Energieeffizientes Produzieren : Grüne Kostenbremsen

Tunnelofen RHI
© Helene Waldner

Jürgen Minichmayr kennt seine Pappenheimer. Der Leiter der Abteilung Produktionsmanagement der heimischen Fraunhofer Austria Research GmbH befasst sich seit Jahren mit dem Energieverbrauch in heimischen Werkshallen – und hat schon einiges gesehen. „Nur langsam findet ein Umdenken statt“ sagt Minichmayr. „Am ehesten haben bisher noch die energieintensiveren Unternehmen den Kostenfaktor erkannt.“ 20 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs der Industrie könnten zu wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen bis 2020 eingespart werden, schätzt das deutsche Umweltministerium für die deutsche Industrie. Und das Einsparungspotenzial steigt konstant: Allein zwischen den Jahren 1997 und 2007 hat er sich in der Energieverbrauch der heimischen Industrie um 29 Prozent erhöht, wie die Energieagentur Austria vorrechnet. Wo wieviel eingespart werden kann, mag sich von Branche zu Branche, und oftmals von Betrieb zu Betrieb, unterscheiden. Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Querschnittbereichen, die praktisch alle betreffen. Zehn Grüne Kostenbremsen im Überblick (mehrseitiger Artikel, klicken Sie unten).

„Das Bewusstsein, in welchen Ecken eines Betriebes sich Einsparungspotenzial verbirgt, ist noch längst nicht überall vorhanden“, sagt Jürgen Minichmayr. Wichtig ist den Energieeinsatz in der Fabrik systematisch und durchgängig zu erfassen sowie hinsichtlich seiner Effizienz zu bewerten – beispielsweise mit der Energiewertstrom-Methode. Es gilt vor allem auch eingefahrene Strukturen in der Produktion zu hinterfragen. „Zuerst sind wir einmal mit offenen Augen durch alle Betriebe gegangen“, sagt Roman Knapp, Leiter des standortübergreifenden Energieoptimierungsprojekts beim Kärntner Chemieunternehmen Treibacher. Gemeinsam mit den Verantwortlichen an den verschiedenen Produktionsstätten begab sich Knapp auf die Suche nach allen möglichen Arten von überflüssigem Energieverbrauch: Vermeintlich selbstverständliche Abläufe wurden hinterfragt. Muss diese Anlage eigentlich durchgehend laufen, oder wird sie eigentlich nur in bestimmten Phasen benötigt und lohnt ein zwischenzeitliches abschalten? Könnte ein Produktionsschritt nicht mit etwas niedrigerer Temperatur, etwas geringerem Flüssigkeitsvolumen oder etwas niedrigerem Luftdruck durchgeführt werden? Welche Vorschläge kommen von den Mitarbeitern, die den jeweiligen Prozess am besten kennen? Solche Fragen waren der Ausgangspunkt für viele größere und kleinere Maßnahmen, die dem Unternehmen gemeinsam mit einigen Neuanschaffungen zukünftig 1,3 Millionen Euro im Jahr sparen sollen.

In vielen Fällen sind Motoren zu groß ausgelegt und werden daher nur mit Teillast betrieben. Je geringer die Auslastung, desto geringer sind Wirkungsgrad und Leistungsfaktor. In Zeiten niedriger Auslastung lässt sich der Wirkungsgrad durch einen einfachen Kniff erhöhen: Liegt der Leistungsbedarf unter einem Drittel der Nennleistung, raten Experten, die Motorwicklungen umzuklemmen. Dabei werden die Wicklungsstränge des Motors in Serie geschalten (von Dreieck- zu Sternschaltung) was den Anlaufstrom reduziert. Das Drehmoment und die Nennleistung des Motors gehen auf ein Drittel zurück, so dass der Antrieb wieder mit günstigem Wirkungsgrad arbeitet. Zudem ist es mit heute verfügbarer Technik möglich, Antriebe mit Drehzahlsteuerung elektronisch zu regeln. Damit wird die Prozesssteuerung verbessert, und gleichzeitig werden Verschleiß und Geräuschpegel vermindert. Beim Papierhersteller Mondi Frantschach speisten bislang vier elektromotorgetriebene Kompressoren das wichtige Druckluftsystem. Drei der vier Kompressoren konnten nur übergangslos zwischen Vollastbetrieb mit 400 kW und Leerlauf mit 100 kW umschalten. Um die Maschinen an ihre Leistungsgrenzen heranzuführen, wurden Spartransformatoren und Frequenzumrichter eingebaut. Die Motoren werden jetzt über ein Drehstromnetz versorgt und sind in ihrer Drehzahl verstellbar. Durch die Leistungssteigerung von stolzen 20 Prozent sind statt der bisherigen vier nur mehr zwei Kompressoren nötig. Leerlauf- und Schaltverluste fallen weg und gleichzeitig werden die Motoren schonender betrieben. „Zusammen mit den Optimierungen im Druckluftsystem bringt uns das Einsparungen von 119 000 Euro im Jahr“, sagt Projektleiter Franz Maischberger. Sein Team wurde für die Maßnahmen kürzlich von der EU-Kommission mit dem Motor Challenge Award 2009 ausgezeichnet.

Oft ist schon viel damit getan, die Löcher zu stopfen. Das System regelmäßig auf Leckagen zu prüfen, klingt zwar selbstverständlich, passiert aber in vielerorts schlicht und einfach nicht. Als man sich beim oberösterreichischen Plastikverarbeiter Greiner Packaging in Kremsmünster auf die Suche nach undichten Stellen im Druckluftsystem machte, stießen die Mitarbeiter gleich auf mehr als 70 Leckagen. Dadurch verlor das System pro Minute 35 Kubikmeter an Druckluft. Nach Sanierungsarbeiten an der Anlage liegt der Wert nun bei 17 Kubikmetern. Oft ist auch der Nenndruck höher als benötigt – auch hier kann man einsparen. Das erwärmte Kühlwasser oder die Kühlluft der Kompressoren kann in der Regel zu Heizzwecken verwendet werden. Vor der Anschaffung eines neuen Systems sollten Sie zudem abwägen, ob Sie nicht mit hydraulischen oder elektrischen Anlagen effizienter unterwegs sind. Weitere, oft unterschtätzte Einsparquellen im Druckluftsystem: Verbesserungen bei den Ansaugstutzen der Pumpen und Änderungen beim Anstellwinkeln der Laufschaufeln von Rotorblättern.

Überprüfen Sie alle Lüft- und Kühleinheiten – von den kleinsten, etwa jenen zur Kühlung elektronischer Baugruppen in Computern bis zu sehr großen Einheiten wie Brennluft-Gebläsen. Lassen sich dabei Aggregate mit veränderbarer Drehzahl einzusetzen, um flexibler im Stromverbrauch zu werden?Zudem lässt sich auch bei den Ventilatoren einiges an Einsparpotenzial herausholen, wobei die Ventilatoren selbst oft gar nicht ersetzt werden müssen. So konnte beispielsweise ein deutscher Bausystemhersteller in den vergangenen 12 Monaten 24 000 Euro einsparen, nachdem neue Riemenscheiben an den Ventilatoren die Trocknungsanlage gedrosselt haben.

Wann wurde das letzte Mal gewartet? Laufräder können angepasst und Drehzahlregler nachgerüstet werden. Verlaufen die Leitungen optimal oder kann auch hier nachgebessert werden? Was der Einsatz gänzlich neuer Projekte bringen kann, zeigt das Beispiel des Chemieparks im bundesdeutschen Marl (Nordrhein-Westfahlen). Die Betreibergesellschaft Infracor hat in verschiedenen Kälte- und Heizkräusläufen die alten Geräte durch Hocheffizienzpumpen ersetzt, die genau an die benötigten Förderhöhen und Volumina angepasst wurden. Mit Investitionen in Höhe von 40 000 Euro werde man mehr als 50 Prozent der bisher benötigten Energie und 11 700 Euro an jährlichen Kosten einsparen, heißt es bei Infracor.

Verbraucht wird Energie nur in der Umgangssprache, in Wahrheit wird sie bekanntlich umgewandelt. Bei den meisten industriellen Prozessen entsteht Wärme, die oftmals ungenutzt bleibt. Dabei lässt sie sich manchmal als Prozesswärme an anderen Stellen der Produktion weiter einsetzen. Die Wärme kann auch zur Heizung des Betriebs beitragen: als Abluft direkt in den Raum oder als Warmwasser, das dem Heizkreislauf zugeführt wird. Einen besonderen Weg geht man beim Tiroler Holzverarbeiter Fritz Egger. Bei Trocknungsprozessen im Betrieb entsteht Abwärme, die über eine Absorptionspumpe weiter erhitzt wird. Seit dem vergangenen Herbst speist das Unternehmen die Abwärme in das neue Fernwärmenetz der Gemeinde Sankt Johann. Bereits 300 Haushaltskunden hängen am Netz.

Bereits 80 Prozent des gesamten Strombedarfs stammen aus einem Kraftwerksblock, in dem Strom aus den Gasen erzeugt wird, die bei der Stahlproduktion entstehen. Im Rahmen der groß angelegten Erweiterungsmaßnahmen in Linz wird auch das Kraftwerk ausgebaut und soll künftig sogar 90 Prozent des Stroms für das Werk liefern. Auch am Standort Donawitz ist eine entsprechende Anlage im Betrieb. Erst im August hat die RHI im Kärntner Radenthein ein Kraftwerk fertiggestellt, das die Abwärme zweier Produktionsöfen zur Herstellung von Feuerfeststeinen zur Stromproduktion weiter verwendet. Dabei wird eine neue Technologie genutzt, die ohne Dampfturbine auskommt. „Diese Technologie wurde bis vor unserem Projekt weltweit erst ein einziges Mal eigesetzt“, sagt der im Konzern für Energie und Umwelt zuständige Christoph Stock. Die RHI will das System an weiteren Standorten einrichten und den Anteil der eigenen Stromproduktion am Gesamtverbrauch erhöhen.

Auch der Welser Schweißtechnikhersteller Fronius setzt bei seinen Schleppfahrzeugen in der Produktion auf Elektroantrieb. Doch die leisen und emissionsfreien Vehikel bringen Nachteile mit sich, etwa lange Batterieladezeiten und die oftmals nicht zufriedenstellende Lebensdauer der Batterien. Ein erstes von fünf Fahrzeugen hat Fronius nun auf Brennstoffzelle umgerüstet – und nutzt dabei hauseigene Technologien. Der Strom zur Wasserstoffherstellung stammt aus der bereits vorhandenen Solarstromanlage und wird via Elektrolyse erzeugt. Die Betankung dauert nur wenige Minuten, eine einzige Tankfüllung reicht für dreitägigen Dauerbetrieb bei insgesamt längerer Lebensdauer des Systems. Mittelfristig wollen die Welser alle ihre Schlepper auf die neue Antriebsform umstellen.

Von einer langlebigen Produktionsanlage zu sprechen ist in diesem Fall fast noch eine Untertreibung: 37 Jahre lang befand sich der Tunnelofen der RHI am Standort Veitsch in der Steiermark befand im Dauerbetrieb – sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag diente die 160 Meter lange Anlage zur Herstellung von Feuerfeststeinen. Zwar wurden über diesen Zeitraum häufig Veränderungen in der Steuerung der Anlage vorgenommen. Umfangreiche Instandsetzungsarbeiten wurden aber nie durchgeführt. Mit den vollen Auftragsbüchern der vergangenen Jahre wäre das auch nicht möglich gewesen, wie es aus dem Unternehmen heißt. Nach mehreren Wochen intensivierter Vorproduktion stellte man im Herbst den Ofen zum ersten Mal ab. Rund 70 Mitarbeiter machten sich an die Arbeit. „Jetzt haben wir wieder einen praktisch neuen Ofen“, sagt RHI-Energiemanager Christoph Stock. Insgesamt investierte die RHI zwei Millionen Euro in das Projekt. Über die Jahre wird sich die Investition auszahlen, denn der Erdgasverbrauch der Anlage reduzierte sich um 10 Prozent.

MetallverarbeitungPotenzial: Stromkosten bis zu 10 Prozent, Wärmekosten bis zu 20 Prozent Maßnahmen: Maschinenabschaltung in Schwachlastzeiten, Drosselung der Elektromotoren, Dämmung von Leitungen und Amaturen, Abwärmenutzung.KunststoffverarbeitungPotenzial: Kühlkosten bis zu 15 Prozent Maßnahmen: Abkopplung einzelner Produktionsanlagen vom Kühprozess, Leckageprüfung der Rohre.GalvanikPotenzial: Energieaufwand bis zu 20 ProzentMaßnahmen: Nutzung der Abwärme der Gleichrichter-Anlagen, Leckageprüfung der Druckluft- und Belüftungsanlage.Steinindustrie und KeramikPotenzial: Energieaufwand bis zu 25 ProzentMaßnahmen: Umstellen eines Brennofens von Strom auf Gas, Blockheizkraftwerk, Nutzung der Abluf durch Rauchgaswärme-Überträger.