Fabrik2013 : Helden der Arbeit

Helden der Arbeit Fabrik2013 Cover
© Max Wegscheidler/Wolfram Otto

Die Fachtagung in Cannes war hochkarätig besetzt. Lackier-Spezialisten aller großen Automobilhersteller, mit den technische Finessen der Branche bestens vertraut, trafen sich im Frühjahr dieses Jahres an der Cote d´Azur zum Meinungsaustausch. Kein Publikum, das einfach zu beeindrucken wäre. Fiel ein Vortrag einmal etwas schlechter aus, breitete sich sofort Langeweile in den Gesichtern der Zuhörer aus. Und die Herren machten sich auch keine große Mühe, diese Langeweile zu kaschieren.

Als Ralf Dunkel über den Paint-Shop, so heißt die Lackierlinie bei Magna Steyr in Graz, referierte, war ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit der Expertenrunde dennoch sicher. Denn Dunkel, er ist als General Manager Painted Body der Verantwortliche für die Lackiererei, stellte ein Konzept vor, dass die Vertreter der OEM-Hersteller wegen seiner Komplexität zum Staunen brachte. „Als Auftragsfertiger hat Magna Steyr eine Lackieranlage in Betrieb, die in ihrer Flexibilität und Effizienz, tatsächlich einzigartig ist“, bestätigt Christian Morawetz, Gruppenleiter Produktionsoptimierung bei Fraunhofer Austria. Ein wegweisender Paint-Shop: Nicht zufällig einer der Gründe, warum Magna Steyr beim Fabrik2013-Wettbewerb den Sieg in der Kategorie Konzerne einheimste.

Evaluierung auf Herz und Nieren

19 Firmen bewiesen heuer jenen Mut, der zur Teilnahme an Österreichs härtestem Produktionswettbewerb notwendig ist: Acht Konzerne (über 5000 Mitarbeiter weltweit) und elf Unternehmen (unter 5000 Mitarbeiter) durften sich Hoffnung auf den Finaleinzug machen. Nach der Selbstevaluation mittels Fragebogen und der ganztägigen Vor-Ort-Evaluierung durch die Fraunhofer-Experten, bei der Produktionen unter anderem in den Kategorien Fertigungsverfahren, Liefertreue und Auftragsmanagement unter die Lupe genommen wurden, blieben vier Anwärter auf den Titel übrig. Sie präsentierten sich abschließend einer hochkarätig besetzten Wettbewerbsjury.

Besonders augenfällig: KMU präsentierten sich beim Thema neue Technologien heuer bärenstark. „Der Innovationsgeist kleinerer Teilnehmer ist erstaunlich“, resümiert Jürgen Minichmayr, Leiter Produktionsmanagement bei Fraunhofer Austria. Offenkundig auch: Betriebe nehmen ihre Mitarbeiter immer stärker als Unternehmensressource wahr, wie realisierte Projekte zur besseren Arbeitsplatzergonomie im speziellen – und der verstärkte Einsatz von KVP im allgemeinen – beweisen. Eine Scheu vor Kennzahlen ist zudem nur noch in Spurenelementen vorhanden: „Kaum ein Betrieb verzichtet heute auf deren Einsatz“, beobachtet Minichmayr. Dagegen ausbaufähig: Die Methodenimplementierung und der Informationsfluss im Werk – Bereiche, in denen sich die vier Finalisten allesamt hervorragend schlugen. Porträts der Top-Produktionen Österreichs.

Das Paint-Shop-Konzept von Magna Steyr steht stellvertretend für eine Gesamtphilosophie des Unternehmens, die Wolfgang Zitz, Vice President Contract Manufacturing und als solcher für den Produktionsbereich am Standort Graz zuständig, auf die ihm eigene trockene Art umschreibt: „Erfolg haben ist in unserer Branche ganz einfach. Man muss nur schnell, flexibel und kompetent sein.“ Nun, schnell ist die Magna-Steyr-Lackierlinie, weil man hier innerhalb von fünf bis sechs Monaten ab Auftragsvergabe eine völlig neue Karosserie in Serie lackieren kann. Die OEMs brauchen in ihren eigenen Werken für Umstellungen dieser Art deutlich länger. Flexibel ist die Lackieranlage, weil hier völlig unterschiedliche Modelle mit unterschiedlichen Materialien und Prozessen hintereinander ohne Rüstpausen lackiert werden. Und sie ist innovativ, weil die Flexibilität durch viele Techniklösungen ermöglicht wird.

Decklacklinie als Benchmark

Werden Karossen von zwei verschiedenen OEMs hintereinander lackiert, braucht es in aller Regel auch beim Klarlack eine unterschiedliche Strategie. „Klarlack-Vorgaben unterscheiden sich von Marke zu Marke. Da will jeder Hersteller seine individuellen Standards erfüllt haben“, erklärt Ralf Dunkel. Um diesem Anspruch zu genügen, haben die bei Magna Steyr eingesetzten Klarlack-Roboterarme einen Farbwechsler eingebaut, ein absolutes Novum. „Eine der technischen Notwendigkeiten für uns als Multi-OEM-Auftragsfertiger“, sagt Dunkel. Darüber hinaus sorgt ein intelligentes Puffersystem dafür, dass möglichst viele gleiche Karosserien in die Anlage hinter- einander einfahren und Basis- und Klarlack möglichst selten gewechselt werden müssen.

Besonderer KVP

Dass in Graz so viel geballte Innovation zuwege kommt, erklärt Vice President Zitz nicht zuletzt mit der besonderen Form des KVP. So genannte Prozessverbesserungsteams tragen als elementarer Bestandteil des Produktionssystems bereichsübergreifend zur Effizienzsteigerung in der Produktion bei. „Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, sagt Zitz. „Die Qualität der Vorschläge ist viel besser, seit die Teams diese selbstständig erarbeiten, und auch die Identifikation mit den Neuerungen ist deutlich höher.“

Als Heinz Paar vor knapp fünfzehn Jahren bei Fischer Edelstahlrohre Austria als Geschäftsführer an Bord ging, erlebte er einen Kulturschock. Paar kam von der hochtechnisierten Magna, wo er als Vice President Corporate Planning & Development werkte. Bei Fischer in Griffen war zu dieser Zeit noch Mittelalter angesagt: verrostete, kaum gewartete Anlagen, Verkaufskonzepte auf Greißlerniveau, ein Insolvenzfall. „Wir haben damals nicht bei null angefangen, sondern weit darunter. Das Unternehmen produzierte zu Unkosten ein langweiliges Standardprodukt, das keiner haben wollte“, erzählt Paar. Heute werden bei Fischer Edelstahlrohre Austria, dem Fabrik2013-Sieger in der Kategorie Unternehmen, Präzisions-Edelstahlrohre in einer Vielfalt gefertigt, die auch Fachleute beeindruckt: Die minimale Wandstärke der in Griffen produzierten Rohre beträgt 0,5 Millimeter, die Außendurchmesser reichen von 6 bis 120 Millimeter, die größte mögliche Rohrlänge kommt auf beeindruckende 28 Meter.

Managementbücher als Hobby

Doch das technische Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens ist damit noch nicht benannt. Bei Fischer Edelstahlrohre Austria werden auf selbst entwickelten Anlagen längsnahtgeschweißte und „In-Linie-geglühte“ Präzisionsedelstahlrohre gefertigt. Damit ist das Kärntner Unternehmen ein absoluter Technologieführer in der Branche. Und wächst dadurch auch deutlich kräftiger als andere. Während das durchschnittliche jährliche Marktwachstum für Edelstahlrohre in den letzten 15 Jahren mit 6,8 Prozent erhoben wurde, legte Fischer im gleichen Zeitraum durchschnittlich um 16,1 Prozent pro Jahr zu. Dass man mit einer hochtechnisierten, sehr diversifizierten Produktion derart erfolgreich ist, liegt nicht zuletzt am Bildungsdrang des Chefs. „Lektüre von Fachliteratur und Managementbüchern“ nennt Heinz Paar als sein Hobby. Das eigentlich für variantenarme Massenfertigungen konzipierte Kanban-Prinzip, bei dem es nur ein minimales Kommissionierungslager gibt, hat Paar erfolgreich für die überaus variantenreiche Beschaffung von Ersatz- und Verschleißteilen in Griffen adaptiert.

Generalstabsmäßige Planung

Die unglaubliche Akribie, mit der man bei Fischer Edelstahlrohre Austria zugange ist, fiel auch dem Evaluierungsteam von Fraunhofer Austria auf: „Es gibt wenige Unternehmen, die sich derart stark an aktueller Forschungsliteratur ausrichten“, sagt Fraunhofer-Austria-Mann Daniel Palm und benennt auch die vom Unternehmen erfolgreich umgesetzte Strategie: „Man hat sich für ein Laufmeterprodukt in innovativer Weise das Konzept eines Stückfertigers angeeignet.“

Zur generalstabmäßigen Planung bei Fischer passt auch, dass sich die fünf Topleute des Unternehmens jeden Tag zwischen 14.00 und 14.30 Uhr in einem sogenannten „war room“ zur Lagebesprechung treffen. Grundlage sind Daten, die eine OEE-Kaskade liefert. Den Zweck der Kaskade beschreibt ihr Name: Overall Equipment Effectiveness, die Gesamtanlageneffizienz. Die von der Kaskade gelieferten Daten sind derart genau, dass sie jede Maschinenstörung, jeden Bandausfall auf die Minute genau rückverfolgbar machen. Nachjustieren ist dann einfach. Die Stehtische, an denen die Manager und Ingenieure bei der täglichen Lagebesprechung stehen, sind übrigens so oval – und nicht kreisrund – gestaltet, dass darauf exakt fünf DIN-A4-Notizblöcke oder Tablets Platz finden. Effizient eben.

Hauptschlagader für Material

Effizient durchorganisiert ist auch die Produktion selbst. Entlang der Aorta, der Hauptschlagader, auf der sich das Material bewegt und zum fertigen Produkt wird, sind U-förmige Zellen angeordnet, in denen Zwischenschritte, etwa weitere wertschöpfende Arbeitsfolgen oder Qualitätskontrollen, vorgenommen werden. „Wenn einzelne Arbeitsfolgen nicht voll ausgelastet sind, können wir über erfolgreich umgesetzte Ein-Mann-versus-mehr-Maschinen-Konzepte die Produktionsabläufe glätten und eine quasi hundertprozentige Auslastung simulieren“, sagt Paar.

Die Suche nach Effizienz beschränkt sich in Griffen allerdings nicht auf die Führungsmannschaft. Der KVP, der kontinuierliche Verbesserungsprozess, wird in starkem Maße davon angetrieben, dass jedes Dreierteam in der Fabrik verpflichtet ist, zumindest einen KVP-Vorschlag pro Monat zu machen. Prämiert werden die besten Vorschläge im Rahmen einer Tombola am Jahresende.

Es ist ein volles Programm, das die achtköpfige Delegation des Kohleproduzenten Shenhua im Juli 2011 in Zeltweg abspult. Neben Besprechungen zur Maschinentechnik und einer mehrstündigen Werkbesichtigung gipfelt der mehrtägige Besuch der Chinesen beim Bergbaumaschinenhersteller Sandvik Mining and Construction in einem Abschlussabendessen unter dem Motto „Steirische Küche meets Chinese Kitchen“. Um auf die Partnerschaft anzustoßen, haben die Chinesen ihr traditionelles Hausgetränk Moutai mitgebracht. Die Stimmung ist herzlich. Wie gut es läuft, sehen die Steirer zu später Stunde: Der Delegationsleiter von Shenhua kündigt an, bei Hochleistungskohlebergwerken die Streckenauffahrungstechnologie durch Maschinen von Sandvik ersetzen zu wollen – besser könnte es nicht laufen.

Als Sandvik wenige Monate später, im September 2011, von Shenhua eine Anfrage über die Rekordlieferung von 20 bis 30 Maschinen erhält, glaubt in Zeltweg trotzdem mancher an einen Scherz. Bedeutete die angefragte Liefermenge doch ziemlich genau die Hälfte einer durchschnittlichen Jahresproduktion der Steirer. Sie gaben daher sportliche Lieferzeiten „von acht Monaten für die ersten zwei Maschinen und dann gestaffelt je zwei Maschinen per Monat an“, erinnert sich Sandvik-Sales-Manager Bruno Reumüller. Dann die Überraschung – den Chinesen ist es ernst. Im Februar 2012 kommt es zur Vertragsunterzeichnung. Damit der Riesenauftrag die Kapazitäten des Zeltweger Werks nicht sprengt – und sich eine akzeptable Gewinnspanne beim Abschluss mit den niedrigpreisverwöhnten Chinesen ausgeht –, gehen die Steirer massiv das Thema Prozessoptimierung in der Eigenfertigung an. Ein entscheidender Baustein: „Die völlige Neutaktung der Produktion“, schildert Sandvik-Zeltweg-Geschäftsführer Michael Viet. Deren Rekordumsetzung ist eines jener Highlights, die den Steirern zum Fabrik2013-Finaleinzug und hervorragenden Rang zwei in der Kategorie Konzerne verhalf. „Sandvik wendet bei extremer Fertigungstiefe moderne Methoden hervorragend an“, resümierte Fraunhofer-Austria-Produktionsexperte Daniel Palm.

Im Takt

Nicht nur in der Zeltweger Endmontage, wo 80 Mitarbeiter die rund 60 Maschinen pro Jahr endmontieren, wird man Zeuge dieser Fertigungsexzellenz. Hochgradig taktorientiert – das beeindruckte die Evaluatoren des Wettbewerbs ganz besonders – legen die Steirer auch ihre Vor- und Detailplanung an. Die Zaubermelodie der Taktung dringt aber auch in die mechanische Einzelteil- und Kleinstserienfertigung, wo die bis zu 3500 Teile einer Maschine, etwa Trommeln, Getriebegehäuse oder Ventilblöcke, produziert werden. „Wir definieren gewisse Kapazitätstöpfe und die werden schonungslos durchgetaktet“, erklärt Produktionsleiter Andreas Anbauer. Getaktet werden nicht Maschinen, sondern Material und Mitarbeiter. Letztere haben so mehr Eigenverantwortung, „wenn wir ihnen drei Tage Zeit zur Abarbeitung der Aufträge geben, aber nicht vorschreiben, wie diese Abarbeitung erfolgen muss“, lässt Anbauer seiner Fertigung durchaus Handlungsspielraum.

Die Einsparungen, die der Betrieb auf diesem Weg erreichte, sind schwindelerregend. Die Montage einer Maschine, die in Zeltweg bis vor kurzem noch in sechs Wochen erfolgte, dauert jetzt nur noch fünf. Die Gesamtdurchlaufzeit einer Maschine reduzierte sich um ein Drittel (aktuell: 110 Tage), der Umlaufbestand gar um 40 Prozent. Zugleich steigerten die Steirer deutlich ihre Flexibilität, indem sie die Prozessbedarfe über Wertstromanalysen nunmehr meisterlich dosieren: So werden etwa Getriebe genau zum richtigen Zeitpunkt an die Montage angeliefert. „Wo es ging, parallelisierten wir unsere Fertigungen“, schildert Anbauer.

Kennzahlenoffensive

Dem Ziel, die Produktionskosten am Standort bis 2015 um gut ein Fünftel zu senken, rückte Sandvik damit spürbar näher. Nachhaltige Optimierungslaune fanden die Fraunhofer-Austria-Evaluatoren aber in vielen weiteren Zeltweger Fertigungsbereichen vor. Dazu zählen auch Themen wie KVP, die Optimierung von Schweißplätzen – oder die Mehrmaschinenbedienung. Produktionsleiter Andreas Anbauer veranschaulicht die Effizienzsteigerungen anhand der Profilschleifanlagen im Verzahnungsbereich. Stand früher eine Maschine im Mittelpunkt, sind es jetzt zwei Maschinen, deren Betrieb ein Mitarbeiter verantwortet. „Die eine Anlage hier arbeitet gerade einen Auftrag ab, die andere wird vom Mitarbeiter gerüstet“, erklärt Anbauer. Und der dahinter liegende Prüfplatz beweist: Die Fertigung der Steirer ist eine der kurzen Wege.

Auch deshalb, weil „unsere Mitarbeiter bei allen Schlüsselmaschinen Kennzahlentafeln zur Dokumentation und Maschinenoptimierung vorfinden“, erzählt Sandvik-Standortleiter Gerhard Hubmann. Ein Punkt, der auch Fraunhofer-Austria-Produktionsexperte Andreas Jäger bei der Evaluierung beeindruckte: „Derart systematisch über alle Ebenen ziehen das nicht viele Produktionsbetriebe durch“, sagt er. Die Steirer messen online so etwa aufs Gründlichste die Anlageneffektivität. Bei einem Stillstand von länger als drei Minuten hinterlegt der Mitarbeiter Details dazu im System. Dasselbe gilt für Wartungsaufgaben: „Mitarbeiter sehen jederzeit, wie viele der wöchentlichen Wartungsaufgaben bereits umgesetzt sind“, so Hubmann.

Dass Magna Steyr beim Fabrik2013-Wettbewerb neben dem Hauptpreis auch den Sonderpreis Energieeffizienz gewonnen hat, hat schon seine Richtigkeit. Auch wenn es auf den ersten Blick verwirren mag. Ein Autobauer als Vorbild in Sachen Energieeffizienz? Gilt nicht der Autobau als ein Ressourcenfresser ersten Ranges?

Doch wo viel verbraucht wird, lässt sich auch viel einsparen. In Schadstoffen, aber auch in Geld gerechnet. So werden bei Magna in Graz allein in der Halle 8, der Lackiererei, durch Wärmerückgewinnung elf Prozent vom gesamten Energieaufwand eingespart. Weitere zwei Prozent kommen durch den Einsatz einer Wärmepumpe für die Lüftungsanlagen hinzu. Was der Umwelt nützt, ergibt auch einen monetären Vorteil: Allein in der Lackiererei sind es rund 700.000 Euro jährlich. Clevere Lackierprozesse. Dabei ist die Ausgangssituation für Energieeffizienzmaßnahmen im Grazer Magna-Steyr-Werk alles andere denn günstig. Die Werkshallen sind zum Großteil noch in Steyr-Daimler-Puch-Zeiten entstanden, als Energieeffizienz bestenfalls ein Fremdwort war. „Würde man heute bauen, hätte man das Werk diesbezüglich ganz anders ausgelegt“, sagt Wolf- gang Zitz, Vice President Contract Manufacturing und Standortleiter in Graz.

Dennoch, was geht, wird umgesetzt. Das gestaffelte Hochfahren von Anlagen sorgt zum Beispiel dafür, dass unnötige Belastungsspitzen vermieden werden. In den nächsten zwei Jahren wird die Beleuchtung am Standort flächendeckend auf LEDs umgestellt. Doch das sind Maßnahmen, die auch andere ergreifen. Was die Juroren des Fabrik2013-Wettbewerbs richtig beeindruckte, ist, wie tief bei Magna Steyr die Effizienzmaßnahmen in die Produktion hineinreichen. So etwa liegt der Fokus des Anlagenerneuerungskonzepts in der Decklacklinie auf Ressourcenschonung. Farbwechsler in den Roboterarmen senken den Materialverbrauch und die Schadstoffemissionen. Und die schmälere Bauweise der Lackierkabinen führt zu einer deutlichen Energieeinsparung – ein überaus cleveres Konzept.

Als Josef Tinzl im September die weitläufigen Hallen der Maschinenbaumesse EMO abschreitet, ist er auf alles vorbereitet. Die Intensität, mit der die Firmen ein neues Produktionsthema gleich als die vierte industrielle Revolution anpreisen, überrascht den Werksleiter dann aber doch. Von Industrie 4.0 – dem effizienten Zusammenspiel moderner Informations- und Kommunikationstechnik mit industriellen Prozessen – war allerorten die Rede. Ein Zukunftsthema, für das sich der Kupplungs- und Drehschwingungsdämpferhersteller, der Großmotorenbauer wie MAN, MTU oder Hyundai beliefert, nach dem Urteil der Fabrik2013-Evaluierer freilich längst die besten Bedingungen im eigenen Betrieb geschaffen hat: „Der Digitalisierungsgrad im Unternehmen ist sehr hoch und es sind die besten Ansätze zu sehen, um darauf zu schließen, dass der Betrieb hier in zehn Jahren weiter ist als andere“, fasst Fraunhofer-Austria-Produktionsexperte Andreas Jäger seine Eindrücke zusammen.

Stündliches Update

Gründe, warum die Kärntner Vorreiter sind, gibt es mehrere. Seit mehr als 15 Jahren wickelt das Werk in Bad St. Leonhard mittels Leitstands die Auftragssteuerung ab. Als der Lieferant schließlich in Konkurs gehen musste, entwickelten die Kärntner den Leitstand mit hoher Schrittfrequenz selber weiter. „Ziel war, das Arbeitsprogramm in der Fertigung über einen selbstoptimierenden Fertigungsleitstand – und nicht mehr auf Zuruf der Meister – zu planen“, erklärt Tinzl. Ein Vorhaben, das die Kärntner stufenweise über Ressourcen- und Fortschrittschecks (Material, CNC-Programm, Werkzeug, Personal, Auftragsfortschritt) spektakulär umsetzten: Der Leitstand, der alle Aufträge und Störungen überschaut, nimmt nun eine stündliche Neuplanung aller Aufträge vor.

2500 Aufträge täglich im Umlauf

Welcher der Bearbeitungsmaschinen wann ein Auftrag zugeteilt wird, hängt von mehreren Parametern ab. Sind das Material und das Werkzeug vor Ort? Sind die erforderlichen Mitarbeiter da – und ist das CNC-Programm fertig geschrieben? Oder muss der Arbeitsablauf aufgrund einer Störung über eine andere Maschine ausweichen? Erstaunliche 2500 Fertigungsaufträge sind im Betrieb so jeden Tag im Umlauf, rund hundert Aufträge finalisieren die Kärntner täglich, „indem sie das Leitsystem optimal über die 140 beplanten Arbeitsplätze jonglieren“, sagt Tinzl. Was die Wettbewerbsjury sicher auch positiv aufnahm: Die Kärntner tüfteln schon am nächsten Projekt.

Derzeit werden Auftragsdaten oder Benachrichtigungen der Instandhalter bei Maschinenstörungen noch „händisch durch den Werker in den Bildschirm eingegeben“, sagt Tinzl. Künftig, verrät der Produktionsprofi, sollen Auftragsdaten direkt aus der Maschine zur Betriebdatenerfassung genützt oder Störungslogs aus der Maschine an die Instandhalter übermittelt werden.