Voestalpine : Hintergründe zu Kapfenberg: Der erste Stahlwerk-Neubau Europas seit 40 Jahren

Einen Tag nach der Eröffnung ihres neuen Drahtwalzwerks im obersteirischen Leoben-Donawitz gab die Voestalpine ihre Entscheidung für einen Standort im angrenzenden Mürztal bekannt. Kapfenberg bekommt bis 2021 ein komplett neues Edelstahlwerk. "Wir haben entschieden, dass wir dort das erste Stahlwerk in Europa seit 40 Jahren errichten wollen", sagte Stahlkonzernchef Wolfgang Eder.

"Wir haben gesagt, wir machen jetzt keinen Kompromiss - wir setzen etwas auf, das in den nächsten Dekaden das Maß der Dinge sein wird", so Franz Rotter, Voestalpine-Vorstandsmitglied und Leiter des Unternehmensbereichs High Tech Performance Division (Edelstahl), kürzlich in einer Telefonkonferenz anlässlich der aktuellen Entscheidung des Aufsichtsrates.

Bestehendes Werk wird komplett ersetzt

Das zum Teil schon über 100 Jahre alte bestehende Werk im steirischen Kapfenberg wird komplett ersetzt. In den alten Hallen werde künftig die gesamte Schrottwirtschaft durchgeführt. Zwischen 2018 und 2021 fließen 330 bis 350 Mio. Euro in die Neuerrichtung.

Mit den bestehenden Anlagen sei man "an die Grenzen der technischen Möglichkeiten gestoßen", jetzt werde in modernste Technologien investiert, um neue Maßstäbe als führender Hightech-Anbieter zu setzen, so Rotter.

"Dieses Stahlwerk muss diese Position über 50 Jahre und mehr halten", umriss der Manager die zeitliche Perspektive. Die 205.000 Tonnen Jahreskapazität, die geplant seien, entsprächen dem, was in Kapfenberg auch schon bisher erzeugt werde.

"Wir werden aber in andere Qualitäten gehen", erklärte Rotter. Der konzernweiten Strategie entsprechend, fertigt die Voestalpine auch im Mürztal zunehmend höherwertige Produkte, mit denen auch höhere Margen erzielt werden können.

"Weltweit modernste Edelstahlwerk": Hoher Digitalisierungsgrad

Obwohl das "weltweit modernste Edelstahlwerk" hochdigitalisiert sein wird, müssen die derzeit rund 3.000 Beschäftigten an dem steirischen Standort den Angaben zufolge nicht um ihre Jobs zittern: "Wir werden mit Sicherheit aufgrund der Errichtung des neuen Werks keine Freisetzung von Mitarbeitern haben, die über die natürliche Fluktuation hinausgeht, aber wir müssen mehr in die Um- und Aufqualifizierung der bestehenden und der neuen Mitarbeiter investieren", betonte Eder. "Man sollte die Digitalisierung nicht als das Schreckgespenst der Zukunft, was Arbeitsplätze betrifft, hinstellen."

Noch vor Jahresende werde in Kapfenberg ein "Competence Center" für Digitalisierung eröffnet, kündigte Rotter an. "Heute haben wir bereits Digitalisierung/Robotik in unsere Lehrlingsausbildung aufgenommen."

Mürztal hat sich als Standort durchgesetzt

Das Mürztal hat sich als Standort gegen alle ebenfalls von der Voestalpine angedachten internationalen Alternativen durchgesetzt. Den Ausschlag für die positive Entscheidung gab letztlich auch die hohe Dichte an hochqualifizierten Metallexperten in der Region: "Am Ende des Tages waren es die fast 3.000 Mitarbeiter, die wir heute am Standort Kapfenberg haben", sagte Eder auf den Beweggrund hin gefragt. Nirgendwo sonst auf der Welt wären "Menschen in diesem Ausmaß mit dieser Kompetenz" vorzufinden gewesen, die "ad hoc verfügbar" seien, lobte der Voestalpine-Chef die "hochmotivierte und qualifizierte Mannschaft".

Konzernchef Eder: "Perfektes metallurgisches Umfeld"

Eder verwies auch auf das "perfekte metallurgische Umfeld" und verwies dabei unter anderem auf die Montanuniversität in Leoben, die Technischen Universitäten Graz und Wien sowie die zahlreichen Fachhochschulen. "Man muss auch eines sagen: Wir haben gelernt, dass sowohl das Land Steiermark und die Stadt Kapfenberg sich massiv bemüht haben, um diese Kooperation zu unterstützen", so Eder. Der Konzernchef habe "absolut das Vertrauen", dass das auch in Zukunft so sein werde.

Das "Zünglein an der Waage" für die Standortentscheidung sei auch die Entspannung betreffend Strompreiszone Österreich-Deutschland gewesen. Immerhin sind die Energiekosten für die Elektroöfen in einem Edelstahlwerk ein entscheidender Kostenfaktor.

Strompreise in der gemeinsamen Handelszone mit Deutschland als Faktor

Zwischenzeitig hatte Eder hierzulande für die kommenden zwei bis drei Jahre Strompreiserhöhungen von mindestens 15 bis hin zu 40 Prozent befürchtet; mittlerweile hat sich das Szenario auf einen Anstieg um "5 bis 6 Prozent" beruhigt. Über eine Strompreiszonentrennung zwischen den beiden Ländern debattierten die Regulatoren rund zwei Jahre lang, erst heuer im Mai stand der Kompromiss. Der bis dahin unbegrenzte Stromhandel zwischen den beiden Märkten wird nicht gänzlich gekappt, aber einschränkt.

Pläne über ein möglicherweise neues Edelstahlwerk für Kapfenberg hatte Eder Anfang Juni 2016 in einem Conference Call im Vorfeld der Bilanzpressekonferenz erstmals öffentlich erwähnt. Heuer im Mai hatte der Konzernchef den Strompreis noch als "Schlüsselhindernis" bezeichnet. Zuvor hatte er auch Belange wie den Emissionshandel und die generelle Klimapolitik der EU als Knackpunkte ins Treffen geführt.

Spatenstich 2018, Produktion ab 2021

Doch nun ist die Standortentscheidung fix. Der Spatenstich für das Werk in der Steiermark erfolgt 2018. Drei Jahre später sollen die Bauarbeiten erledigt sein.

(APA/red)