Autotest : Kabinenparty mit Charlotte Mauser

Charlotte Mauser Autotest
© Thomas Topf

"Da gibt es gerade wenig zu sehen", sagt Charlotte Mauser fast entschuldigend, als wir sie an einem Montag Vormittag im August besuchen kommen. "Vor unserem Betriebsurlaub haben wir noch alle fertigen Kabinen ausgeliefert. Heute ist unser erster Arbeitstag." Am weitläufigen Firmengelände im niederösterreichischen Breitenau ist es gerade so, als ob sich ein Unternehmen den Sand aus den Augen reibt. Hier und da werden schon Blechgestelle umhergeschoben, aus denen der Besucher schon das fertige Produkt erahnen kann: Die Walter Mauser GmbH ist die unternehmensgewordene Kabinenparty. Hier werden seit 55 Jahren Fahrerzellen für Vehikel aller Art hergestellt. Und das mit erstaunlichem Erfolg, wie wir bald feststellen werden.

Aber vorerst suchen wir für unser Testobjekt, einen brandneuen Jaguar XE, gemeinsam mit der Chefin einen geeigneten Fotoplatz. Den Rundgang durch das Werksgelände nutzt sie, um sich nach dem Befinden der Kollegen und dem Erholungserfolg zu erkundigen. Mit den meisten ist sie per Du, und Personalfluktuation scheint hier keine vordringliche Sorge zu sein. In der Lackiererei werden wir schließlich fündig: Die an der Decke umlaufenden, frisch getauchten Kabinen werden kurzerhand angehalten und für die weiße Limousine zur Seite geschoben. In einer Automobilfabrik bräuchten die Schichtführer wahrscheinlich zwei Tage, um nach einer derartigen Unterbrechung wieder in den Takt zu kommen. Hier läuft das legerer ab. Knapp 300 Mitarbeiter – siebzig davon sind Leihpersonal – arbeiten in Breitenau. Von der leanen Sterilität und den uhrwerksgleichen Produktionsprozessen vieler Fabriken ist wenig zu spüren. Das Werk wirkt aufgeräumt, aber eine Reise in die Zukunft ist unser Rundgang nicht. „Das ist hier alles über die Jahre gewachsen“, sagt Mauser, "immer, wenn wir Kapazitäten brauchten, haben wir ein Stück dazugebaut." Perfekt sind aber offenbar die Produkte: Rund 30 Millionen Umsatz macht Mauser – bei einer Rendite zwischen 14 und 18 Prozent. Davon träumt man in vielen Branchen, Mauser selbst sagt unverkrampft, "es geht uns ganz gut."

Der Engländer als Bayer

Ebenso entspannt, wie sie den Gang ihrer Geschäfte beurteilt, ist auch unsere Ausfahrt. "Ich fahre seit Jahren einen Mercedes ML350, weil ich sitze gerne hoch", erklärt sie. Mittlerweile sind wir auf der Bundesstraße und sie drückt aufs Gas. "Echt ein nettes Auto – das gefällt mir sehr", lautet ihr erstes Urteil über die sportliche Limousine und legt gleich nach: "Ich glaube, beim nächsten Autokauf muss ich mir auch mal wieder andere Wagen anschauen." Unser XE ist ein brandneues Modell in stimmiger Sportausführung. Ein 180-PS-Diesel, feines Leder, jede Menge Extras und eine ernst zu nehmende Kampfansage an die deutsche Mittelklasse. Einordnen lässt sich der XE irgendwo bei Mercedes C, Audi A4 oder A5 Sportback oder BMW 3er oder 4er. Man weiß es nicht so genau, entscheidend ist, dass Jaguar in diesem Rudel mitlaufen will – und mit diesem Modell wohl auch kann. Mit aktiviertem Sportmodus könnte der Engländer auch als Bayer durchgehen. Ein Tippschalter macht dem Kater ordentlich Beine, indem er die Schaltdrehzahlen anhebt, den Gaspedalweg verkürzt und Fahrwerk und Lenkung erfrischend direkt abstimmt. Dann macht der XE richtig viel Spaß und liegt "super auf der Straße", wie Frau Mauser sagt. Dazu trägt die Bauweise ganz wesentlich bei. Die Konstruktion besteht zu 75 Prozent aus Aluminium, das macht sie nicht nur leicht, sondern auch besonders verwindungssteif.

Von der Werkstatt zum Werk

Schnell ist erörtert, was ein gutes Auto ausmacht: Komfort, Sicherheit, Leistung und Qualität. Mit den Kabinen verhält es sich ähnlich. "Qualität in der Verarbeitung und Geräuschdämmung sind wohl die zwei wichtigsten Eigenschaften für eine Fahrerkabine", erklärt die Unternehmerin. Sie hat gemeinsam mit ihrem Bruder Martin vor fünfzehn Jahren den Betrieb des Vaters Walter Mauser übernommen. Der Bauernsohn hatte 1960 das Unternehmen gegründet. Eine Zeit, in der man mit Unternehmergeist noch Marktlücken füllen konnte. Traktoren bestanden damals aus einem Sitz, vier Rädern und einem Motor. Wer mehr wollte, musste selbst schrauben und schweißen. So auch Walter, der für den elterlichen Traktor ein Regenverdeck bei einem deutschen Händler bestellte. Der Händler war, als Walter Mauser gemeinsam mit dem Breitenauer Dorfschmied das Verdeck montierte, davon so begeistert, dass er den beiden gleich mehrere Montageaufträge gab. Bald stellte Mauser fest, dass es klüger sei, die Verdecke selbst zu bauen. Was folgte, ist eine schöne Geschichte aus Ideenreichtum und fleißiger Umsetzung.

Flackerte am Anfang noch im ganzen Dorf das Licht, wenn der Jungunternehmer am Abend seine Verdecke schweißte, wurde bald aus der Werkstatt ein kleines Werk. Als der Gründer erkannte, dass bei Überschlägen des Traktors nichts besser schützt als eine stabile Kabine, florierte das Geschäft. Als der Absatz in Deutschland so richtig brummte, stellte man fest, dass ohne eigene Niederlassung die Ersatzteilversorgung nicht mehr zu machen war. Man schickte also die 22-jährige Charlotte nach München, um dort ein Ein-Frau-Büro aufzubauen. "Ich hatte damals keine Ahnung, aber irgendwie ging das schon. In unserer Familie wurde Learning by Doing immer groß geschrieben", sagt Mauser heute. Ein bisschen hat man den Eindruck auch heute noch. Ihr Bruder Martin ist für die Produktion und den Vertrieb zuständig, sie regelt die Finanzen und "was sonst noch anfällt."

Gute Bankkunden sind die Geschwister nicht: "Wir haben zum Glück keine Schulden, und was wir investieren, das machen wir aus dem Cashflow", erklärt die Finanzchefin. "So große Sachen sind das ja nicht – mal eine neue Laseranlage, mal eine neue Halle." Expandieren will man derzeit nicht. "Bei uns ist alles organisch gewachsen, bis wir keinen Platz mehr hatten. Wenn wir jetzt unsere Fertigung wirklich ausbauen wollten, müssten wir dieselbe Firma mit allen Produktionsschritten noch mal auf die grüne Wiese stellen", erklärt die 55-jährige Unternehmerin. Um dem entspannt hinzufügen: "Das tun wir uns nicht mehr an." Mit mangelnder Auslastung kämpft man in Breitenau nicht – eher mit dem Gegenteil. "Ich glaube, mein Bruder musste gerade einen großen Auftrag ablehnen", sagt Mauser, "wir kommen sonst mit den Lieferzeiten nicht mehr hin." Aus dem unternehmerischen Glückszustand von einem Mehr an Nachfrage als an Lieferbarkeit wurden die zwei Geschwister nur einmal gerissen, nämlich im Jahr 2009. Damals ließen sie von der Belegschaft die Firma renovieren, anstatt Kurzarbeit auszurufen oder Kündigungen auszusprechen. Die einzig große Sorge, die Mauser heute plagt, ist der Personalnotstand: "Wir könnten auf der Stelle eine Reihe an Fachkräften für Leitungsfunktionen in der Produktion einstellen, aber wir finden hier in der Gegend niemanden", klagt die 55-Jährige.

Wenn ich eines bräuchte ...

Der allürenfreie Pragmatismus mit dem Charlotte Mauser von ihrem Geschäft erzählt ist so erfrischend, dass es mitunter schwer fällt, zum eigentlichen Thema, dem feinen Jaguar zurückzukommen. Mit dem scheint mittlerweile die Beziehung perfekt zu sein: "Das ist ein wirklich cooles Auto – das würde ich mir kaufen, wenn ich eines bräuchte", sagt Frau Mauser. "Man findet sich sofort zurecht, hat sofort Übersicht und es fährt sich prima." Dem ist zur Vollständigkeit hinzuzufügen, was die britische Mittelklassenkatze kostet: Für den 2-Liter-Diesel mit 180 PS nimmt Jaguar in der Basisversion rund 44.000 Euro. Eine opulente Extraliste hat den Preis unseres Testwagens auf gute 60.000 Euro hinaufgeschraubt. Darunter sind durchaus praktische und schöne Dinge wie die teilbaren Rücksitze (511 Euro) oder „Sportsitze in Taurus“ (1.146 Euro). Den Großteil des Aufpreises machen aber digitale Vergnügungen und Nützlichkeiten aus: hier ein Laser-Head-up-Display, dort ein Navi-Paket oder eine elektronische Parkhilfe. Galt es einst als deutsche Autobauertugend, dem rechten Außenspiegel einen Eintrag in der Aufpreis-Liste zu gönnen, stehen die Engländer der kontinentalen Konkurrenz nun um nichts nach. Dafür dürften die Witze über die Qualität englischer Autos seit der Übernahme durch den indischen Tata-Konzern bald historischen Charakter bekommen.

Als wir wieder zurück am Firmengelände sind, werden schon zwei Kabinen auf einen Lkw verladen. Die Chefin im schicken Jaguar macht die Monteure neugierig: "Keine Angst", ruft sie im Vorbeigehen, "der bleibt nicht da, den haben wir nur einmal ausprobiert."