Bauindustrie : Großer Prozess rund um Betrug der "Baumafia" in Wien

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© Peter Martens

In Wien geht wieder ein Prozess rund um große Betrugsfälle am Bau los, der zu einer Reihe an Prozessen gehört. Die Anklagen richten sich gegen insgesamt fünf Tätergruppen, rund 50 Personen. Nun ist die dritte dran. Die Arbeiterkammer fordert aus Konsequenz aus Bau-Betrügereien eine Generalunternehmerhaftung nach dem deutschen Modell.

Seit Mitte 2018 gibt es insgesamt zehn Anklagen, sagte der Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur APA. Aus einem Stammverfahren werden demnach immer wieder Anklageteile herausgetrennt. Inhaltlich geht es bei allen Prozessen um Betrug und die Bildung von kriminellen Vereinigungen. Grund ist Sozialbetrug im großen Stil. Insgesamt gab bzw. gibt es an die 80 Beschuldigte, die hinter 60 Scheinfirmen stehen sollen.

Laut Anklagen wurde über Scheinfirmen Abgaben- und Sozialbetrug begangen Dutzende Scheinfirmen dienten der Tarnung und wurden von Strohmännern geführt. In der Anklage, die am Freitag verhandelt wird, wird den mutmaßlichen Tätern ebenso unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Kurz gefasst ist der Vorwurf, dass ein Scheinunternehmen vortäuscht, Dienstgeber von Arbeitnehmern zu sein. Tatsächlich arbeiten die Arbeitnehmer aber für andere Firmen. Die Scheinfirmen zahlen Steuern- und Abgaben nicht und gehen in Konkurs, dann sind die Scheingeschäftsführer der Scheinfirmen nicht mehr oder nur äußerst schwer greifbar.

AK fordert Haftung des Generalunternehmers nach deutschem Vorbild

"Die AK fordert als Konsequenz vor allem die Einführung einer Generalunternehmerhaftung, wie es sie in Deutschland längst gibt", so AK-Präsidentin Renate Anderl zur APA. Sie fordert zudem "für öffentliche Aufträge die Beschränkung der Subunternehmerkette".

Konkret geht es aktuell gegen vier angeklagte Personen weiter, die ebenso beschuldigt werden, am Bau gewerbsmäßig betrogen zu haben. Zum Teil sitzen die mutmaßlichen Täter in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird ihnen von der Anklage das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs, des betrügerischen Anmeldens zur Sozialversicherung und der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) sowie Vergehen einer kriminellen Vereinigung.

Die Wiener Gebietskrankenkasse sowie die BUAK wurden laut Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) alleine durch diese Tätergruppe um rund 2,8 Mio. Euro betrogen. Die vier, zum Teil einschlägig vorbestraft, haben demnach rund 1.800 Scheinanmeldungen von Dienstnehmern über 13 Scheinfirmen vorgenommen und Beiträge für Sozialversicherung sowie BUAK wissentlich und gewerbsmäßig nicht abgeführt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Eine große Auftraggeberfirma war der oberösterreichische Fassadenbauer Sareno. Das Unternehmen zahlte im Mai des Vorjahres rund 63.000 Euro an Löhnen, Zinsen und Verfahrenskosten für zehn Arbeiter nach, die für eine Subfirma tätig gewesen waren. Insgesamt hatten sich vergangenen Herbst 21 Arbeiter an die AK Wien gewandt, weil ihre Löhne nicht bezahlt worden waren.

Geschwisterpaar als Drahtzieher - Schwester schon vorbestraft

Als Drahtzieher im neuesten Prozess und der dort angeklagten Tätergruppe sieht die WKStA ein Geschwisterpaar aus Ex-Jugoslawien mit österreichischen Staatsbürgerschaften. Die Schwester ist einschlägig vorbestraft, sie war "schon früher für diverse Scheinunternehmen in der Baubranche als Sekretärin tätig".

Daher habe ihr Bruder gewusst, "wie ein solches System funktioniert und wie viel Geld man damit verdienen kann". Nachdem die Schwester 2015 aus der Haft kam hätten "die beiden gemeinsam" mit einem nun Mitangeklagten den Entschluss gefasst, "ein eigenes System zur professionellen Täuschung der Wiener Gebietskrankenkasse und der BUAK aufzubauen". "Ihr Tatplan zielte darauf ab, mittels Scheinunternehmen für in der Baubranche tätige Arbeiter Anmeldungen zur Sozialversicherung und BUAK zur Verfügung zu stellen, ohne die dafür auflaufenden Lohnabgaben, Sozialversicherungsbeiträge und Zuschläge nach dem BUAK- und Abfertigungsgesetz zu entrichten", so die WKStA.

Der Bruder ist laut Anklage als Chef aufgetreten und war für Kundenkontakte zuständig. Die Schwester war demnach fürs Rechnungen schreiben zuständig und "soweit erforderlich" für die Buchhaltung. Der dritte in U-Haft sitzende mutmaßliche Täter war der Ansprechpartner für die Arbeiter am Bau. Viele der Scheinunternehmen waren nach wenigen Monaten pleite.

"Sobald die Behörden auf ein Scheinunternehmen aufmerksam wurden und maßnahmen zur Einbringung der aufgelaufenen Beiträge und Zuschläge setzte, wurde das nächste Scheinunternehmen gegründet und die Arbeiter auf dieses Anmeldevehikel umgemeldet."

So sollten dem Nutznießer des kriminellen Systems billige Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollten die Arbeiter im Gegensatz zu normaler Schwarzarbeit bei Kontrollen eine gültige Anmeldung vorweisen können und auch einen Versicherungsschutz haben. Dafür wurden die Scheinfirmen benötigt. Geschäftsführer waren "Personen aus einfachen Verhältnissen, die weder über die sprachlichen, noch die fachlichen Fähigkeiten verfügten, ein Unternehmen in Österreich zu führen". Die Geschäftsführer werden als "bloße Strommänner" bezeichnet. "Tatsächliche Machthaberschaft" hätten das Geschwisterpaar und ihr Komplize gehabt, die in U-Haft sitzen. Die Strohleute wurden für Unterschriften gebraucht, wurden auch auf Baustellen als Chefs präsentiert. Oft seien sie aus Ex-Jugoslawien nur für bestimmte Anlässe nach Österreich geholt worden.

Die "Dienstleistung" der Angeklagten bestand laut Anklage darin, ein Anmeldevehikel für Arbeitern zur SV und BUAK zu bieten. Pro Arbeiter und Monat verlangten die Angeklagten dafür rund 250 Euro. Sie selbst hätten nicht vorgehabt, mit den von ihnen kontrollierten Firmen wirklich tätig zu werden. "Nach ihrem Tatplan sollten die Arbeiter in Wahrheit für andere Personen oder Unternehmen tätig werden und die Anmeldung zur Sozialversicherung wahrheitswidrig auf die von ihnen gesteuerten Scheinunternehmen erfolgen."

Um die Behörden zu täuschen und den Einsatz "fremder" Arbeiter auf Baustellen zu rechtfertigen, seien meist Werkverträge zwischen den Scheinunternehmen und den tatsächliche Dienstgebern der Arbeiter abgeschlossen worden. "In regelmäßigen Abständen erstellten die Angeklagten Rechnungen in Namen der Scheinunternehmen, mit denen die 'Werkleistungen' gegenüber den wahren Dienstgebern abgerechnet wurden." Die überwiesenen Summen wurden schnell behoben. Damit wurden die Nettolöhne der Arbeiter bezahlt - der Rest stellte den Gewinn der Angeklagten dar. Die Arbeiter auf den Baustellen hatten laut Anklage nur einen eingeschränkten Einblick in das System. Auch ihnen sei eine gewisse Normalität vorgespielt worden - durch die Verteilung von Visitenkarten und Passkopien etwa.

In einem der verschiedenen Fälle wurden fünf Angeklagte einer Tätergruppe zu mehrjähriger Haft verurteilt. Im Dezember gab es eine Verhandlung gegen eine weitere Tätergruppe. Jetzt geht es eben mit der dritten weiter. (apa/red)