Wirtschaftspolitik : Hintergrund: Wo Österreich und USA einer Meinung sind - und wo nicht

Sebastian Kurz Donald Trump USA Österreich
© BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Fast genau ein Jahr nach seinem ersten Besuch im Weißen Haus sollte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) diese Woche neuerlich mit US-Präsident Donald Trump zusammentreffen - doch dieser Plan wurde wegen des Coronavirus abgesagt. "In vielen Sachfragen sind wir unterschiedlicher Meinung", meinte der Kanzler nach der ersten Visite im Vorjahr. Dabei war Kurz seit seinem Amtsantritt Ende 2017 bemüht, Konfliktfelder zu entschärfen. Hier ein Überblick der einzelnen Positionen.

ABRÜSTUNG:

Österreich sieht sich als Motor für internationale Abrüstungsinitiativen und war im Vorjahr einer der ersten Staaten, der den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert hat. Die USA haben diesbezüglich eher den Rückwärtsgang eingelegt, indem sie im Vorjahr den INF-Vertrag über die Vernichtung aller nuklearen Mittelstreckenraketen aufkündigten. Grund dafür ist eine von Russland entwickelte Rakete, die aus Sicht Washingtons den Vertrag verletzt. Anders als die NATO-Staaten stellte sich Österreich nicht hinter die USA. Heuer ist ein weiteres Konfliktfeld hinzugekommen, nämlich die Landminen. Während Österreich nämlich Vorkämpfer bei der internationalen Ächtung dieser grausamen Waffen war, erlaubte Trump dem US-Militär erst im Jänner wieder den Einsatz der wegen hoher Opfer unter Zivilisten, insbesondere spielenden Kindern, verpönten Kriegsgüter.

BREXIT:

Das EU-Austrittsvotum der Briten und der Sieg Trumps bei der US-Präsidentenwahl waren die beiden politischen Paukenschläge des Jahres 2016. Trump selbst äußerte mehrfach Sympathie für den EU-Austritt Großbritanniens, der von Österreich bedauert wird. "Der Brexit wird sich letztlich als eine großartige Sache herausstellen", sagte er kurz vor seinem Amtsantritt im Jänner 2017 der "Bild"-Zeitung. Es sei "klug" von Großbritannien gewesen, die EU zu verlassen, weil sie nur "ein Mittel zum Zweck für Deutschland" sei. Nach dem Brexit drängt er auf möglichst lose Verbindungen zwischen Großbritannien und der EU, wobei er mit einem bilateralen Handelsabkommen lockt. Österreich setzt sich dagegen für möglichst enge Post-Brexit-Beziehungen ein. Was die Brexit-Ursachenforschung betrifft, sind Kurz und Trump aber ähnlicher Meinung. So sagte der damalige Außenminister im Juni 2016 in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe, die Flüchtlingspolitik sei der "dramatischste Fehler" der EU und entscheidend für das Brexit-Votum gewesen. Trump schlug ein halbes Jahr später im "Bild"-Interview in die selbe Kerbe: "Wenn sie nicht gezwungen worden wären, all diese Flüchtlinge aufzunehmen - so viele, mit all den Problemen, die das mit sich bringt - dann wäre es nicht zum Brexit gekommen."

IRAN:

Im Mai 2018 verkündete Trump den Rückzug der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran. Mit Sanktionen sollten auch die europäischen Staaten aus dem im Jahr 2015 in Wien geschlossenen Vertrag getrieben werden, doch zeigen sie sich bisher standhaft. Bundeskanzler Kurz kritisierte den Ausstieg der USA. Der Atomdeal sei "positiv". "Wenn man das jetzt infrage stellt, dann destabilisiert man die Beziehungen zum Iran und auch die ganze Region, die ohnehin schon instabil genug ist." Die Isolation des Iran könne "sehr gefährlich sein", warnte er. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) besuchte wenige Tage vor dem zweiten Kurz-Trump-Treffen den Iran, um die Vermittlungsdienste Österreichs anzubieten. Spekuliert wird über eine Neuauflage der Wiener Iran-Gespräche.

KLIMAPOLITIK:

Im Juni 2017 verkündete Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimavertrag und stellte sich damit erstmals frontal gegen die Weltgemeinschaft. Noch als Außenminister kritisierte Kurz diesen Schritt als "unverantwortlich". Das Schmelzen von Gletschern, Unwetter und Hochwasser würden "klar den großen Handlungsbedarf hier in Österreich und in der ganzen Welt" verdeutlichen, betonte er. "Österreich und die EU werden ihrer Verantwortung jedenfalls weiterhin nachkommen und sich für den Klimaschutz weltweit einsetzen." Gemeinsam mit Bundespräsident Van der Bellen versucht die österreichische Regierung, beim Klimaschutz eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen. Eine Position, die sich durch den Regierungseintritt der Grünen noch weiter akzentuiert hat. Eine kleine Schnittmenge haben Kurz und Trump in Umweltfragen freilich: Der US-Präsident outete sich beim ersten Treffen mit dem Kanzler im Vorjahr als Fan der Wasserkraft.

MIGRATION:

Die Beschränkung der Zuwanderung ist einer jener Politikbereiche, in dem Trump und Kurz eine ähnliche Linie fahren. Symbolisch dafür steht der UNO-Migrationspakt, aus dem Österreich im Herbst 2018 ausgetreten ist. Zuvor hatten Trumps USA und Ungarn diesen Schritt getan. Österreichs Ausstieg hatte Vorbildwirkung für mehrere weitere Staaten Europas. Während sich Kurz der Schließung der Balkan-Flüchtlingsroute rühmt, machte der Immobilientycoon Trump mit dem Plan eines Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko Furore. Noch als Außenminister äußerte Kurz prinzipiell Verständnis für Trumps umstrittene Mauerbaupläne. "Jeder amerikanische Präsident hat bis jetzt versucht, die Migration in die USA zu regeln, und jedes andere Land der Welt versucht grundsätzlich auch Migration zu steuern und nicht unkontrolliert stattfinden zu lassen", sagte er im Februar 2017 der APA. Hingegen verurteilte er den von Trump kurz nach Amtsantritt erlassenen Visabann für Bürger bestimmter Länder klar. "Ich halte nichts davon, gegen gewisse Staaten pauschal Urteile zu fällen", sagte Kurz. Das Einreiseverbot betraf auch Österreich, wo Anfang 2017 Hunderte Iraner strandeten. Dutzende von ihnen erhielten mittlerweile Asyl in Österreich.

NAHOST:

Seit Jahrzehnten spielen die USA im Nahost-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eine Doppelrolle. Einerseits sind sie Schutzmacht Israels, das von den USA mit Milliardenzuwendungen und Rüstungstechnologie unterstützt wird. Andererseits versuchen sie, in dem Konflikt zu vermitteln. Aus diesem Grund sahen US-Präsidenten bisher davon ab, die einseitigen israelischen Annexionen anzuerkennen. Trump kümmerte sich nicht darum und erkannte im Dezember 2017 zunächst Jerusalem als israelische Hauptstadt an, später dann auch die israelische Annexion der syrischen Golan-Höhen. Im Jänner 2020 präsentierte er dann gemeinsam mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu einen Nahost-Friedensplan, der die illegalen israelischen Siedlungen im Westjordanland sanktionierte und Israel auch die Kontrolle über das Jordantal gab. Die Palästinenser reagierten empört, auch die EU pochte auf die Achtung des Völkerrechts. Bundeskanzler Kurz äußerte sich hingegen wohlwollend und äußerte die Hoffnung auf eine "neue Dynamik" im Nahost-Friedensprozess. Sein Tweet wurde vom Weißen Haus an prominenter Stelle in einem Artikel mit dem Titel "Reaktionen: Die weltweite Unterstützung wächst für Präsident Trumps kühne Nahost-Friedensvision" publiziert. Was die Unterstützung für Israel betrifft, sind sich Trump und Kurz tatsächlich sehr nahe. So sagte der Kanzler während einer Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes 2018, die Position der EU sei "nicht immer ganz ausbalanciert" gewesen.

RUSSLAND:

Trump ist seit seinem Amtsantritt bemüht, den Verdacht loszuwerden, eine Marionette von Kreml-Chef Wladimir Putin zu sein. Der Giftanschlag auf den Ex-Doppelspion Sergej Skripal im englischen Salisbury bot im vergangenen März einen willkommenen Anlass, Sanktionen gegen Moskau zu verhängen. In einer konzertierten Aktion mit rund 20 westlichen Staaten wiesen die USA Dutzende russische Diplomaten aus. Österreich blieb der Aktion fern, wofür es scharfe Kritik aus anderen EU-Staaten erntete. Nicht unbemerkt blieb, dass der russische Präsident Putin den ersten Auslandsbesuch seiner vierten Amtszeit im Juni in Österreich absolvierte. Innerhalb eines Jahres traf der Kreml-Chef den Kanzler gleich vier Mal - unter anderem am Rande der Hochzeit von Außenministerin Kneissl im August. Die vermeintliche Russlandfreundlichkeit Österreichs könnte damals auch dazu beigetragen haben, dass Wien nicht den ersten Gipfel zwischen Trump und Putin im vergangenen Juni ausrichtete - auch wenn von US-Seite von "logistischen" Gründen die Rede war. Nach dem Abschied der FPÖ aus der Bundesregierung ist die Diskussion über eine mögliche russische "Schlagseite" in der österreichischen Außenpolitik verstummt. Türkis-Grün hat im Regierungsprogramm die Strategische Partnerschaft mit den USA wohl nicht unabsichtlich vor dem Dialog mit Russland platziert.

VENEZUELA:

Bei der Unterstützung für den venezolanischen Oppositionsführer Juan Guaido ziehen Trump und Kurz an einem Strang. Dass Österreich Guaido Anfang Februar des Vorjahres entgegen langjährigen diplomatischen Gepflogenheiten als venezolanischen Übergangspräsidenten anerkannte, wurde von vielen Beobachtern als Geste in Richtung Washington interpretiert. Immerhin erfolgte die Anerkennung zwei Wochen vor Kurz' erstem Besuch im Oval Office. Der Politikwissenschafter Heinz Gärtner sprach im APA-Gespräch vom "vorauseilenden Gehorsam" Österreichs, während Ex-Außenministerin Karin Kneissl (damals FPÖ) keinen Hehl aus ihrer Ablehnung des Schrittes machte. "Wenn wir anfangen, Regierungen anzuerkennen, würden wir sehr viel Zeit damit verbringen", sagte Kneissl kürzlich der APA. Zugleich betonte sie, dass weder US-Botschafter Trevor Traina noch Außenminister Mike Pompeo das Thema Venezuela in bilateralen Gesprächen aufgebracht hätten.

ZOLLSTREIT:

Mit Schutzzöllen für die US-Industrie ist Trump im Vorjahr auf Konfrontationskurs zu den großen Handelspartnern wie EU und China gegangen. "Die Strafzölle der USA sind der falsche Weg und gefährden europäische Wirtschaftsinteressen", kritisierte Kanzler Kurz die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte anlässlich ihres Inkrafttretens im Juni 2018. Auch wenn EU-Kommissionspräsident Juncker Ende Juli überraschend eine Art Waffenstillstand mit Trump vereinbaren konnte, schwelt der Konflikt weiter. "Die Europäische Union wurde gebildet, um uns beim Handel auszunutzen. Niemand behandelt uns viel schlechter als die Europäische Union", ätzte Trump schon im Oktober wieder in Richtung Brüssel. Washington drängt nämlich auf eine Öffnung der europäischen Agrarmärkte, was die EU strikt ablehnt. Die Handelspolitik war der einzige Politikbereich, den Kanzler Kurz bei der Bekanntgabe seines Besuchs im Weißen Haus auf Twitter konkret erwähnte. Österreich unterstütze die Bemühungen der EU, "einen möglichen Handelskrieg zwischen den USA und Europa zu vermeiden", schrieb Kurz. "Die USA sind eine Supermacht und unser zweitwichtigster Handelspartner."