Pandemiebewältigung : Impfpflicht und die Industrie: "Es ist alternativlos"

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© Tobias Steinmaurer / picturedesk.com

Für Andreas Brandstetter schien die Sache schon Mitte November klar. Die Schuld an dem "Schlamassel", in dem man nun mit "durch die Decke schnalzenden" Corona-Fallzahlen stecke, trage die Politik mit ihrem "Hin- und Herlavieren im Corona-Management", sagte der Uniqa-Chef wenige Tage vor dem Start des vierten landesweiten Lockdowns in einem Online-Auftritt im Klub der Wirtschaftspublizisten sichtlich aufgebracht. Nachvollziehbar, denn unter sein Unverständnis darüber, dass die Politik zu zögerlich dem Rat von Virologen folge, mischte sich Ärger, dass beim Thema Impflicht offenbar auf Wählergruppen geschielt werde.

Ja, impfen sei eine zutiefst persönliche Sache, so Brandstetter. Er sei dennoch für eine Covid-Impfpflicht, "sonst wird uns das Thema in den nächsten Jahren weiter begleiten". Damit vertritt er eine Überzeugung, die in Teilen der Industrie gar nicht erst salonfähig werden muss. Eine Reihe von Spitzenmanagern sehen diese als unumgänglich. Darunter der Siemens-Österreich-CEO Wolfgang Hesoun (siehe Interview ab Seite 18), der nicht versteht, warum es in einer Pandemie anders als im Straßenverkehr zugehen sollte. Auch dort gebe es gesetzliche Regeln für Gefährer. "Es handelt sich bei der Impfung eben nicht um reine Eigenschutzaktionen", sagt Hesoun.

Um eine Facette reicher

Eine Position, der sich, wie man nun weiß, eine neue Facette hinzufügen lässt. So plädierte die IV im "profil" dafür, auch wirtschaftliche Aspekte in der Diskussion über eine Impfpflicht zu berücksichtigen. "Wenn Fachkräfte aus Österreich in andere Länder wegziehen würden, wo es keine solche Pflicht gibt, würde das der Volkswirtschaft Schaden zufügen und in weiterer Folge Arbeitsplätze gefährden", heißt es aus der IV. Ein Fachkräfte-Exodus in Länder ohne Impfpflicht und Produktionsausfälle also, die den Aufschwung gefährden könnten, so die Industriellenvereinigung. Ein Standpunkt, der selbst in der IV umstritten ist. Thomas Salzer, Chef der IV-Niederösterreich, forderte schon Anfang November eine Impflicht.

„Knapp 12.000 Neuinfektionen zeigen: Es ist fünf nach zwölf. Die Politik muss jetzt reagieren“, sagt Salzer. Dabei gehe es nicht nur darum, den wirtschaftlichen Schaden einzudämmen und Arbeitsplätze abzusichern, sondern „angesichts der aktuellen Situation muss die Politik eine Impfpflicht verordnen, um das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren und jene Menschen zu schützen, die sich nicht impfen lassen können – etwa Kinder und all jene, die aus medizinischen Gründen keine Impfung in Anspruch nehmen können“. Und: Es könne nicht sein, dass Notoperationen und andere wichtige medizinische Eingriffe nicht möglich sind, "weil wir so viele Impfverweigerer im Land haben“, so der IV-Niederösterreich-Präsident.

Keine Sorge vor Insolvenzwelle.

Zumindest was den vierten Lockdown betrifft, sieht Oberbank-Chef Franz Gasselsberger keinen Anlass zu übermäßiger Sorge um die heimische Industrie. Dass es wegen des Shutdowns zu vermehrten Insolvenzen kommen könnte, glaubt er nicht. Die Herausforderungen für die Betriebe lägen eher in den längerfristigen Effekten der Coronakrise wie dem Mangel an Rohstoffen, steigende Preise für Materialien und Energie sowie im Fachkräftemangel. "Ich glaube, es trifft die Industrie nicht unvorbereitet", sagte der Bankchef zur APA. Ein Lockdown komme zwar immer kurzfristig, dass es dadurch aber nun zu vermehrten Unternehmensausfällen kommt, glaubt Gasselsberger nicht. "Nein, die Insolvenzen werden nicht steigen", so der Bankchef. Man sehe derzeit lediglich eine Normalisierung, sei aber immer noch weit weg vom Vor-Corona-Niveau 2019.

Personalthema virulent.

Auch bei den Kreditrisikokosten der Bank gebe es momentan keine Anzeichen für vermehrte Ausfälle. Allerdings seien die Vorsorgen derzeit "abnormal niedrig", die weitere Entwicklung wolle er daher gut im Auge behalten. "Es wäre gefährlich, nicht an die künftigen Risikovorsorgen zu denken", so Gasselsberger. Derzeit seien die Auftragsbücher der Firmenkunden voll, nur die Produktion komme nicht immer nach. Gründe dafür gebe es mehrere. Zum einen sei das Personalthema bisher zu wenig auf der Agenda gewesen, so Gasselsberger. Man müsse berücksichtigen, dass in den Betrieben mittlerweile drei bis 10 Prozent der Mitarbeiter infiziert oder in Quarantäne seien. Hinzu komme ein seit längerem bestehender Facharbeitermangel sowie höhere Preise und ein Mangel bei Rohstoffen und Materialien.

"Das macht den Unternehmen doch sehr zu schaffen", so Gasselsberger. Wie lange die Probleme mit den Lieferketten noch bestehen bleiben, sei nicht genau abschätzbar. Laut Basisszenario der Oberbank werde sich die Lieferkettenproblematik aber im Laufe des kommenden Jahres nach und nach auflösen. Es gebe aber auch Kunden, die eine längere Dauer bis ins Jahr 2023 hinein erwarten, so Gasselsberger.

Inflationsgespenst?

Ähnlich verhält es sich mit der Inflation. Diese werde zwar wieder etwas von ihrem derzeit hohen Niveau herunterkommen, der Oberbank-Chef rechnet aber in den nächsten zwei Jahren weiterhin mit einer durchschnittlichen Teuerung von rund drei Prozent - vor allem wegen höherer Kollektivvertrags-Abschlüsse und höherer Rohstoffpreise. Im Kampf um gute Facharbeiter werden laut Gasselsberger vor allem solche Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil haben, die rechtzeitig in eine gute Führungskultur und in Nachhaltigkeit investiert haben. Die Unverwechselbarkeit eines Konzerns werde in Zukunft wichtiger sein, um ausreichend Mitarbeiter zu bekommen.