Geschäftsmodellwandel : Hilti, Fronius & Co: Die Transformers

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Der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft ist ein omnipräsentes Phänomen, das im Consumer-Bereich längst in alle Sphären durchgedrungen ist. Carsharing oder Streamingdienste haben zu einem globalen Paradigmenwechsel im Konsumverhalten geführt. Doch auch in der Industrie setzen sich solche Geschäftsmodelle zunehmend durch und werden durch die immer vielfältigeren Möglichkeiten der Digitalisierung zu einer Möglichkeit, das eigene Produktportfolio mit innovativen Dienstleistungsmodellen anzureichern.

Hilti, Fronius & Co: Die Transformers

Vorreiter Hilti

Werkzeughersteller Hilti setzte bereit 2001 auf das Dienstleistungsmodell und führte sein Flottenmanagement-Service ein – die Kunden bekommen im Abo-Modell maßgeschneiderte Geräte, Wartung, Erneuerung und Reparatur entfallen für den Kunden vollkommen. Das Angebot wird in der Industrie sehr gut angenommen, mittlerweile hat Hilti mehr als 100.000 Kunden unter Vertrag. Laut David Stelzer-Trojan war firmenintern damit ein Umdenkprozess verbunden. „Für die Vertriebsmannschaft war es ein Umdenken, weil wir durch diesen neuen Ansatz auch andere Ansprechpartner bei den Kunden aufsuchen mussten.

Beim klassischen Produktverkauf ist der Ansprechpartner zum Beispiel der Polier auf der Baustelle, während man bei einer Dienstleistung wie dem Flottenmanagement, wo es darum geht, den gesamten Gerätepark auszustatten, auch mit dem Einkaufsleiter, der Buchhaltung, dem Lageristen, aber auch dem Geschäftsführer reden muss – es geht um eine ganzheitliche Veränderung der Unternehmensprozesse.“

Durch die steigenden Möglichkeiten durch die Digitalisierung erweitert Hilti sein Serviceangebot stetig. Mit dem Asset-Management-Service „ON!Track“ kommt man in der Baubranche dem Ideal einer vollvernetzten Baustelle näher, indem mithilfe von RFID ganze Geräteparks digital verwaltet werden können. „Es ist aber noch immer ein gewisser manueller Input notwendig, wenn es zum Beispiel um den Transfer von Betriebsmitteln oder das Abrechnen geht. Da ist der Wunsch sehr groß, dass man so viel wie möglich automatisiert, aber da sind wir noch am Beginn der Reise“, so Selzer-Trojan.

Der Anteil der Dienstleistungen am Gesamtumsatz bei Hilti ist bemerkenswert. Rund 50 Prozent aller Geräte werden über das Flottenmanagement verkauft. Weitere Serviceangebote wie maßgeschneiderte Schulungen für die Baubranche sollen diesen Anteil noch erhöhen. „Diese Services unterstützen uns bei unserem Ziel, in Zukunft der wichtigste Produktivitätspartner unserer Kunden in der Baubranche zu sein.“

Frage nach der Sinnhaftigkeit

Für Robert Ginthör vom Know-Center, einem Forschungszentrum für Data-driven Business in Graz, ist die Monetarisierung von Daten kein Muss. „Der Begriff Big Data ist aus den USA zu uns gekommen mit dem Anspruch, dass man mit dem Sammeln von Daten wertvolle Informationen gewinnen kann, die man in weiterer Folge zu Geld machen kann. Das hat sich in der Praxis nicht ganz bewahrheitet, weil das bloße Sammeln von Daten, die dann in eine Toolbox gesteckt werden, leider nicht immer funktioniert. Man muss sich zielgerichtet überlegen, wozu man seine Daten verwendet, welche Werte man daraus generiert und wie sie ausgewertet werden sollen.“

So setzt man im Know-Center auf einen eigens entwickelten Data-Value-Check, mit dem die Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit von datengetriebenen Geschäftsmodellen geprüft wird. „Das Sammeln von Daten ohne einen klaren Zweck funktioniert einfach nicht. Mit dem Data-Value-Check können systematisch datengetriebene Use Cases in Unternehmen identifiziert werden.“ Am Anfang steht die Frage, welchen Nutzen man generieren möchte. Das kann eine wirtschaftliche Überlegung sein, aber auch darauf abzielen, die Kundenbindung zu erhöhen oder die eigene OpEx zu verbessern. Dabei muss geprüft werden, ob es auch rechtlich umsetzbar ist – insbesondere wenn es um personenbezogene Daten geht.

Und dann wird die technische Umsetzbarkeit geprüft – welche Datenanalyseverfahren infrage kommen. Im letzten Schritt werden die Daten analysiert, denn eines der großen Probleme in diesem Bereich ist die Datenqualität. „Schlussendlich bleiben dann die Anwendungsfälle über, die tatsächlich auch wirtschaftlich einen Sinn ergeben, einen Nutzen bringen, technisch machbar sind und ein geringes Risiko bei der Umsetzung bergen“, so Ginthör.

Prozessentwicklung als Dienstleistung.

Für die oberösterreichische EV Group fiel die Entscheidung, den Weg vom reinen Maschinenbauer zum Komplettlösungsanbieter zu gehen, vor mehr als 15 Jahren. „Das war sicher dadurch motiviert, dass die Kunden bereits damals mehr Applikationswissen mitbekommen wollten, als wir im normalen Anlagengeschäft unterbringen konnten. Aufgrund dieser Nachfrage hat man sich für diesen Weg entschieden, um einen Mehrwert für die Kunden als Dienstleistung anzubieten, für die die Unternehmen auch bereit sind, Geld auszugeben“, erzählt Markus Wimplinger. So sei es damals keine leichte Entscheidung gewesen, aber rückblickend habe man sich richtig entschieden. „Man bekommt durch den Dienstleistungsansatz guten Input der Kunden, den man verwerten kann, indem man das Equipment treffsicher an den Markt anpasst.“

Die EV Group betreibt ein eigenes Entwicklungscenter, in dem Kunden ganze Produktionslinien entwickeln und testen können. „Bei uns kann von der Machbarkeitsstudie bis zum fertigungsreifen Prozess alles entwickelt werden. Dadurch kann der Kunde entscheiden, ab welchem Zeitpunkt das Vertrauensniveau hoch genug ist, dass man in die Produktionslinie investiert. Das ist eine Art des Businessdevelopment, die es dem Kunden ermöglicht, Produkte so weit zu bringen, dass man die Resonanz am Markt abschätzen kann.“ Ein weiteres Service, das vor wenigen Monaten eingeführt wurde, ist der „Step-and-Repeat Mastering Shop“. Dabei werden großflächige Master-Templates und -Stempel, die zur Herstellung von Arbeitsstempeln für die Produktion auf Wafer- und Panel-Ebene verwendet werden, nach Auftrag gefertigt.

Serviceoptimierung mit Daten

Beim Profi-Werkzeughersteller Festool werden die Kundendaten dazu verwendet, um das Serviceangebot fortlaufend zu optimieren. „Ein Vorteil daraus ist einerseits, dass sich Informationen für unsere Kunden zielgerichtet adressieren lassen. Ein für das Service weitaus größerer Nutzen besteht jedoch darin, dass sich im Servicefall ein direkter Link zwischen Gerät und dem dazugehörigen Kunden herstellen lässt. So haben wir beispielsweise bei Rückfragen den direkten Draht zum Kunden. Dies ermöglicht eine einfache und rasche Bearbeitung des Kundenanliegens erheblich“, erklärt Jens Graner.

Graner betont, dass der Servicegedanke im Unternehmen schon immer einen hohen Stellenwert hatte, für die Entwicklung der digitalen Services stellte die technische Umsetzung die weitaus höhere Hürde dar: „Vielmehr waren und sind wir gefordert, unterschiedliche Systeme im Unternehmen so zu vernetzen, dass effektive Mehrwerte für unsere Kunden entstehen, was erhebliche Ressourcen bindet.“

Konfigurationstool für PV-Anlagen.

Fronius International gehört zu den innovativsten heimischen Unternehmen, das mit Serviceangeboten für Schweißtechnik, E-Flotten oder Batterieladelösungen in der Intralogistik ein großes Spektrum in vielen zukunftsträchtigen Branchen abdeckt. Die Auswertung von Echtzeitdaten habe laut Harald Langeder die Grenzen zwischen den einzelnen Lösungen verschwinden lassen. „Es entstehen große digitale Eco-Systeme, die durch dezentrale Intelligenzen gesteuert werden. Die Frage ist somit weniger, ob man Gesamtlösungsanbieter ist, sondern vielmehr, wie man sich nahtlos in diese großen digitalen Eco-Systeme integrieren kann.“

Das neueste Serviceangebot aus dem Hause Fronius veranschaulicht den Gedanken von Eco-Systemen eindrucksvoll. Mit dem Solar.creator bietet das Unternehmen seit Kurzem ein Online-Konfigurationstool an, mit dem ganze PV-Anlagen geplant und visualisiert werden können. Dabei werden vom System automatisch Vorschläge für die jeweiligen Bedürfnisse gemacht, die auf Informationen von Moduldatenbanken, Wetterdatenbanken oder Google Maps basieren. So erhält der Kunde in Echtzeit die Einstrahlungsdaten für den geplanten Standort oder eine detaillierte Einschätzung des zu erwartenden Verbrauchs.

Chancen in Nischenprodukten

Am FH Campus 02 in Graz wird der Nachwuchs in Sachen Innovationsmanagement ausgebildet. Dabei wird besonderes Augenmerk auf das Thema Serviceinnovation gelegt. Berndt Jesenko, der neben seiner Forschungstätigkeit am Campus 02 auch den Lehrgang Service Engineering & Management am WIFI Steiermark leitet, sieht eine enorme Nachfrage in der österreichischen Industrie. „Einerseits sind datengetriebene Geschäftsmodelle wesentlich einfacher zu skalieren und andererseits gewinnt man durch die Datenanalyse zusätzliche Ideen für Serviceinnovationen.“

Der Wirtschaftsforscher attestiert der österreichischen Industrie im Bereich der datengetriebenen Geschäftsmodelle einen gewissen Nachholbedarf – man sei aber im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern im stabilen Mittelfeld. Jedenfalls sollte man nicht versuchen, mit den globalen Riesen zu konkurrieren, sonder weiterhin auf österreichische Nischenprodukte setzen.