Autonomes Fahren : Grazer "Virtual Vehicle" demonstriert selbstfahrendes Auto in Wien

Unter dem Schlagwort "Hands-on" werden oft neue Technologien erlebnishaft vermittelt. "Hands-off" hieß es hingegen am Dienstag am Hafen Wien bei der Demonstration eines selbstfahrenden Autos des Grazer Forschungszentrums "Virtual Vehicle" (vif).

Während solche Präsentationen oft nahe am Schritttempo ablaufen, absolvierte das vif-Auto einen Parcours rasch und zeigte sich beim Ausweichen sicher. Das Auto ist ein umgebauter Ford Mondeo Hybrid.

Derzeit findet in Wien die Verkehrsforschungskonferenz Transport Research Arena statt, die größte Zusammenkunft ihrer Art in Europa (hier ein externer Link zu dieser Konferenz). Dabei tauschen sich rund 3.000 Forscher über neue Entwicklungen aus allen Verkehrsbereichen aus.

Das Grazer Roboterauto gibt es momentan in zweifacher Ausführung, die Fahrzeuge des 2003 in der steirischen Landeshauptstadt gegründeten vif, das mittlerweile rund 225 Mitarbeiter zählt, dienen als Forschungsplattform für die Automobilindustrie. Ein Bildschirm neben dem Lenkrad zeigt, wie das System die Umwelt wahrnimmt. Sonst unterscheidet sich das Cockpit kaum vom Serienmodell.

Drei Testfahrer in Österreich zugelassen

Am Fahrersitz ist das Anforderungsprofil jedoch ein anderes: Statt Lenken, Gasgeben, Schalten und Bremsen heißt es für Markus Schratter, Senior Researcher bei Vif und einer von drei vom Verkehrsministerium zugelassenen Testfahrern, Beobachten und Erklären. Schratter legte die Hände auf die Oberschenkel während das Auto anfährt.

Bei der Fahrt über die eigens abgesteckte Demonstrationsstrecke geht es durchaus rasant zu. Die demonstrative Gelassenheit des Forschers wirkt ansteckend, die anfängliche leichte Verkrampfung am Beifahrersitz weicht mit jedem Meter. Fernab vom Schritttempo manövriert sich das Auto zwischen teils eng gesetzten Leitkegeln hindurch und korrigiert seine ursprünglich geplante Route im Angesicht eines Pappkameraden in Menschengestalt.

Zahlreiche Industriepartner an Bord

Die Experten haben mit zahlreichen Industriepartnern ein eigenes Betriebssystem entwickelt, das mit der Bordelektronik verbunden ist. Seit rund einem Jahr arbeiten sie an diesem Versuchsfahrzeug, erklärte Schratter der APA. Die Algorithmen und intelligenten Computersysteme verarbeiten zahlreiche Informationen aus sechs in alle Richtungen blickenden Kameras, sechs Radarsensoren, einem Laserscanner am Dach und GPS-Informationen.

Der Datenstrom läuft in der Rechenplattform "Drive PX2" der Firma NVIDIA im Kofferraum zusammen. Das Fahrzeug verfügt über ein eingebautes ADAS-Kit (Advanced Driver Assistance System; deutsch: Fahrassistenzsystem) des US-Unternehmens Dataspeed Inc. mit dem alle zum Fahren notwendigen Systeme angesteuert werden.

Da das improvisierte Wiener Testgelände keine übliche Straßenumgebung bietet, orientiert sich der Demonstrator an zuvor festgelegten Punkten, "die dann kontinuierlich vom System angefahren werden", sagte Schratter. Am Bildschirm wird sichtbar, was das System "sieht". Verkehrsschilder oder der Umgebungsverkehr werden erkannt, ebenso Fußgänger, die sich am Gelände befinden.

Forschungszentrum in Graz: Sehr viel passiert virtuelll

Während die Hardware eine internationale Entwicklung ist, beschäftige man sich am vif sich vor allem mit der Entwicklung von Algorithmen bzw. der Absicherung solcher System. Je weiter die Technologie in Richtung Alltag entwickelt wird, desto lückenloser müssen Sicherheitsauflagen erfüllt werden, so Schratter.

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Vieles testen die Wissenschafter virtuell - also mittels Computersimulation. Darüber hinaus gibt es Fahrten auf Teststrecken. Beteiligt ist das Institut auch am zentralen steirischen Verbund zur Erforschung des autonomen Fahrens namens "ALP.Lab", in dessen Rahmen Teststrecken auf der Südautobahn (A2) und auf einer Erweiterung auf der Pyhrnautobahn (A9) vorgesehen sind. Als einziges Fahrzeug in Österreich dürfe der AD Demonstrator dort bereits fahren. "Datenaufzeichnen und Objektanalyse passieren schon im realen Verkehr. Wir fahren aber beispielsweise noch nicht automatisiert auf der Autobahn", betonte der Forscher.

Ohne Asphalt geht es nicht

Vieles könne man zwar abseits realer Straßen entwickeln, schlussendlich brauche es aber auch die Erfahrungen im tatsächlichen Verkehr, die den autonomen Systemen und ihren Entwicklern erlauben, das sichere Verhalten zu verfeinern. Eine genauere Prognose, wann diese Technologien einigermaßen im Alltag ankommen werden, traute sich Schratter noch nicht abzugeben: "Es wird aber passieren - vor allem in strukturierteren Umgebungen."

Als Forschungsinstitut befinde man sich an einem interessanten Punkt in der gesamten Technologieentwicklung, nämlich im "Vorwettbewerb", sagte Wolfgang Wachmann von vif. In dieser Phase sitzen miteinander am Markt konkurrierende Firmen noch gemeinsam am Tisch. Auf den Forschungs- und Testplattformen fasse man in zahlreichen Projekten internationale Autokonzerne, die in Österreich starke Zulieferindustrie und Universitäten zusammen. "Wir verstehen uns da als Inkubator", sagte Wachmann.

(Von Nikolaus Täuber, APA/red)