Industriedesign : Industriedesign bei Investitionsgütern: Aus Liebe zum Detail
Es dürfte wohl nur wenige geben, die noch nie den Sessel „Wassily“ aus der Feder Marcel Breuers gesehen haben. Die Vase „Porzellan“ von Lyngby Porcelæn oder vielleicht auch „La Michetta“ von Gaetenano Pesce, einer Couchlandschaft, bei der man sich nie so ganz einig ist, ob der Designer sich eher von Legosteinen inspirieren ließ, oder von Backwaren.
Bei diesen und ähnlichen Elementen handelt es sich fraglos um Meilensteine des Industriedesigns. Allerdings eines Industriedesigns, das sich nur mit Konsumgütern befasst. Dabei hat es seine Vorzüge, auch bei Investitionsgütern direkt im Betrieb nicht nur auf ingenieurstechnische Notwendigkeiten zu setzen, sondern mehr Harmonie anzustreben.
1. Eine pure Schönheit für sich(?)
Der geneigte Leser kann sich an dieser Stelle auf einen geistigen Rundgang durch „seinen“ Industriebetrieb begeben. Wir sehen Maschinen, Installationen, Werkzeuge. Sie alle haben nur einen einzigen Zweck: Die ihnen zugemessene Aufgabe so schnell, präzise und kostengünstig wie möglich zu verrichten.
Es handelt sich um Apparaturen, für die nur ein einziger Personenkreis verantwortlich zeichnet: Ingenieure. Nichts daran ist Zierde, nichts ist überflüssig, alles, was diese Maschinen ausmacht, ist nur dort in der Form vorhanden, weil es exakt so benötigt wird, um seine Aufgaben zu erfüllen.
Denken wir an einen simplen Rollgabelschlüssel: Er ist – aus Designersicht – absolut „pur“. Die Sicken in seinem Griff dienen der Verstärkung, die Rändelung in der Verstellwalze nur dazu, dem rutschigen Daumen eine griffige Oberfläche zu geben.
Für nicht wenige Menschen ist diese strengste Version von „Form follows Function“ eine Ästhetik für sich – Schönheit durch Abwesenheit von Zierde. Nichts anderes also, was auch zufällig von vielen Vorreitern der klassischen Moderne angestrebt wurde – Weg mit dem „Zierrat“, das gute Aussehen kommt schon von alleine, wenn das Produkt funktionell ist. Allerdings: So pur wollten es die wenigsten.
2. Wenn Bauhaus ins Spiel kommt
Denken wir uns abermals kurz zurück in die Werkshalle. So befriedigend es zweifelsfrei sein mag, gutkonstruierten Maschinen bei ihrer Arbeit zuzusehen, so sehr ist es doch auch eine Tatsache, dass es dabei oft allzu „technokratisch“ zugeht. Der Mensch, der immer zu diesen Maschinen dazugehört, kommt zu kurz.
Genau das war auch ein Dorn im Auge vieler Anhänger der klassischen Moderne und ist einer der wichtigsten Grundgedanken hinter der Bauhaus-Philosophie: Technisch, ja. Schnörkellos, ja. Aber dennoch davon ausgehend mit einem gewissen künstlerischen Anspruch versehen, die dem nutzenden bzw. hier arbeitenden Menschen eine ehrliche Form von Harmonie an die Hand gibt.
Genau hier verbirgt sich ein häufig vorkommender Irrglaube: Viele Laien, sogar einige Fachleute sind der Ansicht, dass das Bauhaus ein Verfechter der erwähnten puren Form-follows-Funktion-Philosophie gewesen sei. Eine falsche Sicht auf die Dinge – in Wahrheit sagte bereits Bauhaus-Gründer Walter Gropius folgendes:
„Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das
traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse
über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen.“
Und er war dabei auch noch sehr konkret:
„Nur vollkommene Harmonie in der technischen Zweck-Funktion
sowohl wie in den Proportionen der Formen kann Schönheit hervorbringen.
Und das macht unsere Aufgabe so vielseitig und kompliziert.“
Oder, ungleich simpler ausgedrückt: Industriedesign muss immer ausgewogen sein zwischen technischen Anforderungen auf der einen, aber den menschlichen auf der anderen Seite.
3. Vom Menschen für Menschen
An diesem Punkt wagen wir einen Zeitsprung von den Anfängen des Bauhauses in die Industrie des Jahres 2020. Konkret auf die wichtige Frage, warum es sich lohnen kann, hier für mehr zu sorgen als nüchterne Funktionalität.
Die Antwort darauf ist zunächst der Mensch in seiner Eigenschaft als nach wie vor hochnotwendiger Mitarbeiter in Industriebetrieben. Wir befinden uns an einem Punkt, an dem bei uns in Österreich nicht weniger als 220.000 Fachkräfte fehlen. Um das in ein Verhältnis zu setzen: Es sind 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung unseres Landes.
Und um diejenigen anzulocken und zu halten, die vorhanden sind, muss nachgerade (beinahe) jedes Mittel recht sein. Das, was Arbeitskräfte dabei immer wieder angeben, was sie suchen, ist eine „angenehme“ Arbeitsumgebung. Viele interpretieren das als einen Wunsch nach Teilhabe, gutem Gehalt, nettem Arbeitsklima. Doch das ist nur ein Teil. Und das bringt uns direkt zum Industriedesign: Es ist auch wichtig, dass sich diejenigen, die Tag für Tag an den Maschinen stehen, dort wohlfühlen.
Warum etwa arbeitet ein Hersteller von Maschinen- und Geräteverkleidungen, wie Schinko GmbH aus Neumarkt im Mühlkreis mit nicht weniger als fünf namhaften Industriedesignern zusammen? Weil es auch in der Industrie eine immer stärkere Nachfrage nach Geräten, Produkten, Arbeitsmitteln gibt, die nicht einfach nur „quadratisch, praktisch, gut“ sind, sondern darüber hinausgehen, ohne zum Zierrat-überladenen Pseudokunstwerk zu werden
Doch Mitarbeiter bzw. ihre Arbeitsumgebung sind nur ein Teilgrund.
4. Identität durch Details
Praktisch jeder Industriebetrieb hat Konkurrenten. Wenn nicht direkt in Österreich oder Rest-Europa, dann auf irgendeinem anderen Kontinent – eine der Realitäten der Globalisierung.
Doch was bedeutet das auch? Es wird immer wichtiger, sich zu profilieren, sich eine distinktive, eigenständige Identität zu geben. Auch hier gibt es einen Irrglauben: Viele sind der Ansicht, dass sich das Thema Corporate Identity nur auf einheitliche Briefköpfe, Logos und Mitarbeiterkleidung in Corporate-Farben beschränken würde.
Auch das ist falsch. Corporate Identity ist nur ein Dachbegriff für mehrere Disziplinen. Und zu dem darin integrierten Corporate Design gehört eben auch das Design bei den Produktionsmaterialien.
Anders ausgedrückt: Es wäre reichlich falsch, das Bürogebäude, die Leuchtreklame, die Briefköpfe und die Webseite nach allen Regeln der Corporate-Design-Kunst gestalten zu lassen, aber am Tor der Werkhallen damit aufzuhören.
Corporate Design ist ein ganzheitlicher Philosophie-Ansatz – abermals tritt hier der Mensch aufs Tableau: Denn sowohl für die Mitarbeiter wie die Kunden hat gutes Industriedesign in den Werkhallen einen echten Mehrwert für die Identifikation.
Nehmen wir das Beispiel Apple: Das Unternehmen aus Cupertino ist nicht nur deshalb so erfolgreich, weil es technisch gute Produkte hat. Es ist vor allem dort, wo es heute ist, weil es eine bedingungslose Design-Philosophie aufgestellt hat, die sich noch inmitten seines Hauptquartiers, dem Apple Park (ehemals Apple Campus 2) in jeder Ecke zeigt.
Und tatsächlich kann sich jedes Industrieunternehmen an einer derart konsequenten Durchführung ein Beispiel nehmen – denn sie ist ein unglaublich wichtiger Teilgrund dafür, dass diese Marke seit über 15 Jahren eine der profitträchtigsten und bei Kunden wie Mitarbeitern beliebtesten der Welt ist.
Zusammengefasst
Ein gut designtes Werkhallen-Interieur ist weit mehr als sinnlose Schnörkelei. Es ist ein zentraler Punkt, in einem harten Umfeld einen lebenswerten Arbeitsort zu erschaffen. Und darüber, seiner Marke, ganz gleich wie dicht die Konkurrentenschar auch gesät sein mag, eine eigenständige Note zu verleihen, die zum Zünglein an der Waage für die Entscheidung für oder gegen diese Firma werden kann.