Rüstungsindustrie : Kampfjet F-35: Pentagot sucht neue Zulieferer

Wegen eines Rüstungsgeschäfts zwischen Ankara und Moskau haben die USA die Auslieferung von F-35-Kampfflugzeugen an die Türkei gestoppt. Sollte der NATO-Partner am Kauf des russischen S-400-Luftabwehrsystems festhalten, "ist ihre weitergehende Teilnahme am F-35-Programm gefährdet", erklärte Pentagonsprecher Charles E. Summers Jr.

Pentagon sucht neue Zulieferer

Die Türkei ist nicht nur Käufer des US-Kampfjets, sondern auch mit mehreren Unternehmen an dessen Herstellung beteiligt. Ankara hatte vergangene Woche signalisiert, trotz wachsenden Drucks aus Washington am Kauf der russischen Luftabwehrraketen festhalten zu wollen. Die USA und andere NATO-Länder sind besorgt, dass Russland über das S-400-System Informationen zu NATO-Flugzeugen erlangt. Auch gibt es Zweifel, dass es mit westlichen Systemen kompatibel ist.

Der Kauf eines russischen Waffensystems ist für ein NATO-Mitglied äußerst ungewöhnlich. Im Westen gibt es zunehmend die Sorge, dass sich die Türkei von der Allianz abwendet.

Das Pentagon erklärte, dass es nach neuen Herstellern für in der Türkei entwickelte Flugzeugteile suche. "Wir bedauern die aktuelle Situation sehr", hieß es in einer Mitteilung. Das Verteidigungsministerium müsse jedoch gemeinsamen Investitionen in wichtige Technologien schützen.

Ein Auftrag von zwölf Milliarden Dollar

Die Türkei wollte 100 F-35A-Kampfflugzeuge kaufen und hat bereits Piloten für das entsprechende Training in die USA gesandt. Nach Angaben des Herstellers Lockheed Martin hätten sich die Verträge mit türkischen Zulieferern auf zwölf Milliarden Dollar (10,7 Milliarden Euro) summiert.

Am Mittwoch findet in Washington das Außenministertreffen der 29 NATO-Staaten statt. Dabei wird das 70-jährige Bestehen des Bündnisses gefeiert. (afp/dpa/apa/red)

Die S-400-Luftabwehrsysteme sollen die Türkei besser schützen gegen künftige Bedrohungen - doch erst einmal bringt der geplante Kauf der russischen Raketen Präsident Recep Tayyip Erdogan in ein schwieriges Dilemma: Kauft er tatsächlich die Raketen von Moskau, werden die USA der Türkei keine F-35-Kampfflugzeuge mehr verkaufen.

Verzichtet er auf das S-400-Geschäft und erwirbt stattdessen US-Patriot-Raketen, riskiert Erdogan, seinen wichtigen Partner Russland zu verärgern. Die ersten russischen Raketen sollen bereits im Juli geliefert werden. Die USA haben wiederholt gewarnt, dass sie die Türkei von der Belieferung mit neuen F-35-Kampfflugzeugen ausschließen würden, sollte Ankara das S-400-Geschäft durchziehen. Am Montag machte die US-Regierung dann Ernst mit der Drohung und legte die Teilnahme der Türkei am F-35-Programm auf Eis, bis Ankara Abstand vom Kauf der S-400 nimmt.

Die Türkei ist selbst am F-35-Rüstungsprojekt beteiligt und hat eine Milliarde Dollar in die Entwicklung des Hightech-Flugzeugs investiert. Insgesamt will die türkische Luftwaffe hundert Kampfjets vom Hersteller Lockheed Martin kaufen. Auch haben in den USA bereits türkische Piloten mit dem Training begonnen. Die USA wollen nun alternative Hersteller für die F-35-Teile suchen, die bisher von türkischen Firmen hergestellt wurden.

Zusätzlich zum Ausschluss vom F-35-Projekt drohen der Türkei in den USA Strafen unter dem CAATSA-Gesetz ("Countering America's Adversaries Through Sanctions Act"), das Geschäfte mit russischen Rüstungsfirmen sanktioniert. "Die US-Regierung und der Kongress machen keine leeren Drohungen", sagt die Forscherin Amanda Sloat vom Brookings Institute. Außerdem gebe es auch in Europa "ernste Bedenken" darüber, dass ein NATO-Partner ein russisches Luftabwehrsystem kaufe.

Laut Erdogan sind die S-400 notwendig, um die türkischen Grenzen zu beschützen. Tatsächlich verfügt die Türkei bisher über kein modernes Luftabwehrsystem.

Wegen des Bürgerkriegs in Syrien stationierten Deutschland, die Niederlande und die USA Anfang 2013 auf Bitten der türkischen Regierung Raketenabwehrsysteme vom Typ Patriot im Süden des Landes. Nach ihrem Abzug 2015 entsandten Italien und Spanien Patriot- und SAMP/T-Luftabwehrsysteme.

Erdogan begründet die Entscheidung für die russischen S-400 damit, dass die USA der Türkei kein passendes Angebot gemacht hätten. Vergangenes Jahr genehmigte die US-Regierung jedoch den Verkauf von Patriots an die Türkei, und Anfang März begannen nach Angaben des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu Gespräche über den Kauf der US-Raketen. Erdogan betont aber, die Türkei werde auf keinen Fall auf die S-400 verzichten.

Unter den NATO-Partnern besteht die Sorge, dass die Russen über das System Daten von NATO-Flugzeugen erhalten. Sie beobachten schon länger mit Argwohn, dass Ankara im Syrien-Konflikt verstärkt mit Moskau und Teheran kooperiert. Obwohl sie auf unterschiedlichen Seiten des Konflikts stehen, setzen sie sich für eine Deeskalation ein, und Erdogan trifft sich regelmäßig mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin.

Vor diesem Hintergrund ist das S-400-Geschäft von hoher symbolischer Bedeutung - zudem geht es um viel Geld. Sollte Ankara einen Rückzieher machen, dürfte das nicht ohne Folgen bleiben. Experten glauben, dass Moskau dann Strafmaßnahmen ergreifen und etwa die Millionen russischen Touristen stoppen würde, die jedes Jahr an die Ägäis kommen. Mitten in der Wirtschaftskrise wäre dies sehr schmerzhaft für die Türkei.

Zudem dürfte Russland die Kooperation in Syrien einstellen. Sollte Moskau eine Offensive der syrischen Regierungstruppen auf die Rebellenprovinz Idlib erlauben, würde dies wohl eine neue Fluchtwelle in die Türkei zur Folge haben. Erdogan wird nun viel diplomatisches Geschick brauchen, wenn er eine neue Krise mit seinem NATO-Partner USA vermeiden will und zugleich seinen neuen Freund Putin nicht vor den Kopf stoßen möchte. (afp/apa/red)