Arbeitsmarkt : Konferenz in Wien: Digitalisierung vernichtet Jobs - und schafft neue

Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Zukunft der Arbeit hat, beschäftigt zunehmend die Politik. Über den wissenschaftlichen Stand der Dinge debattierten Experten und österreichische Parlamentarier bei der Jahreskonferenz des "European Parliamentary Technology Assessment" (EPTA). Ob durch Automatisierung mehr Jobs vernichtet oder geschaffen werden, darüber herrscht noch keine Einigkeit.

"Das ist die schwierigste Frage überhaupt, dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Die Meta-Aussage ist: Es gibt noch keinen Konsens und es geht meistens um die Einschätzung der Fristigkeit", sagte Michael Nentwich, Leiter des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), im Vorfeld der Konferenz im Parlament in Wien zur APA.

Während einige "apokalyptische" Szenarien davon ausgehen, dass in einigen Jahrzehnten 100 Prozent der Jobs wegfallen und durch Maschinen ersetzt werden, würden andere mit ebenfalls guten Argumenten vorerst nur auf sieben bis acht Prozent kommen.

Zu diesem Zeitpunkt ebenso schwierig zu beantworten ist, wer langfristig gewinnt oder verliert. "Die Frage ist, wie man einen Gewinn sieht. Wenn wir als Gesellschaft in ein paar Jahren deutlich weniger arbeiten müssen, dann ist das sicher ein Gewinn", so Nentwich. Daraus resultiere dann aber auch die Ungewissheit, wie das Sozialversicherungs- und Pensionssystem aufrechterhalten werden könne, wenn niemand mehr arbeitet.

Fakt sei, dass nicht nur in offensichtlichen Bereichen wie der Industrie ("Industrie 4.0") oder in der Mobilität die Automatisierung "ganz massiv im Anmarsch" ist. Auch in der Landwirtschaft laufe schon weit mehr automatisiert als gedacht: "Vor 40, 50 Jahren haben in einer Standardmühle 1.000 Leute gearbeitet, heute sind es 70."

Zudem würden auch kognitive Fähigkeiten des Menschen bereits von Maschinen übernommen, etwa laufe die Überprüfung der Kreditwürdigkeit in einer Bank heute bereits voll elektronisch. Im medizinischen Bereich könnten bald Arbeitsplätze in der Radiologie wegfallen, weil Computer bildgebende Verfahren bereits besser auswerten.

Von diesem Trend, dass Maschinen Menschen ersetzen, könnten am ehesten noch soziale Tätigkeiten ausgenommen sein, schätzt Nentwich: "Überall dort, wo der menschliche Faktor im Sinne des sozialen Umgangs miteinander ins Spiel kommt, von der Pflege bis zur Gastwirtschaft."

Obwohl es Beispiele von Robotern im Gastgewerbe gebe, werde das wohl nicht jeder mögen. Demnach dürfte die Wiener Kaffeehauskultur wohl noch eine Zeit lang aus dem Schneider sein: "Man wird noch gerne bedient werden. Egal wie griesgrämig der Ober ist, es ist ein Mensch."

Für den Europaabgeordneten Paul Rübig (ÖVP), der seit zwei Jahren dem "STOA"-Wissenschaftsausschuss des Europäischen Parlaments vorsteht (STOA: Science and Technology Options Assessment Panel), wird die Automatisierung die "körperkraftintensiven Tätigkeiten massiv vom Arbeitsmarkt entfernen, dafür viele neue Jobs in der Wirtschaft und in der virtuellen Welt schaffen".

"Ich persönlich glaube, dass wir mehr Jobs schaffen werden als verlorengehen", sagte Rübig mit dem Verweis darauf, dass vor allem das Bildungssystem in Sachen Digitalisierung gefragt sei. In Europa würden jene gewinnen, "die ihre Forschungszentren auf diese Themen fokussieren. Verlieren werden jene, die glauben, sie können das ignorieren".

Zur Jahreskonferenz des EPTA, dessen Präsidentschaft dieses Jahr das ITA innehat, wurden rund 100 Teilnehmer aus 32 Ländern erwartet. In drei bis vier Wochen ist die Veröffentlichung eines Berichts über die Konferenz inklusive spezifischer Länderanalysen zum Thema Digitalisierung und Arbeit geplant. Weitere Informationen zur Konferenz gibt es unter diesem externen Link.

(apa/red)