Betriebssysteme : Huawei auf "Schwarzer Liste": USA zwingen Chinesen zum riskanten "Plan B"

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© APA/HERBERT PFARRHOFER

Huawei steht auf einer "Schwarzen Liste" der US-Regierung. Der chinesische Netzausrüster und Handyhersteller steht im Verdacht massiver Industriespionage.

Als Reaktion darauf haben der Internetriese Google sowie andere amerikanische Technologiekonzerne angekündigt, ihre Zusammenarbeit mit dem chinesischen Technologieriesen einzuschränken. Auch Chipkonzerne wie Qualcomm, Broadcom und Xilinx haben ihren Mitarbeitern diese Woche mitgeteilt, dass Huawei bis auf weiteres nicht beliefert werde, so der Finanzdienst Bloomberg

Google schränkt Zusammenarbeit mit Huawei ein

Für Huawei ist das besonders schmerzhaft, denn Google stellt Handyherstellern sein Betriebssystem "Android" zur Verfügung. Mit diesem Angebot ist Google gerade dabei, bei den Betriebssystemen für Smartphones ein weltweites Quasi-Monopol aufzubauen.

Google ist für Huawei ein wichtiger Partner, weil bei dem Internet-Riesen das Mobil-Betriebssystem Android entwickelt wird, mit dem auch die Smartphones des chinesischen Konzerns laufen. Die fertigen Versionen des Systems werden zwar quelloffen allen zur Verfügung gestellt. Außerhalb Chinas werden allerdings fast nur Android-Smartphones mit integrierten Google-Diensten wie GMail, Google Maps oder dem Google Play Store verkauft. Diese Android-Version ist nicht Open Source, sondern muss von Google lizenziert werden. Damit dürfte ein Ende der Zusammenarbeit mit Google unter anderem die Verkaufschancen von Huawei-Smartphones in Europa drastisch verschlechtern.

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Ein riskanter "Plan B" für die Chinesen

Als Reaktion darauf sieht sich chinesische Telekommunikationsriese Huawei zu einem eigenen Betriebssystem für Smartphones gezwungen. Nach dem Bann der amerikanischen Regierung bleibt den Chinesen wenig übrig, als auf diesen "Plan B" zu setzen, sagen Beobachter - doch Experten zufolge lauern dabei Risiken.

Bereits seit 2012 arbeitet der in Shenzhen ansässige Konzern Medienberichten zufolge an einem eigenen Betriebssystem, das durch die erzwungene Abkapselung von Googles allgegenwärtigem Android-Kosmos nun schlagartig Brisanz bekommt. Auch wenn Huawei die Existenz dieses Betriebssystems durchaus einräumt, blieben Details zu der Plattform bisher im Dunkeln.

Huawei will spätestens in einem Jahr ein eigenes Betriebssystem starten

Jetzt kündigt Huawei an, sein eigenes Betriebssystem spätestens zum nächsten Frühjahr einsatzbereit zu haben. Es solle auf Smartphones, Computern, Tablets, Fernsehern, in Autos und tragbaren Geräten laufen und mit Android-Apps kompatibel sein, kündigte der Chef der Huawei-Verbrauchersparte, Yu Chengdong, laut "Phoenix News" an. Die Software könne auch schon im Herbst fertig sein.

Ein System namens "HongMeng"

Das System mit dem Namen "HongMeng" werde derzeit getestet und werde "schrittweise" Android ersetzen, berichtete am Montag die chinesische Staatszeitung "Global Times". Dabei berief sich die Zeitung wiederum auf andere chinesische Medien - ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Dass Huawei ein eigenes Betriebssystem vorbereitet, hatte Konzernmanager Richard Yu indes bereits im März der "Welt" gesagt. "Sollte es einmal dazu kommen, dass wir diese Systeme nicht mehr nutzen können, wären wir also gewappnet", sagte er der Zeitung. "Das ist unser Plan B."

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"Wir bevorzugen natürlich die Zusammenarbeit mit Google und Microsoft"

"Aber wir bevorzugen natürlich die Zusammenarbeit mit den Ökosystemen von Google und Microsoft", fügte der Leiter der Konzernsparte für das Konsumentengeschäft zugleich hinzu. Genau diese Zusammenarbeit steht trotz der zuletzt von Washington eingeräumten dreimonatigen Schonfrist nun in Frage, nachdem das US-Handelsministerium Huawei samt seiner Tochterfirmen auf eine schwarze Liste setzte.

Denn US-Firmen dürfen an die Unternehmen auf dieser Liste nur mit behördlicher Erlaubnis Technologieprodukte verkaufen. Das zwingt Huawei einerseits, sich von US-Technik zu emanzipieren, trifft aber zugleich die Achillesferse des Konzerns.

Zwar betont der chinesische Konzern stets, bei der Netzwerktechnik für den neuen 5G-Mobilfunkstandard könne die Welt wegen des technologischen Vorsprungs nicht auf Huawei-Ausrüstung verzichten.

Auch viele andere sind daran schon krachend gescheitert

Doch an einem Smartphone-Betriebssystem sind bereits andere Technologiegiganten krachend gescheitert - denn die Plattformen müssen zugleich Nutzer und App-Entwickler überzeugen. Experten betonten, dass die rein technische Entwicklung nur einen Teil der Herausforderung ausmacht. Sich eine kritische Nutzermasse zu sichern und das Vertrauen der wichtigen App-Entwickler in die Plattform zu festigen, könne Jahre dauern.

Google hat schon Systeme von Nokia, Blackberry, Microsoft verdrängt

Ein sogenanntes Operating System (OS) für Smartphones gut und erfolgreich zu bauen, sei "außergewöhnlich schwierig", sagt Ryan Whalen vom Law and Technology Centre an der Universität von Hongkong. Als Beispiele nennt er Nokia oder Blackberry - aber auch Microsoft, das erst Anfang des Jahres das Aus für die Plattform Windows Phone verkündet und seinen Nutzern zum Wechsel auf Apples iOS oder eben auf das mit großen Abstand am weitesten verbreitete Android-System geraten hatte.

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Wenn Huaweis Konkurrenten künftig Android-Dienste anbieten dürften, der chinesische Konzern aber nicht, bedeute das für Huawei einen "entscheidenden Wettbewerbsnachteil", sagt Whalen.

Der chinesische Konzern wisse, dass er als Telekommunikationsriese "schlussendlich sein eigenes Herzstück braucht", sagt Wong Kam Fai von der Chinesischen Universität in Hongkong. "Sie haben es, aber sie sind noch nicht bereit". Für Huawei wäre es besser gewesen, "wenn diese Dinge zwei oder drei Jahre später passiert wären", sagt er. "Aber es passiert jetzt - also müssen sie sich beeilen."

(red mit AFP/Reuters/dpa/APA)

Der chinesische Technologieriese Huawei hat die EU vor dem aggressiven Auftreten der USA gewarnt. "Das ist nicht nur ein Angriff auf Huawei. Das ist ein Angriff auf die liberale, regelbasierte Wirtschaftsordnung", sagte der EU-Beauftragte des Unternehmens, Abraham Liu, am Dienstag in Brüssel.

US-Präsident Donald Trump hatte Unternehmen seines Landes Geschäfte mit den Chinesen wegen Spionagevorwürfen de facto verboten.

Der US-Gigant Google kappte in der Folge am Sonntag in weiten Teilen seine Geschäftsbeziehungen mit Huawei. Dadurch drohen eventuell Folgen für Nutzer von Smartphones des Herstellers bei der Nutzung von Google-Diensten wie Gmail und Google Maps. Für den chinesischen Hersteller könnte es künftig schwierig werden, seine Geräte außerhalb des chinesischen Marktes zu verkaufen.

USA: Ein Einfallstor für chinesische Spionage

Huawei war zuletzt vor allem wegen Vorwürfen rund um seine 5G-Netzwerktechnik in Bedrängnis geraten. Die USA befürchten, dass Huawei-Technik ein Einfallstor für chinesische Spionage und Sabotage sein könnte. Auch in der EU gibt es derartige Sorgen. Das Unternehmen selbst verweist immer wieder auf seine Unabhängigkeit vom chinesischen Staat.

Huawei sei "Opfer von Schikanen der US-Regierung", beklagte der EU-Beauftragte Liu. Die Sicherheitsbedenken der Europäer versuchte er zu zerstreuen: Huawei sei bereit, "mit Regierungen und Kunden in allen EU-Mitgliedstaaten Vereinbarungen über die Bekämpfung von Spionage abzuschließen".

Huawei ist einer der weltweit größten Telekommunikations- und Netzwerkausrüster. Die Technik des Konzerns spielt beim Aufbau von 5G-Mobilfunknetzen eine wichtige Rolle, die wiederum einer Reihe von Schlüsseltechnologien wie vernetzten Fabriken oder autonomen Fahrzeugen den Weg bereiten sollen. (AFP/dpa/APA/red)

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