Interview mit Klaus Schierhackl : „Ich vertrete hier kein Glaubensbekenntnis. Ich interpretiere Fakten“

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Herr Schierhackl, können wir kurz über die Gigaliner sprechen?

Klaus Schierhackl: Sicher, obwohl Sie da von mir nichts Überraschendes hören werden.

Der Abschlussbericht zum deutschen Gigaliner-Feldversuch bestätigt aber doch immerhin viele der Argumente der Befürworter.

Schierhackl: Er bestätigt vor allem eines: die Argumente, die seitens der ASFINAG seit Jahren vorgebracht werden. Die Probleme mit zu kurzen Abstellmöglichkeiten und Tunnel-Pannenbuchten sind völlig ungelöst. Und das Thema Unfälle kommt im Bericht ja fast überhaupt nicht vor. Haben Sie schon einmal einen verunfallten Sattelschlepper auf der Autobahn erlebt? Es kann vorkommen, dass man mehrere Stunden braucht, um die Straße wieder befahrbar zu machen, das ist wie ein Korken für den Verkehrsfluss. Und jetzt stellen Sie sich das mit einem 25 Meter langen Lkw in einem Tunnel vor! Aus der Sicht der ASFINAG sind diese Fahrzeuge ein Risiko für Verkehr und Sicherheit.

Mehr Ladevolumen und damit weniger Spritverbrauch und CO2-Ausstoß beeindrucken Sie also nicht?

Schierhackl: Die Gigaliner werden doch nur aus einem Grund seit Jahren gepusht: Vergrößerte Kapazitäten, geringerer Treibstoffverbrauch und geringere Personalkosten würden zweifellos den Straßentransport attraktiver machen. Sonst hätten Gigaliner ja keinen Sinn. Selbstverständlich käme es zu einem Sinken der Transportpreise und damit zu mehr Fracht auf der Straße. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik und die Bevölkerung das wollen. Der Abschlussbericht bestärkt uns eher noch in unserer Meinung. Ich vertrete hier kein Glaubensbekenntnis. Ich interpretiere Fakten.

Apropos Fakten: Die ASFINAG wird in diesem Jahr rund 1,2 Milliarden Euro investieren. Mit welchen Schwerpunkten?

Schierhackl: 320 Millionen Euro gehen heuer allein in die Tunnelsicherheit. Wir müssen unsere Tunnel bis 2019 so ertüchtigen, dass sie den entsprechenden EU-Regelungen Genüge tun. Im Zentrum stehen hier Pyhrn-Autobahn und Arlberg-Schnellstraße. In den Jahren danach werden wir den Fokus auf die Brücken richten.

Investitionsschwerpunkte sind auch wichtige Neubauprojekte wie die S 7, S 36, S 3, der Weiterbau der A 5 oder auch Sanierungsarbeiten auf der A 23. Nach 2017 sind der Lückenschluss der Wiener Außenring-Schnellstraße sowie der Linzer Westring für uns elementar.

Lobau-Tunnel und Linzer Westring werden gerade zur unendlichen Geschichte. Wie ist der aktuelle Stand?

Schierhackl: Beide Projekte sind jedenfalls höchst notwendig und dringend. Der Lückenschluss der Umfahrung Wien wird Tangente, Marchfeld und die Wiener Donaustadt massiv entlasten, und der Westring wird die Verkehrslage in Linz deutlich verbessern. In beiden Fällen sind UVP-Bescheide derzeit beeinsprucht, in Linz auch Bescheide für Wasserrecht und Naturschutz. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Gericht für die Umfahrung von Linz noch vor dem Sommer entscheidet und somit Rechtssicherheit für eine Bauausschreibung herrschen sollte.

Wie geht man eigentlich damit um, dass Projekte, an denen man arbeitet, permanent gestoppt werden?

Schierhackl: Das Hauptproblem ist, dass Projekte im ewigen Genehmigungslauf irgendwann den letzten Stand der Technik verlieren und daher auch adaptiert werden müssen. Aber ich gebe schon zu, dass massive Verzögerungen für unsere Projektverantwortlichen manchmal zu einem Motivationsthema werden.

Ich möchte da nicht missverstanden werden: Es ist gut, dass die gesetzlichen Möglichkeiten vor allem die Gegner eines Projektes unterstützen. Und selbstverständlich darf man etwa den Wert des Grundwassers nicht gegen den Wert reibungslosen Verkehrs ausspielen. Aber ich konstatiere, dass der Projektwerber, in diesem Fall also wir, einen relativ geringen Schutz genießt.

Die ASFINAG vergibt ihre Aufträge seit 2015 nach dem Bestbieterprinzip. Bewährt sich das?

Schierhackl: Ja, das hat sich gut etabliert. Wir haben mittlerweile einen Katalog mit 31 Qualitätskriterien wie Lehrlingsausbildung, Gewährleistungsdauer, Baudauer, Zahl älterer Arbeitnehmer oder Facharbeiteranteil. Diese Kriterien werden bei Vergabeentscheidungen an Bauunternehmen je nach Projekt mit bis zu zehn Prozent bezogen auf den Preis gewichtet. Hier sind wir in Österreich durchaus Vorreiter, andere öffentliche Auftraggeber – etwa Kommunen – interessieren sich für unser Spektrum an Kriterien.

Und damit setzt man sich auch in einer Branche wie der Bauindustrie durch?

Schierhackl: Wenn man die Kriterien klar formuliert – und die müssen natürlich messbar sein –, funktioniert das gut. Wir stimmen uns ja auch eng mit der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen ab. Ich denke, die Branche hat erkannt, dass ihr das letztlich zugutekommt. Das Modell belässt etwa die Wertschöpfung im Unternehmen: Wir gehen massiv dagegen vor, dass Aufträge an Sub- und Subsub-Firmen „weiterverkauft“ werden. Daher auch unser Fokus auf einen großen Eigenleistungsanteil in den Verträgen.

Wie entwickelt sich der Schuldenstand der ASFINAG?

Schierhackl: Wir stehen derzeit bei rund 11,5 Milliarden Euro. Das sinkt jährlich konstant weiter, derzeit sogar leicht über Plan. Wir entwickeln uns trotz des gewaltigen Bauprogramms sehr erfreulich.

Mit der Republik als Alleineigentümer ist die ASFINAG permanent Gegenstand politischer Diskussionen. Ist das nicht manchmal mühsam?

Schierhackl: Nein, wir betreiben unser Geschäft deshalb nicht weniger sachlich. Natürlich stimmen wir uns regelmäßig mit dem Eigentümervertreter, also dem bmvit, ab, doch das habe ich noch nie als Beeinträchtigung empfunden. Sie arbeiten ja auch für einen Eigentümer – der Unterschied ist eigentlich nur: Wenn der sich etwas von Ihnen wünscht, steht das nicht am nächsten Tag in allen Zeitungen.

ZUR PERSON

Klaus Schierhackl, 49, leitet die ASFINAG seit rund einem Jahrzehnt gemeinsam mit Alois Schedl. Seine Vorstandsagenden sind Finanzen, Mautwesen und internationales Geschäft.

Der Absolvent der WU Wien arbeitete für MAN in Deutschland, ehe er 1997 zur ASFINAG kam. Klaus Schierhackl ist seit vielen Jahren führend in internationalen Verbänden von Autobahnbetreibern wie ASECAP und IBTTA bzw. in der ITS-Forschung (ERTICO), aktiv.