Automobilindustrie : VW-Chef fordert höhere Dieselsteuer - Verkehrsminister reagiert irritiert

Volkswagen-Chef Matthias Müller spricht sich für einen Abbau der Steuervorteile beim Diesel und die Einführung der blauen Umweltplakette aus. "Wenn der Umstieg auf umweltschonende E-Autos gelingen soll, kann der Verbrennungsmotor Diesel nicht auf alle Zeiten weiter wie bisher subventioniert werden", sagte Müller dem "Handelsblatt". Politik und Automobilhersteller müssen "alles unternehmen, um großflächige Fahrverbote zu verhindern".

Müller: Dieselförderungen für alternative Antriebe umschichten

Der VW-Chef ist nach eigenen Worten mittlerweile davon überzeugt, dass "Sinn und Zweck der Dieselsubventionen" mit Blick auf die Einführung von umweltschonender E-Autos hinterfragt werden müsse.

Müller schlägt deshalb eine schrittweise Umschichtung der Steuererleichterungen vor. "Das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden." Abstriche bei den Diesel-Subventionen, dafür Anreize für Elektroautos wären "das richtige Signal. Das würden wir aushalten, ohne gleich Existenzängste haben zu müssen."

Umweltplakette nicht an Normen, sondern an Abgaswerten ausrichten

Müller plädierte zudem für die Einführung einer blauen Umweltplakette in Städten. Es müsse "nur richtig gemacht werden": Eine Plakette nur für Autos mit der Abgasnorm Euro 6 hält der Konzernchef für falsch. Denn es gebe zum Beispiel Euro-5-Autos von Volkswagen, die sauberer seien als Euro-6-Modelle von Wettbewerbern. "Die Vergabe der blauen Plakette sollte also an einen bestimmten Stickoxid-Grenzwert gebunden werden." Nur wer darunter liegt, dürfte dann auch künftig in Städte fahren, sagte Müller.

Konzernchef warnt vor gravierenden Folgen eines Dieselverbots für die Industrie

Müller warnte: Die Folgen gerichtlich angeordneter Fahrverbote wären "gravierend für den Standort Deutschland" und beträfen die gesamte Autoindustrie. Das deutsche Bundesverwaltungsgericht will Ende Februar höchstrichterlich entscheiden, ob Kommunen zur Senkung der Stickoxidbelastung auch Diesel-Fahrverbote verhängen müssen.

Die deutsche Autoindustrie steht wegen der Krise um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen unter Druck. Ausgelöst wurde sie durch eine Schummelsoftware bei VW. (afp/apa/red)

Die Vorschläge von VW-Konzernchef Matthias Müller zu einer stärkeren Besteuerung von Dieselsprit und Einführung von Umweltplaketten entzweien Regierung und Umweltverbände. Während Umweltschutzorganisationen mehrheitlich Zustimmung für die Ideen signalisierten, reagierte der geschäftsführende deutsche Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) irritiert darauf.

"Dass die Automobilindustrie Fahrverbote fordert, verwundert sehr", sagte Schmidt der Nachrichtenagentur dpa. Die blaue Plakette bedeute "nichts anderes als die kalte Enteignung von Millionen von Diesel-Besitzern". Die Branche stehe "sehr deutlich in der Verantwortung", mehr Mobilität bei weniger Emissionen zu schaffen.

Schmidt betonte, er sehe derzeit darüber hinaus keinen Anlass, an der Besteuerung etwas zu ändern. Auch Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung habe gegenwärtig "keine Pläne" dazu.

Dieselmotor hat zentrale Bedeutung für den Standort

Der Diesel ist für die deutschen Autobauer extrem wichtig. Ein Grund für den hohen Dieselanteil hierzulande ist die deutlich niedrigere Besteuerung des Kraftstoffs. Dieselwagen stoßen bei vergleichbarer Leistung weniger CO2 aus als Benziner, sind aber im Schnitt stärker motorisiert. Zudem stoßen sie viel schädliche Stickoxide aus.

VW-Betriebsrat: Die Rede ist von einer schrittweisen Umstellung

Der Betriebsrat von Volkswagen hob hervor, dass es sich bei den Vorschlägen Müllers um ein abgestuftes Modell handle. "Er hat nicht davon geredet, dass man das in einem Schritt macht, sondern von schrittweiser Umstellung vom Diesel hin in Richtung Elektromobilität", stellte der oberste Mitarbeitervertreter Bernd Osterloh klar. "Das wird wie gesagt nicht von heute auf morgen passieren. (...) Das ist nicht das Ende des Diesels."

Lob von Branchenexperten

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hatte Müller umgehend gelobt. "Hut ab", sagte der Leiter des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen am Sonntag der dpa. Er hätte nicht damit gerechnet, dass ein deutscher Autobauer so eine mutige Forderung erheben würde. Die Vorschläge könnten in dieser Form der schwächelnden E-Mobilität tatsächlich wirksam helfen. Seitens der Industrie habe er das nicht erwartet. "Und jetzt sagt das endlich einer. Das ist wirklich beeindruckend." (dpa/apa/red)