Interview : Herbert Gartner: „Konzerne navigieren wie Wale, Startups wie Barrakudas“

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Herr Gartner, Sie investieren in Startups, die Hardware- und Softwarelösungen verschmelzen und „machine to machine" Lösungen für unvernetzte Technologien erfinden. Um wieviel komplexer ist ihre Arbeit – im Vergleich zum klassischen digitalen Startup-Investor?

Deep Tech Unternehmen benötigen einen langen Atem und sind meist keine 0/1-Risken. Die Kunst ist, sich nicht nur von der Technologie blenden zu lassen, sondern jene Lösung zu identifizieren, die in einem dynamischen Markt tatsächlich Potenzial auf einen Durchbruch hat. Ein Beispiel: Das Fax wurde 1843 vom Schotten Alexander Bain patentiert. Wenn man damals in diese Technologie investiert hätte, hätte man als Investor eine Burn-Rate von 130 Jahren finanzieren müssen.

Welche Branchen werden denn mit Deep Tech in den nächsten fünf bis 10 Jahren exponentiell wachsen?

Die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Energiebranche werden durch die Digitalisierung massiv verändert. Da ist das Potenzial mit permanenter, durch Algorithmen getriebener Datenanalyse zu immer besseren Ergebnissen zu gelangen, riesig. Eine massive Veränderung erwarte ich, wenn die erste Generation von IPU Prozessoren auf den Markt kommt. Diese speziellen Machine Learning Prozessoren werden unser Leben massiv verändern.

Vor einigen Monaten haben Sie den niederösterreichischen Industrie 4.0-Spezialisten nxtControl an Schneider Electric verkauft, im Mai ging das Grazer Messtechnikunternehmen Nextsense an den schwedischen Hexagon-Konzern. Warum, glauben Sie, schaffen es große Konzerne nicht, diese Innovation selbst zu leisten?

Es ist ein Naturgesetz, dass die Innovationskraft mit der Größe der Unternehmen abnimmt und die stärksten disruptiven Technologien immer von jungen Unternehmen kommen. Große Unternehmen können nur wie Wale navigieren, während sich Startups wie Barrakudas am Markt bewegen. Wirklich bahnbrechend Neues können behäbige Großunternehmen nur durch die Akquisition innovativer Technologiefirmen erreichen. Einige Großunternehmen versuchen mittels Corporate Venture frühzeitig bei jungen Technologieunternehmen einzuloggen. Es muss aber eine starke Firewall zwischen den Begehrlichkeiten der operativen Seite und dem finanzorientierten Corporate Venture Arm sichergestellt sein. Und es muss von vorneherein klar sein: Der Exit kann sowohl zur Mutterfirma als auch ganz woanders hin gehen.

Bleibt das Problem der Integration in den Mutterkonzern. Wie lassen sich die jungen Wilden denn in Großunternehmen integrieren?

(lacht) Gar nicht. Im Ernst: Das Erfolgsrezept ist, die Unabhängigkeit so gut es geht zu bewahren. Hexagon ist mit seiner skandinavischen Unternehmenskultur ein Paradebeispiel wie man M&A gut macht. Man holt sich Unternehmen, ohne sie zu erdrücken. Der Unternehmenssitz bei Nextsense bleibt in Graz und der weltweite Rollout wird von Hexagon massiv unterstützt. Auch NxtControl wird seinen Firmensitz in Österreich sowie eine gewisse Unabhängigkeit beibehalten und seinen Personalstand stark ausgebaut.

Sie investieren ausschließlich regional – und da am liebsten in der Steiermark. Warum?

Es gibt viele Investitionskriterien die passen müssen: Skalierbarkeit, keine Dienstleistungen, Marktdynamik, Projektverständnis und natürlich das Team. Ein wichtiges Kriterium ist aber auch die Regionalität: Wenn man wie wir Unternehmen bereits ganz früh mitaufbaut, also Inkubationsprojekte, muss man mit den Gründern regelmäßig persönlich sprechen.

2-3 Autostunden von der Steiermark klingt jetzt nicht nach dem fruchtbarsten Feld für immer neue Deep Tech Innovationen…

Oh da irren Sie gewaltig. Wussten Sie, dass der steirische Wertschöpfungsanteil einiger sehr erfolgreicher Smartphones im zweistelligen Prozentbereich liegt? Die Steiermark ist europaweit – gemessen am regionalen BIP – an der Spitze der 276 Regionen der EU. Mit 5,2 Prozent sogar vor East Anglia/Cambridge und Baden-Württemberg.

Wer sind denn bei eQventure ihre Mitinvestoren?

Wichtig ist: Unsere Investmentgesellschaft eQventure ist kein Fonds, sondern wir sind ein Club von erfolgreichen Unternehmern, die ihr Kapital treuhändig gebündelt in junge Unternehmen investieren. Dabei verwalten wir kein fremdes Geld, in unserer Struktur trägt jeder Partner und jeder Drittinvestor persönliches unternehmerisches Risiko. Wir, das sind sechs Partner unter anderem Franz Salomon (Anm. d. Red.: ehemals Salomon Automation) oder Johannes Adler (Anm. d. Red.: Gründer von Anecon) und unsere Drittinvestoren wie zum Beispiel Hermann Hauser (Anm. d. Red. Legendärer Mitgründer der ersten Prozessorherstellern Acorn und ARM).

Wer tut was in ihrem Club?

Jeder eQventure Partner hat seinen speziellen Fokus. Während ich mich inhaltlich auf Software, Elektronik und Halbleiter konzentriere macht Franz Salomon B2B Software Automatisierungssysteme und Elektrotechnik und Johannes Adler FinTech und Artificial Intelligence Projekte. Das Modell dahinter ist aus dem Silicon Valley bekannt. Ein Angel Investor, dort nennt man ihn Deal Captain, investiert am meisten privates Geld und organisiert die jahrelange Zusammenarbeit – immer auf Augenhöhe mit dem Gründer, weil er selbst ja ein ehemaliger Unternehmer ist. Dieses System ist extrem effizient und kommt bei den Gründern sehr gut an.