Strafzölle : Konflikt mit Washington: Erdogan weiter auf Konfrontationskurs

Ein türkisches Gericht hat abermals einen Antrag auf Entlassung des US-Pastors Andrew Brunson aus dem Hausarrest abgelehnt. Die Richter wiesen den Antrag von Brunsons Anwalt auf Aufhebung des Hausarrests und der Ausreisesperre zurück, wie das Staatsfernsehen TRT meldete.

Pfarrer Brunson seit zwei Jahren in Haft

Das Vorgehen der türkischen Justiz gegen den Geistlichen belastet seit Monaten massiv die Beziehungen zum NATO-Partner USA. Der Pastor hat zwei Jahrzehnte lang eine kleine christliche Kirche in der Türkei betrieben und wurde im Oktober 2016 verhaftet.

Seither sitzt Brunson wegen Vorwürfen der Spionage und des Terrorismus in türkischer U-Haft. Ende Juli verlegte ein Gericht ihn zwar aus gesundheitlichen Gründen in den Hausarrest, hielt das Verfahren gegen ihn aber aufrecht. Mehr zu diesem Fall: Lira auf Rekordtief: Geschäfte mit der Türkei werden zum Problem >>

US-Präsident Donald Trump fordert seit langem seine Freilassung und verhängte nach der Gerichtsentscheidung von Anfang August Sanktionen gegen die türkischen Minister für Justiz und Inneres.

Inzwischen ist die Krise zwischen der Türkei und den USA eskaliert: Der Streit hat die türkischen Währung massiv einbrechen lassen.

Auslöser des Währungsverfalls war Erdogan selbst

Als Auslöser des dramatischen Währungsverfalls der Lira gelten jedoch nicht diese Vorgänge, sondern Ankündigungen von Staatschef Recep Tayyip Erdogan, in den Kurs der türkischen Notenbank eingreifen zu wollen - was eine massive Kapitalflucht ausgelöst hat.

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Am vergangenen Freitag verkündete Trump zudem eine Verdopplung der Zölle auf türkische Stahl- und Aluminiumimporte. Die Türkei antwortete darauf mit der Erhöhung der Zölle auf eine Reihe von US-Produkten. Wiederholte Treffen zwischen Vertretern beider Staaten haben im Fall Brunson bisher keine Lösung gebracht.

Erdogan kündigt Boykott von US-Elektronik an

Als Reaktion auf Sanktionen und Strafzölle der USA gegen die Türkei hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einen Boykott elektronischer Produkte aus den USA angekündigt. Die Türkei werde in Zukunft qualitativ hochwertige Waren bald selbst produzieren und diese auch exportieren.

"Wir werden einen Boykott gegen elektronische Geräte aus den USA verhängen. Sie haben das iPhone, doch auf der anderen Seite gibt es Samsung", sagte Erdogan mit Bezug auf den US-Handyhersteller Apple und den südkoreanischen Konkurrenten. Außerdem habe die Türkei ihre eigene Marke Vestel. Apple-Produkte sind in der Türkei sehr verbreitet und werden auch von Erdogan selbst benutzt.

Lira legt wieder leicht zu

Insgesamt war die Rede Erdogans aber gemäßigter als die Ansprachen in den vergangenen Tagen. Die Lira hatte zuletzt wieder leicht zugelegt, nachdem am Montag die Zentralbank und andere Regierungsbehörden erste Notfallmaßnahmen gegen den rasanten Lira-Verfall ergriffen hatten. Außerdem will Finanzminister Berat Albayrak am Donnerstag per Telefon-Konferenz mit Investoren unter anderem aus den USA und Europa sprechen.

Erdogan versicherte in seiner Rede, dass die Türkei "eines der stärksten Bankensysteme" der Welt habe.

Türkische Wirtschaftsverbände fordern engere Beziehungen zu Europa

Zwei wichtige türkische Wirtschaftsverbände, der Unternehmerverband TÜSIAD und die Union der Kammern und Börsen in der Türkei (TOBB) erklärten ebenfalls, die Wirtschaft der Türkei stehe auf einem stabilen Fundament. Sie forderten aber auch sofortige Maßnahmen von der Regierung in Ankara und betonten, die Beziehungen zu "unserem wichtigsten Wirtschaftspartner", der Europäischen Union, müssten gestärkt werden.

Auch dutzende Deutsche in Haft

Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 sind auch Dutzende Deutsche aus politischen Gründen festgenommen worden. Nach Angaben aus der vergangenen Woche sind sieben von ihnen weiterhin in Haft. Der prominenteste, der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, war im Februar freigelassen worden.

Die deutsche Regierung will Erdogan Ende September zu einem Staatsbesuch empfangen. In Deutschland regt sich jedoch Widerstand. FDP-Chef Christian Lindner sagte der Deutschen-Presse Agentur, ein groß angelegter Staatsbesuch wirke "wie ein Propagandasieg" für Erdogan. Er werde damit aufgewertet in seinen Bemühungen, "aus seinem Land eine Präsidialdiktatur zu machen". Besser wäre ein reiner Arbeitsbesuch.

Erdogan war Ende Juni als Staatspräsident wiedergewählt worden. Im neu eingeführten Präsidialsystem genießt er weitreichende Vollmachten und kann mit Dekreten regieren. (afp/dpa/apa/red)