Smart Cities : Grätzel-Zellen

Der Science Tower im Westen von Graz wird das modernste Gebäude Österreichs. Davon ist zumindest Bernhard Hammer überzeugt. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der equadrat engineering GmbH und federführend an diesem Projekt beteiligt: "Der Science Tower ist ein Leuchtturmprojekt, das zeigen soll, welche Technologien verfügbar sind."

Hammer widerspricht gar nicht, wenn man einwendet, dass das Konzept der Smart City bis dato aus vielen Überschriften und wenigen Inhalten besteht: "Da kann man nichts tun. Es sind halt leider viele Dampfplauderer unterwegs." Hammer hingegen hat schon ganz genaue Vorstellungen von der intelligenten urbanen Zukunft: "Smart City ist eine Stadt, die sich in vielen Bereichen intelligent vernetzt. Das beginnt mit dem Wohnen, reicht über die Mobilität und Kommunikation bis hin zum Einsatz erneuerbarer Energien und der lokalen Verwertung von Abfällen. Smart bedeutet, eine Immobilie so zu bewirtschaften, dass sie in der Vernetzung mit anderen steht."

Bessere Lastverteilung

Die Smart City Graz – deren erstes Gebäude der Science Tower sein wird – setzt in punkto Energie vor allem auf lokale Erzeugung durch Grätzel-Zellen, eine Technik, die auf dem Prinzip der Photosynthese basiert. "Die hat nicht die Maximalleistung einer monokristallinen Photovoltaikanlage, liefert aber übers Jahr gesehen eine höhere Energiemenge, weil auch senkrecht und indirekt auffallendes Licht in Energie umgewandelt werden kann", so Hammer. Die Grätzel-Zelle ist durchsichtig und kann daher auch als Gestaltungselement, außen wie innen, verwendet werden.

Der Science Tower wird mit einer Glashülle aus Grätzel-Zellen ausgestattet sein. "Die Fassade ist künftig einer der wichtigsten Bauteile von smarten Gebäuden. Die muss nicht mehr nur dem Wetterschutz und architektonischen Ansprüchen gerecht werden, sondern sie wird zum intelligenten Energielieferanten", erklärt Hammer.

Das Konzept der Smart City sieht neben der lokalen Erzeugung von Energie auch deren lokalen Verbrauch vor. Die verschiedenen Gebäude und Einheiten übermitteln sich, je nach Bedarf, wechselseitig Energie. Der Überschuss wird in Batterien gespeichert. Ziel ist die bessere Lastverteilung über Mikronetze. "Das wird vor allem dann ein Thema, wenn die Elektromobilität weiter zunimmt", sagt Hammer. "Stellen Sie sich vor, Dutzende Leute kommen von der Arbeit nach Hause und alle beginnen, ihr Auto zu laden." Dazu braucht es eine intelligente Steuerung zur Vermeidung von Spitzen.

Styropor ist nicht smart

Daneben soll die Vernetzung den energetischen Haushalt von Wohnungen stabil halten, auch wenn die Familie zwischen sechs und neun Uhr geschlossen das Haus verlässt und erst am Abend wieder zurückkehrt. "Es braucht Regelungen, die mit Wettervorhersage und Wetterwarnungen für Lüftung und Beschattung sorgen."

Hammer hält viel von energiesparender Bauweise, denn "Energie, die man nicht verbraucht, braucht man auch nicht einzusparen", aber er hält gar nichts von der Fassadendämmung mittels Styropor. "Gebäude, die man im Sinne der Smart City baut, müssen wiederverwertbar sein." Stichwort: "Urban Mining". Styropor ist das nicht, weshalb es nicht intelligent ist. Stand der Technik sind hingegen zweischalige Fassaden mit einem Dämmkern.

Beim Thema der Wiederverwertbarkeit gibt es ohnedies noch großen Optimierungsbedarf. "In Deutschland kommen heute 65 Prozent des Restmülls aus 'Baurestmassen'. Autos sind dagegen zu 85 bis 90 Prozent wiederverwertbar."

Der Recyclinggedanke geht so weit, dass man den Science Tower mit einer Biogasanlage ausstattet. Hammer: "Die Abfälle und Abwässer, die dort entstehen, werden in einer lokalen Biogasanlage zu Strom gemacht." Ähnlich wie im Faulturm einer Kläranlage – übrig bleibt Dünger für die Landwirtschaft. "Die Abfälle lokal zu verwerten ist ein wesentliches Merkmal von Smart Cities", so Hammer.

Smarte Mobilität

Last, but not least werden für die Smart City Graz auch Mobilitätskonzepte nach dem Motto "Teilen ist das neue Besitzen" mitentwickelt. Ziel ist die einfache Verfügbarkeit und Möglichkeit zur temporären Anmietung von Autos. Damit zumindest das Zweitauto ersetzt werden kann, auch um das permanente urbane Problem zu weniger Stellplätze zu entschärfen. "Wohnen und Bauen ohne Mobilität zu denken, wird zukünftig unmöglich sein", meint Hammer. Es wird nicht mehr reichen, einfach nur eine Straße in eine neue Siedlung zu bauen.

Schlechte Nachrichten gibt es für die Anhänger wohliger Bauernstuben-Romantik: In Smart Cities wird es keinen Rauchfang mehr geben, weshalb "zumindest im urbanen Bereich das Ende des Kachelofens eingeläutet ist." Hammer meint, dass der aber auch gar nicht notwendig sein wird: "Es wird stattdessen einen Thermobildschirm geben, der uns den Kachelofen vorspielt." Dass sich dann nicht viele doch in ihren smarten Gebäuden ein paar dumme Stuben zurückwünschen, kann nicht garantiert werden.