Rechtstipp : Keine agilen Projekte ohne agile Verträge

Das Rad dreht sich immer schneller, Innovationszyklen werden immer kürzer: Wer heutzutage auf dem Markt bestehen will, muss flexibel auf Veränderungen reagieren. „Agilität“ ist aber nicht nur in der Unternehmensführung das Schlagwort der Stunde – gerade bei großen Projekten ist es heute Standard, Komponenten an externe Projektteams auszulagern. Für die Zusammenarbeit werden agile Prozesse festgelegt, die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen können sollen. Durch iteratives Feedback von Kunden reift ein Erstentwurf immer mehr zu einem fertigen Produkt, das alle Parteien zufriedenstellt.

Die rechtssichere Abbildung solcher dynamischen Prozesse und die Fixierung einer angemessenen Vergütung stellen eine besondere Herausforderung für die Vertragsgestaltung dar. Früher hätte man die variablen Aufwände des Auftragnehmers einfach nach Stunden abgerechnet. Doch immer weniger Auftraggeber sind bereit, sich diesem unkalkulierbaren Kostenrisiko auszusetzen.

Aber auch ein Fixpreis – sei es als „pauschaler Fixpreis“ oder als „Fee Cap“ – wird der Komplexität moderner Projekte nicht gerecht. Abhilfe schafft ein sogenannter „agiler Fixpreis“. Die Stärke dieses Modells liegt darin, den Leistungsgegenstand sehr variabel halten zu können, um bis zum Ende des Projektes auf Veränderungen reagieren zu können.

Zur Quantifizierung des Aufwands haben sich in der Praxis zwei Modelle etabliert, bei denen unterschiedliche Typen von Leistungsteilen im Mittelpunkt stehen: Sogenannte „Function Points“ spiegeln den Aufwand für den Auftragnehmer wider und werden anhand der Komplexität vergütet. „Story Points“ hingegen orientieren sich am Wert für den Auftraggeber, die Abgeltung wird von den Parteien einvernehmlich festgelegt. Wird der Leistungsgegenstand in dieser Form festgehalten, sind die Meilensteine dynamisch während der Projektlaufzeit austauschbar.

Ein agiler Vertrag sollte eine beiderseitige schrittweise Leistungserbringung vorsehen: Sobald ein Projektschritt (Iteration) abgenommen ist, ist die entsprechende Teilzahlung fällig. Nur so hält sich das Risiko für beide Parteien in Grenzen. Wird ein Projektschritt nicht rechtzeitig fertig, liegt Verzug vor und der Auftraggeber ist unter Setzung einer Nachfrist berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Der Vertrag sollte regeln, wie sich ein solcher Fall auf die anderen Projektschritte auswirkt. Ist jeder Projektschritt als eigener Vertrag geregelt, bleibt die Arbeit an den anderen Projektschritten grundsätzlich unberührt.

Wird ein Projektschritt fristgerecht fertig, gilt er als erledigt. Um Streitigkeiten zu vermeiden, müssen vorab klare, objektiv überprüfbare Spezifikationen des geforderten Produkts vorliegen. Nur wenn der Vertrag als Werkvertrag (und nicht als Dienstvertrag) gestaltet wird, können nachträglich auftretende Mängel im Wege der Gewährleistung geltend gemacht werden.

Schlussendlich müssen agile Verträge auch die immaterialgüterrechtlichen Rechte an den Arbeitsprodukten regeln und im notwendigen Ausmaß an den Auftraggeber übertragen.

Die juristische Abbildung eines agilen Projekts ist eine große Herausforderung. Läuft alles nach Plan, kommt man auch mit Schönwetterverträgen zurecht. Soll ein Projekt jedoch auch in schlechten Zeiten steuerbar und budgetierbar bleiben, sind belastbare Verträge notwendig.

Rechtsanwalt Dr. Lukas Feiler, SSCP CIPP/E, leitet das Team für IP- und IT-Recht bei Baker McKenzie in Wien, Mag. Erik Steiner ist Rechtsanwaltsanwärter ebendort.

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