Produktdesign : Industrial Design: Schöner produzieren

© moodley

Gutes Design? Darüber lässt sich diskutieren. Sogar leidenschaftlich, wie Daniel Huber es tut. Seine Welt ist der Purismus, die klare Linienführung, mit seiner Formensprache hat der Designer – inspiriert von der Kunstschule Bauhaus – eigene Designprinzipien kreiert. Und dann gibt es da die Sprache der Ingenieure. In deren Augen gewann Technik lange Zeit woanders an Schönheit: im Datenblatt. Dann, wenn ein Vorgängermodell oder die Mitbewerbermaschine leistungsmäßig übertrumpft wird. „Nicht umsonst galten Techniker den Designern als Spaßbremse“, erzählt Huber, der 1993 die Agentur Spirit Design ins Leben rief und im Vorjahr mit der Grazer Agentur Moodley den neuen Geschäftsbereich Industrial Design mit aktuell 15 Mitarbeitern begründete. Doch Anfang der 2000er-Jahre brach der Branchen wie dem Maschinenbau lange nachgesagte Konservatismus auf. Plötzlich dürften auch achsgetriebene Zerspanungsmaschinen „mit ihrem Design emotionalisieren – oder gar polarisieren“, wie der gebürtige Salzburger bei einer Jahrestagung des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenbauer im Juli 2015 in Frankfurt feststellen durfte. Dort sei der Appell des Gastgebers an seine Mitglieder des Maschinenbaus überdeutlich gewesen, „zu einer mutigeren Designsprache zu finden“, erinnert sich Huber, den mit 14 die vollendeten Formen eines Bertone Concept Cars in die Designerwelt zogen.

Mitsprache bei Produktfunktionalitäten

Nicht nur, um dem Auge – von immerselben Industriedesigns erschöpft

– Gutes zu tun. Der Geist der 80er, als dem Designer noch die Rolle des Stylisten zugefallen und er stets dann gerufen worden sei, „wenn vor Marktstart Zeit für die Aufhübschung einer Entwicklung war“ (O-Ton Huber), sei längst durch eine schlagkräftigere Zusammenarbeit aus Konstrukteuren und Designern abgelöst worden. „Heute sind wir Designer frühzeitig an Bord“, sagt Huber. Und greifen auch in Produktfunktionalitäten ein. Integrierte Marken- und Produktentwicklung nennt Huber das, und bedient sich dabei des Design-Thinking-Ansatzes. Schon für den Kunden ÖBB entwickelte er eine solche für den Fernverkehrsreisezug Railjet. Die Arbeit seiner Mannschaft umfasste das Design der Passagierraumaufteilung, die Integration eines schlüssigen Cateringsystems bis hin zur Gestaltung der gesamten Markenwelt.

Redesigns für Maschinen

Mehrere Projekte aus dem heimischen Maschinenbau, die Daniel Huber noch bei Spirit Design realisierte, veranschaulichen das. Bei allen sei es um komplette Redesigns gegangen, nicht nur darum, „lifestyligere Maschinen zu schaffen“ (O-Ton Huber). Etwa jenes mit dem italienischen Anlagenbauer Comec. Italienische Vorliebe für Gimmicks, Zierelemente, den einen oder anderen gutgemeinten Maschinen-Manierismus – all das fand sich in der Steinbrecherserie R-T-M-V bisher nicht. „Abgesehen von der Farbe sahen die Anlagen denen des Mitbewerbs äußerlich zum Verwechseln ähnlich“, so Huber. Das Redesign – es folgte 2016 auf eine penible Mitbewerber- und auch Wertanalyse – wirkte hier Wunder. Material wurde eingespart. Verstärkungselemente vereinheitlicht. Auch beim Seitenstettener Glasbearbeitungsmaschinenhersteller Lisec wurde – Jahre nach dem Tod des Gründers Peter Lisec – der Formensprache der Maschinen ein neues Design verpasst. Um „klare Linien“ ging es Huber wiederum. Und Attribute wie „Stabilität“, „Hightech“ und „Zuverlässigkeit“, die dem Kunden beim Anblick der Maschinenlinien in den Sinn kommen sollen. „Auch wenn die Maschine in der Fertigung von anderen genutzten Produkten des Mitbewerbs absticht, hat man aus Storytelling-Sicht schon einiges gewonnen“, ist Daniel Huber überzeugt. Und zumeist ließen sich Designelemente wie runde Überhänge auch produktions- seitig – und ohne aus dem Ruder laufenden Kosten – gut bewältigen.

Renommierprojekt mit Siemens

Am Moodley-Industrial-Design-Sitz in der Lehárgasse 7 – einst Sitz des österreichischen Telegrafenamts, am Dachhimmel findet sich heute eine Skulptur von Erwin Wurm – schafft Hubers Team auf 600 Quadratmetern Usability für die Jetztzeit und die Zukunft – oder anders gesagt: Design-Driven Innovation. Deutlich wird der produktgestalterische Anspruch in einem aktuellen Projekt (One4All) mit Siemens. Kreiert wurde ein neuartiges Konzept für intermodale Mobilität. Sogenannte EXO-Units, Standardeinheiten für Personen- und Cargotransport, die Huber als „fahrbare Köfferchen“ umschreibt, sollen schienen- oder straßengebunden – aber auch per Drohne oder Seilbahn – kombiniert den Städteverkehr der vielleicht etwas ferneren Zukunft bilden.

Live-Tests der Gesamtergonomie

Dabei heißt es für die Designer häufig, das Produkt von Grund auf zu verstehen. „Es braucht Designer mit Technikverstand“, meint Moodley-Industrial-Design-Chef Daniel Huber. Wie sehr gutes Design in die Prozesswelt greift, sieht man beim Kunststoffrecyclingmaschinenbauer Erema. Für eine besonders erfolgreiche – und am Markt entsprechend viel- beachtete – Maschinengeneration erstellte Hubers Team nicht nur das Design für den Maschinenkorpus. Auch das Bedienterminal erhielt eine Auffrischung. Live-Einsätze dürfen die Designer ebenfalls nicht scheuen. Ein Beispiel ist das Design des Rosenbauer-Kommunallöschfahrzeugs AT. Um die Gesamtergonomie zu testen, „fuhren wir bei simulierten Einsätzen im schweren Atemschutz am Fahrzeug mit“, heißt es bei Moodley. Immer öfter gibt – neben den Technikern – das Marketing eines Unternehmens den Anstoß für Designänderungen, etwa wenn der Mitbewerb auf Abstand gehalten werden soll oder eine Industriemesse näher rückt. Am Ende aber gilt immer: „Es braucht den Sanktus des Vorstands und seiner engsten Berater“, sagt Huber.

Expansion

Hat man den in der Tasche, stehen die Chancen gut, die Formensprache des neuen Produkts auf eine größere – vielleicht sogar die ganze – Produktpalette übertragen zu dürfen, um eine Corporate Identity zu schaffen. Bei Rosenbauer geschah dies etwa mit dem Transfer von Panther-Designelementen auf die Linie Kommunallöschfahrzeuge. Apropos Transfer: Kürzlich eröffnete Moodley in Oslo sein sechstes Büro. Ziel: weitere Kreativpotenziale – Stichwort nördliche Schlichtheit – zu heben. Ein Gegensatz zur Lässigkeit der Südländer. Aber auch zu Österreich, einer „emotionalen Wetterscheide“, so Huber.