Logistik : Im Sinkflug

Zu Alarmismus neigt Davor Sertic eher nicht. Die Transportpreise sind im Keller? "Ja, das sind sie, und sie können durchaus noch weiter sinken", sagt der Geschäftsführer der Unitcargo. "Aber es geht nun einmal nicht romantisch zu in der Wirtschaft." Ähnlich nüchtern beantwortet Sertic die vorsichtige Frage nach einer Prognose. Die wirtschaftlichen Daten sehen aus Sicht der Speditionen ja gar nicht so schlecht aus, sagt er: Das erwartete BIP-Wachstum von 1,4 Prozent ist nicht berauschend, aber immerhin ist es Wachstum. Auch Exporte und Importe dürften mit jeweils rund 3 Prozent wachsen.

Das korrespondiert mit dem vor wenigen Tagen veröffentlichten "Transport Market Monitor" von Transporeon und Capgemini, der sich mit den Transportpreisen erstaunlich zufrieden zeigt und erwartet, dass "bei einer potenziell steigenden Kapazitäts-Nachfrage im letzten Jahresquartal eine Stabilisierung der Preise auf dem Niveau voraussichtlich möglich" sei.

Der Haken dabei, sagt Davor Sertic: Ordentliche Exporte verlangen nach ordentlichen Warenpreisen – und die beinhalten eben auch den Transport. Der entsprechende Druck seitens der Kunden steige potenziell weiter und, entgegen aller anderslautenden Gerüchte, entscheide in der Phase der Shortlist letztlich immer nur der Preis über die Auftragsvergabe. Die Speditionen reagieren darauf seit Jahren mit Optimierung. Ein Druck, der die Branche auch kreativ hielt, anerkennt Sertic: Lkw-Leerkilometer zum Beispiel wurden in den vergangenen Jahren immer erfolgreicher minimiert. "Doch die Kreativität ist ausgeschöpft. Da wir die Preise nicht in die Höhe bekommen werden, ist der logische nächste Schritt eine Marktbereinigung. Die wird definitiv demnächst einsetzen."

Frage des Portfolios

Selbst wer es nicht ganz so pessimistisch sieht, wagt derzeit keine konkreten Preisprognosen. Denn abgesehen von Imponderabilien wie der Ölpreiskurve – und der spannenden Frage, ob die Carrier steigende Ölpreise jemals wieder in ihren Verträgen unterbringen können – spielen regionale Entwicklungen im Straßentransport eine entscheidende Rolle. "Die Frachtpreise sind derzeit extrem abhängig von den Relationen, also auch vom Portfolio der Speditionen", betont Gefco-Österreich-Chef Peter Vanek. In den Deutschland-Verkehren sei es etwa derzeit extrem schwierig, Rückladungen in Richtung Österreich zu finden. Daher ist es kaum möglich, Rundläufe zu organisieren. Die Preisentwicklung ist entsprechend. In Polen hingegen gingen die Preise zuletzt steil nach oben: "Polen hat derzeit eine äußerst starke Konjunktur in der Produktion. Für Österreich ist Polen daher derzeit ein sehr teurer Markt", erzählt Vanek. Mit generell steigenden Transportpreisen rechnet er jedenfalls ebenfalls nicht so bald.

"Easy going wird das nicht"

Gibt es wenigstens in der Seefracht Licht am Ende des Tiefpreistunnels? Im Herbst 2015 wurde eine historische Marke unterschritten: Der World Container Index für die Route Shanghai–Rotterdam fiel unter 500 US-Dollar für den 40-Fuß-Container. Ein deutlicheres Zeichen für den Zustand der Transportpreise auf See ist (bislang) kaum denkbar. Wie es im kommenden Jahr weitergeht? Alexander Till, Österreich-Repräsentant von Hafen Hamburg Marketing und Regionalobmann des Verein Netzwerk Logistik, wagt ebenfalls keine konkrete Prognose, aber: "Easy going wird 2016 jedenfalls nicht. Der Verdrängungswettbewerb zwischen den Standorten wird sich wohl eher verschärfen." Um das eklatante Delta zwischen verfügbarem Frachtraum und transportierten Mengen zu verkleinern und damit die Frachtpreise wieder in die Höhe zu bekommen, müssten mehrere Entwicklungen einsetzen, die sich derzeit eher nicht abzeichnen.

Dass der weltweite Containerverkehr auch zuletzt weiter wuchs, hilft zumindest Europa wenig: Das Wachstum geschieht in erster Linie innerhalb Asiens. "Der weltweite Handel steigt", sagt Alexander Till, "nur leider nicht bei uns." Bei der Einschätzung der Transportpreisentwicklung in der Seefracht hilft ein Blick darauf, wie sich Reedereien und Häfen verhalten:

• Die weltweite Flotte der Linienreeder besteht derzeit (November 2015) aus 6.092 Containerschiffen mit 20,3 Millionen TEU. In den Orderbooks stehen weitere 337 Schiffe mit 3,55 Millionen TEU – ein im Vergleich äußerst geringer Wert.

• Der Trend zu großen Reederei-Allianzen hielt auch im Jahr 2015 an.

• Interessant ist ein Blick auf die Entwicklung der Schiffstypen. Die ab 2006 gebauten Schiffe der Emma-Maersk-Klasse schneiden im Verbrauch bereits deutlich schlechter ab als jene der seit 2012 gebauten Triple-E-Klasse (2,7 ver- sus 2,1 Liter pro TEU und 100 km). Die seit heuer im Markt befindliche Olympic-Serie der MSC verbraucht nicht einmal mehr 1,5 Liter. "Innerhalb von nur neun Jahren ist das ein ungewöhnlich großer Unterschied", sagt Alexander Till, "und dass die Reedereien immer stärker auf die für Slow-Steaming optimierte derzeit größte Schiffsklasse der Welt setzen, zeigt auch, wie sie die kommenden Jahre einschätzen."

• Auch die Hafen-Statistiken zeigen, dass die Anläufe der Riesenschiffe mit Kapazitäten bis über 18.000 TEU deutlich am stärksten steigen. "Diese Schiffsklasse funktioniert aber nur, wenn sie auch ausgelastet ist", betont Till. "Und genau hier haben die Reedereien ein riesiges Problem: Die Volumina sind derzeit einfach nicht da, die Schiffe nicht ausgelastet."

• Die "Hausaufgaben" bei der Kapazität sind jedenfalls erledigt: Alleine die Häfen der Nordrange dürften ihre Kapazitäten bis 2020 auf knapp 80 Millionen TEU erhöhen. Ein ähnliches Bild bei den Bahnterminals: Die österreichischen Containerterminals etwa verfügen über Kapazitäten von rund 2,67 Millionen TEU – die im maximalen Ausbau fast 4,5 Millionen erreichen könnten.

All dies dürfte wenig nützen, wenn keine Fracht auf den Markt kommt. Die globale Konjunkturentwicklung gibt aktuell wenig Anlass zur Hoffnung, und hinzu kommen Einflussfaktoren wie etwa der Ölpreis. Der ist derzeit genauso im Keller wie die Frachtraten. Die Importschwäche Europas könnte laut Alexander Till sogar eine besonders bizarre Folge haben: "Uns könnten hier erstmals die Leercontainer ausgehen."