Bildung : Industriellenvereinigung präsentiert Bildungskonzept

„Bildung fängt lange vor der Schule an. Mit der Elementarpädagogik wird das Bildungsfundament gebaut. Sie ist der erste institutionelle Ansatzpunkt zur Potenzial- und Begabungsförderung und der Schlüssel für Chancengerechtigkeit. Elementare Bildungseinrichtungen sind – neben der Familie – entscheidend für die non-formale Bildung von mehr als 270.000 Kindern. Daher muss der bildungspolitische Fokus vermehrt auf dieser so wichtigen Bildungsphase liegen“, so IV-Präsident Georg Kapsch anlässlich der Präsentation des gemeinsamen Elementarbildungskonzepts von IV und Junger Industrie mit der JI-Vorsitzenden Therese Niss.

Auf Basis wissenschaftlicher Expertise hat die IV dabei eine Bildungsstrategie für die Phase bis sechs Jahre entwickelt. „Das Konzept ‚Elementarpädagogik: Beste Bildung von Anfang an‘ ist der vierte Teil des IV-Programms ‘Beste Bildung für Österreichs Zukunft‘ und ein weiterer wichtiger Baustein für ein ganzheitliches und durchgängig gedachtes Bildungssystem der Zukunft“, so Kapsch, der appellierte: „Krippen und Kindergärten sind keine bloßen Betreuungseinrichtungen, sie leisten wichtige Bildungsarbeit. Wir müssen endlich die Elementarpädagogik als eigenständigen, gleichwertigen Bildungsbereich anerkennen.“

Die Vorsitzende der Jungen Industrie unterstützt diese Forderung: „Elementarbildung zahlt sich im wahrsten Sinne des Wortes aus, und zwar für Kinder, Familien, Gesellschaft und Wirtschaft. Denn frühkindliche Bildung verbessert die kognitive Fähigkeiten und das Sozialverhalten der Kinder. Und langfristig kommt es zu volkswirtschaftlichen Nutzeffekten. Jeder in frühe Bildung investierte Euro bringt einen mindestens achtfachen Nutzen“, so die JI-Vorsitzende Niss. Obwohl dies die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung und Verbesserung elementarer Bildungsqualität untermauere, werde immer noch ein vergleichsweise geringer Betrag in diesen Bildungsbereich investiert: „Nur 0,43 Prozent Anteil am BIP, während in anderen Ländern wie Dänemark dreimal so viel in den frühkindlichen Bereich fließt.“

Die realpolitischen Herausforderungen in der Elementarbildung für Österreich sind dabei laut IV und JI evident. „Kompetenzzersplitterung, Kindergartenföderalismus, uneinheitliche Rahmenbedingungen und Qualitätsunterschiede in den Einrichtungen, eine Ausbildung, die nicht den internationalen Empfehlungen entspricht, regionale Personalengpässe in allen Bundesländern, mangelnde Wertschätzung für den Berufsstand oder ein geringes Gehalt der Pädagoginnen und Pädagogen. Der Handlungsbedarf liegt klar auf der Hand. Es braucht endlich inhaltliche und strukturelle Reformen“, bekräftigten Kapsch und Niss.

Das IV-Elementarbildungskonzept beinhaltet sechs zentrale Handlungsfelder mit konkreten Maßnahmenvorschlägen für eine positive Weiterentwicklung des Elementarbereichs in Österreich. Denn „es braucht pädagogische Qualität von Beginn an. Optimale Rahmenbedingungen und Ausbildung in höchster Qualität. Faire Finanzierung und größtmögliche Autonomie. Das Aus für den elementarpädagogischen Bildungsföderalismus und zielgerichtete Investitionen dort, wo diese den meisten Nutzen stiften, nämlich bei den Kindern“, so IV-Präsident Kapsch.

Qualifikation und Ausbildung

Die derzeitige Ausbildungssituation sei unbefriedigend, so Niss, weil sie nicht alle notwendigen Qualifikationen vermitteln könne und viele Absolventinnen bzw. Absolventen sich nicht ausreichend auf den Beruf vorbereitet fühlten. „Wir sind mittlerweile eines der letzten Länder in der EU, das trotz internationaler Empfehlungen keine verpflichtende Ausbildung auf tertiärem Niveau für die Elementarpädagoginnen und -pädagogen vorsieht. Daher braucht es einen Qualifizierungsschub auf allen Qualifikationsebenen und eine gestufte Professionalisierung im gesamten Berufsfeld. Wir stellen uns die BAKIP-Neu als „echte“ BMHS vor, die künftig pädagogische Fachkräfte ohne Berechtigung zur Gruppenführung ausbildet, eine bessere Ausbildung für Assistentinnen bzw. Assistenten und eine schrittweise Akademisierung für gruppenführende und leitende Funktionen sicherstellt,“ konkretisierte Niss.

Dies würde auch die Wertschätzung für den Beruf heben und das Berufsfeld damit attraktiver und diverser machen, denn: „Dass Männer, die sich für einen elementarpädagogischen Beruf interessieren, immer noch belächelt werden, spricht nicht gerade für eine besondere Aufgeschlossenheit. Kein Wunder, dass der Männeranteil in Krippen und Kindergärten nur 1,4 Prozent beträgt. Hier müssen wir unbedingt gegensteuern“, so Niss.

Rahmenbedingungen und Angebot

„Die Qualität der Krippen und Kindergärten darf nicht vom Wohnort abhängen. Aber genau das ist derzeit der Fall. Ein Fleckerlteppich aus unterschiedlichen strukturellen, organisatorischen und pädagogischen Rahmenbedingungen spannt sich quer über Österreich und führt zu mindestens neun unterschiedlichen Gehaltsregelungen, Arbeitsbedingungen, Öffnungszeiten, Betreuungsschlüssel, Gruppengrößen, Räumlichkeiten, Elternbeiträgen und damit auch pädagogischen Qualität“, kritisierte die JI-Vorsitzende.

Sie appellierte daher dafür, bundesweit einheitliche und gesetzlich verbindliche Standards auf höchstem Niveau für Qualität und Rahmenbedingungen in den Einrichtungen zu schaffen. „Ein Bundesrahmengesetz – und damit die Bundeskompetenz für Elementarbildung bzw. -pädagogik –, das für ganz Österreich eine optimale Förderung aller Kinder, optimale Arbeitsbedingungen für die Pädagoginnen bzw. Pädagogen und verlässliche Angebote für die Eltern schafft, ist längst überfällig. Außerdem braucht es im Sinne der Vereinbarkeit dein ausreichendes Angebot für die Eltern in hoher Qualität und mehr Flexibilität bei der Errichtung von Betriebskindergärten. Erst vergangene Woche hat eine WIFO-Studie wieder einmal den Nachholbedarf bei Sachleistungen festgestellt.“

Pädagogik und Bildungsinhalte

„Die Industrie will keine Verschulung des Kindergartens sondern eine kindgerechte, inklusive, vielfältige Pädagogik, die den spielerischen Zugang wahrt und ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen für alle Kinder ermöglicht“, stellte IV-Präsident Kapsch fest. Gleichzeitig sei klar, dass gute inhaltliche Bildungsarbeit im Hinblick auf Ressourcen- und Kompetenzorientierung qualifizierte Fachkräfte und geeignete strukturelle und organisatorische Rahmenbedingungen brauche.

Dies zeige sich auch im Bereich der Sprachbildung, wobei die Kindergärten keinesfalls auf Sprachförderung und Integration reduziert werden dürften. „Wichtig sind die Rahmenbedingungen für das Erlernen von Deutsch als relevante Bildungssprache, aber gleichzeitig die Wertschätzung von Mehrsprachigkeit.“ Basis für individuelle Fördermaßnahmen, Sprachbildungsaktivitäten und die Unterstützung beim Übertritt in die Schulphase sind Entwicklungsstandsfeststellungen als Beobachtungsinstrumente und Portfolios über den Entwicklungsstand.“

Übergänge und Bildungspflicht

„Übergänge bringen Herausforderungen und Chancen. Krippen und Kindergärten haben dabei eine Schlüsselposition. Sowohl beim Eintritt von der Familie in die Krippe als auch beim Übertritt vom Kindergarten in die Schule braucht es eine gut begleitete Eingewöhnung und ebenso gut begleitete Übergänge. Und positive Bildungseffekte in der Elementarphase verpuffen, wenn die anschließende Schulqualität nicht stimmt. Eine kontinuierlich verlaufende Bildungsbiografie braucht daher erfolgreiche Übergänge und keine Brüche“, bekräftigte Kapsch. In diesem Sinne sei auch die neue Basisphase von Vier bis Sechs zu verstehen: Alle Kinder sollten die letzten beiden Kindergartenjahre als Teil der Bildungspflicht im Kindergarten absolvieren.

„Davon können jährlich über 6.000 Kinder in ganz Österreich, besonders aber in Wien profitieren. Außerdem müssen die Übergänge vom Kindergarten in die Volksschulen besser gestaltet und die Schulreifefeststellung neu gedacht werden. Die Basisphase mit der Schulphase zu einer gemeinsamen Einheit zu verknüpfen, ist die große Vision. Als bildungstypenübergreifendes Lernen in offenen Lernformen und gemeinsamer Verantwortung von Kindergarten und Schule“, so Kapsch weiter.

Kompetenzen und Finanzierung

„Wir müssen endlich die strukturellen Herausforderungen lösen und das Wechselspiel systemischer ‘Unzuständigkeiten‘ beseitigen. Daher braucht es die Bundeskompetenz für Elementarbildung im Bildungsressort“, forderte der IV-Präsident: „Damit wird ein Verständnis aller Institutionen für die gemeinsame Verantwortung der Bildungsbiografie aller Kinder aufgebaut.“

Kindergärten und Krippen sollten außerdem Teil eines neuen Bildungsmanagements werden, mit schlanker Verwaltungsstruktur, akkreditierten Bildungsträgern, großer Autonomie für die Einrichtungen und einer fairen Finanzierung durch den Bund. Und weiter: „Kehren wir das Finanzierungsprinzip um: Je früher die institutionelle Bildung beginnt, umso weniger soll sie für die Eltern kosten. Fehlende elementare Grundlagen können nur schwer und mit hohen Kosten wieder aufgeholt werden. Keinem Kind darf daher aus Kostengründen die Inanspruchnahme elementarer Bildung verwehrt werden“, so Kapsch abschließend.