstum

Laut den Umfragedaten unter Einkaufsmanagern des Institut IHS Markit für Juli hat die deutsche und auch die Wirtschaft der Eurozone die Wachstumsschwelle von 50 Zählern deutlich überschritten. Sie legt damit erstmals seit Februar wieder zu - und das so rasant, wie man es seit rund zwei Jahren nicht mehr gesehen hat. Experten hatten nicht mit diesem Tempo gerechnet. "Die Rezession ist vorerst beendet", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der Liechtensteiner VP Bank.

"Ermutigender Start ins dritte Quartal"

"Firmen aus der Eurozone berichten über einen ermutigenden Start ins dritte Quartal", erklärte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die Daten seien ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Wirtschaft nach dem beispiellosen Einbruch in der Coronakrise kräftig erholen dürfte. Der Einkaufsmanagerindex signalisiert mit 54,8 Punkten im Juli deutliches Wachstum.

Die Hoffnung auf eine rasche Konjunkturbelebung in Europa trieb den Eurokurs auf den höchsten Stand seit Ende 2018. Die Gemeinschaftswährung legte zwischenzeitlich um 0,2 Prozent auf 1,1621 Dollar zu und lag damit auf dem höchsten Niveau seit Herbst 2018. "Die Daten aus der Eurozone sind sehr gut und das zeigt, dass die Konjunkturpakete und Geldspritzen zur Erholung der Wirtschaft beitragen", sagte Naeem Aslam, Chefanalyst beim Brokerhaus Avatrade.

Ökonom Jörg Angele von der Bank Bantleon geht davon aus, dass sich die Konjunktur auch weiter positiv entwickeln wird: "Angesichts der zuletzt vorgenommenen Lockerungen dürfte es in den nächsten Monaten kaum Unternehmen geben, deren Geschäftstätigkeit sich gegenüber dem jeweiligen Vormonat nicht verbessert." In Deutschland hat sich jüngst überdies das Konsumklima zusehends aufgehellt - was nicht zuletzt an der vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer liegen dürfte. Auch die Aussicht auf die Auszahlung des Kinderbonus sowie spürbar gesunkene Preiserwartungen sorgten laut den Marktforschern der GfK dafür, dass die Konsumenten den Coronaschock allmählich abschütteln.

Wachstum auch in der Industrie

Die deutsche Privatwirtschaft als Ganzes scheint nun aus dem Gröbsten heraus zu sein: Das Markit-Barometer stieg im Juli von 47,0 Zählern im Vormonat auf 55,5 Punkte: Dabei erreichte die schon vor der Coronakrise kränkelnde Industrie zumindest die Wachstumsschwelle von 50, während der Servicesektor mit 56,7 Zählern kräftig zulegte. Laut Markit-Experten Phil Smith zeigen die Umfragewerte, dass die Nachfrage mehr und mehr in Schwung kommt. "Überdies ist es gerade für eine so exportabhängige Wirtschaft wie der deutschen erfreulich, dass das Exportgeschäft in der Industrie wieder kräftig angezogen hat."

"Firmen haben sich mit Krediten vollgesogen"

Auch Ökonom Marco Wagner von der Commerzbank sieht es als "ein positives Signal", dass die Einkaufsmanager-Barometer gestiegen sind. Er warnt jedoch vor Euphorie: "Denn es gibt einige Bremsfaktoren. So momentan etwa die Diskussion, ob es eine zweite Coronawelle gibt." Zudem hätten sich viele Unternehmen zu Hochzeiten der Coronakrise mit Krediten vollgesogen: "Die müssen jetzt in den nächsten Monaten bedient und abgetragen werden. Das dämpft letzten Endes wieder etwas die Investitionstätigkeit."

Die nun zügig in Gang gekommene Erholung der deutschen Wirtschaft folgt auf einen massiven Konjunktureinbruch im Zuge der Coronakrise im Frühjahr. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal so stark eingebrochen ist wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Sie erwarten im Schnitt, dass es ein Minus von 9,0 Prozent zum Vorquartal geben wird. Die BIP-Daten werden am 30. Juli veröffentlicht. (reuters/apa/red)