Instandhaltung : Klassische Instandhaltung war gestern

Ausfälle kennt man bei Magna Steyr Fahrzeugtechnik de facto nicht, solche kann sich der Automobilhersteller auch gar nicht leisten. Werden doch ab kommendem Jahr der 5er-BMW und ab 2018 zusätzlich die Mercedes-G-Klasse in Graz vom Band rollen. Eine sogenannte Feuerwehr-Instandhaltung ist bei Magna daher längst Geschichte. Diese beschreibt ein in vielen Betrieben wohlbekanntes Bild: Alle paar Wochen krankt die Anlage an derselben Stelle, ein Techniker kommt und behebt die Störung, bevor sie nach einiger Zeit erneut auftritt. Und wie bei einem Feuerwehr-Einsatz stehen während der Reparatur die Maschinen oder sogar ganze Produktionen still.

Eine Instandhaltung, wie sie modern geführte Unternehmen haben, ist hingegen eine, die von ihrem Umfeld gar nicht wahrgenommen wird. Damit ihre Leistungen dennoch nicht völlig unbemerkt bleiben, holt die ÖVIA, die „Österreichische technisch-wissenschaftliche Vereinigung für Instandhaltung und Anlagenwirtschaft“, die Besten im Anlagenmanagement vor den Vorhang. Bei ihrem Kongress im Oktober vergab sie heuer zum sechsten Mal den Maintenance Award Austria (MA2), das INDUSTRIEMAGAZIN war Medienpartner. Und wer am Podest stand, hat den Wandel von der klassischen Instandhaltung hin zu einer lebenszyklusorientierten tatsächlich bereits vollzogen: „Diese Unternehmen gehen weg von einer zentrierten und autokratisch planenden Instandhaltungsorganisation hin zu einer dezentralen, wo man die Mitarbeiter einbezieht und Schwachstellen kontinuierlich verbessert“, sagt ÖVIA-Präsident Hubert Biedermann.

Im Lean Management voran

Dass die Entscheidung um Platz eins heuer auf Magna fiel, war dennoch nicht von Anfang an klar. Denn auch die Nummer zwei, die steirische Zellstoff Pöls AG, und Platz drei, der oberösterreichische Reibbeläge-Hersteller Miba Frictec GmbH, lagen nur knapp dahinter. Letztendlich war es die Glaubwürdigkeit des Lean Managements, wo Magna noch „eine Nasenspitze besser“ war, wie ein Juror es ausdrückt. Vor allem die Dokumentation der Schritte, die die Mitarbeiter in Sachen Anlagenmanagement setzten, hat die Juroren bei ihrem Rundgang im Unternehmen in Graz überzeugt. Außerdem punktete Magna mit seinem KVP-System. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) hilft schließlich, weg von einer statischen Instandhaltung hin zu einem Modell zu gelangen, das laufend Schwachstellen behebt, was zu wichtigen Erkenntnissen beim Nachrüsten von Anlagen führt.

Eine Verbesserung erwartet sich Magna-Instandhaltungsleiter Mario Kübeck denn auch durch die Teilnahme am Maintenance Award: „Wir erhalten ein kritisches Benchmarking im Vergleich zu anderen Unternehmen und wertvollen Input für Weiterentwicklungspotenziale.“ Ganz ähnlich sieht man es bei der zur Heinzel-Gruppe gehörenden Zellstoff Pöls. Laut Harald Trummer, Leiter Instandhaltung bei heinzel pulp Zellstoff Pöls, kommt es vor allem auf „das Vorantreiben der abteilungsübergreifenden Prozessinnovationen“ an, denn dieses bringe Fortschritte in Sachen Qualität und Flexibilität, „das verbessert die strategische Wettbewerbsfähigkeit ganz entscheidend“.

Als Assets betrachten

Tatsächlich bringt ein exzellentes Anlagenmanagement laut ÖVIA-Präsident Biedermann langfristig einen Wettbewerbsvorteil. Entscheidend ist dabei die Denkweise: In veralteten Organisationen werden kapitalintensive Anlagen vorrangig als Kostenfaktoren gesehen. In modernen aber gelten sie als Assets des Unternehmens, aus denen man den höchstmöglichen Return on Investment herausholt. Was zählt sind daher weniger die Anschaffungskosten als die Lebenszykluskosten. „Etwa 60 Prozent der Störungen haben ihre Ursache in der Bereitstellungs-, Planungs- und Entwicklungsphase. Wenn es gelingt, die in der Nutzungsphase gewonnenen Erkenntnisse gleich in die Planung neuer Anlagen miteinzubeziehen, vermindert dies das Ausfallrisiko“, sagt Biedermann. Der bessere Begriff als Instandhaltung, der sozusagen nur den aktuellen Stand zu halten versucht, ist für ihn daher auch Assetmanagement.

Wichtig sei dabei auch, die Instandhaltungs-Abteilung beim Ankauf neuer Anlagen mitentscheiden zu lassen. Denn sie weiß am besten, wie zum Beispiel Schmiermittel etc. darauf abzustimmen sind. Ist hingegen allein der Einkauf zuständig, zähle häufig nur der Preis. Die Erfahrung aber habe gezeigt: „Wenn man zu billig kauft, dann verursacht das in der Instandhaltung bis zu 30 Prozent höhere Kosten“, so Biedermann.

Mitarbeiter einbeziehen

Die Einbeziehung der Mitarbeiter ist denn auch eine Stärke, die die Juroren den ausgezeichneten Unternehmen attestieren. Zum Beispiel agiert die Instandhaltungsabteilung bei der Zellstoff Pöls, die in Summe 427 Beschäftigte zählt, weitgehend autonom und hat auch ein Arbeitszeitmodell mit Gleitzeit eingeführt. Trotz dieser Flexibilität ist stets jemand aus der Instandhaltung verfügbar, die Troubleshooter arbeiten im Schichtdienst. Dies ist in der Zellstoffindustrie auch nötig, schließlich wird an der integrierten Papiermaschine in Pöls sieben Tage die Woche 24 Stunden gearbeitet. Bei der Miba-AG-Tochter Miba Frictec wiederum sorgen flache Hierarchien für eine hohe Flexibilität. Und auch bei der deutschen Softwareschmiede iTiZZiMO, die am ÖVIA-Kongress den Innovationspreis erhielt, dreht sich alles um Flexibilität: Sie entwickelte mit ihrer Produktinnovation „Simplifier“ eine Plattform, die digitale Lösungen konfigurierbar macht.

Anpassungsfähige Lösungen seien schließlich in Zeiten von Industrie 4.0 immer wichtiger, waren sich die Teilnehmer des ÖVIA-Kongresses einig. Zwar bedeuten flexible Fertigungssysteme auch eine Herausforderung für Betreiber und Instandhalter, doch „eine Smart Factory bedarf einer Smart Maintenance bzw. einer Lean Smart Maintenance“, betonte etwa Wilfried Sihn, Institutsvorstand an der TU Wien und Geschäftsführer von Fraunhofer Austria Research. Gemeint ist ein intelligentes Instandhaltungskonzept, das Smart Maintenance (Effektivität) mit einem Lean-Ansatz kombiniert und dadurch langfristig die Wertschöpfung des Unternehmens erhöht.

In Summe, so ist ÖVIA-Präsident Biedermann überzeugt, haben bereits fünf bis sechs österreichische Unternehmen „ein wirkliches Top-Level“ im Anlagenmanagement erreicht. Die guten Unternehmen finden sich dabei in allen Branchen und sind im Wesentlichen die Top drei des MA2 des heurigen Jahres sowie die Preisträger der Vorjahre. Und sie brauchen Biedermann zufolge auch den internationalen Vergleich nicht scheuen: Zumindest gegenüber den Deutschen, wo es durch die European School of Management and Technology in Berlin einen Benchmark gibt, schneiden die Top-Österreicher genauso gut ab, das eine oder andere Unternehmen sogar besser.