KEP-Dienste : Gleich und gleicher?

Allzu dämonisch wirkt der Gottseibeiuns nicht. Walter Trezek ist ein freundlicher Mann mit druckreifer Sprache – und der Neigung zu klaren Aussagen. „Die zollrechtliche Besserstellung der Österreichischen Post verstößt grundlegend gegen europäisches Recht. Es gibt nur niemanden, der das wirklich anzündet.“ Mit Sätzen wie diesen verdient sich Trezek, der als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Document Exchange Network seinen Status als persona non grata bei der Österreichischen Post. Doch Trezek ist nicht irgendjemand. Der Jurist ist ehemaliger Leiter der Abteilung Neue Technologieanwendungen der Post AG und als Experte für hybride und elektronische Postdienste in vielen europäischen Normierungs-Gremien.„Vernünftige Gesprächsbasis“Im teilweise immer noch angespannten Verhältnis der „privaten“ KEP-Dienste zur längst ebenfalls privaten Post AG sind Aussagen wie diese eher selten zu hören – man ist nett zueinander. Peter Umundum, Post-Vorstandsdirektor der Division Paket und Logistik, spricht von einer „vernünftigen Gesprächsbasis zu allen Mitbewerbern. Es ist aus meiner Sicht ein professionelles Verhältnis.“ Rainer Schwarz, Geschäftsführer von DPD Austria, klingt nicht ganz so zufrieden, formuliert seine Kritik aber zurückhaltend: „In unserer Branche wird in einigen Bereichen nicht mit gleichen Maßstäben gemessen. Das Postmarktgesetz von 2011 hat in Wahrheit dazu geführt, dass wir, die wir jetzt seit 25 Jahren am Markt sind, und zwar immer schon in einem liberalen Umfeld, Beschränkungen auferlegt bekamen.“ Die Idee, dass alle Beteiligten versuchen sollten, in Bereichen wie etwa der City-Logistik zu gemeinsamen Konzepten zu finden, sei zwar schön, werde aber durch die „feinen Unterschiede“ in den gesetzlichen Vorgaben konterkariert. Hier geht´s weiter

Als aktuelles Ärgernis nennt Schwarz etwa die Anforderung, alle Marktteilnehmer sollten zur Finanzierung der Regulierungsbehörde RTR beitragen: „Wir dürfen zwar bezahlen, aber erhalten dafür keine Leistung.“ Die Diskussion, ob nicht nur die per Gesetz als Universaldienstleister benannte Österreichische Post für die Finanzierung aufkommen müsse, führt zur Zeit auch DHL Express Austria. Deren Geschäftsführer Ralf Schweighöfer ortet hier allerdings nicht mehr als eine „Unklarheit im Gesetz“, die derzeit geklärt werde. Im Übrigen seien die gesetzlichen Rahmenbedingungen „grundsätzlich vernünftig“. Weiter wachsender Markt Die allgemeine Höflichkeit korrespondiert mit dem wirtschaftlichen Status der Branche. Räumt man KEP-Diensten Indikator-Funktion für konjunkturelle Entwicklungen ein, so sind die Rückmeldungen durchaus beruhigend. Peter Umundum konnte im ersten Halbjahr in seinem Bereich „nichts von einer Abschwächung der Wirtschaft bemerken“: Die Post erlebte ein Umsatz- und Absatz-Plus im heimischen Markt im zweistelligen Bereich, erfolgreich war man sowohl im B2B- als auch im B2C-Segment. Express-Spezialist DHL verweist auf ein „verhaltenes, aber immer noch solides Wachstum“ zwischen 2,5 und drei Prozent, „wir bemerken also von konjunktureller Abschwächung nur wenig“. Vorsicht auf Seiten der Kunden ortet auch Rainer Schwarz, der im nationalen Geschäft ein Erreichen des Vorjahreslevels erwartet. „Stärker bemerken wir es im internationalen Bereich: Im Export sehen wir im Vergleich zu den Jahren davor bei einigen Ländern ein deutlich niedrigeres Wachstum – statt sechs bis acht Prozent Wachstum liegen wir derzeit irgendwo zwischen zwei und drei Prozent. Das ist, zugegeben, immer noch Wachstum, aber es geht zurück. Es geht uns nicht schlecht, aber es wird schwieriger.“ Wenig Kooperation Schwierig, so Rainer Schwarz, sei allerdings auch die Kooperation mit dem Mitbewerb. „Die findet kaum statt. Leider, muss ich sagen. Der Markt ist in Österreich ja nicht besonders groß, hier gibt es neben der Österreichischen Post nur ein paar größere Player. Und obwohl unsere Zusammenarbeit mit der Post einmal sehr eng war – da sie ein Gesellschafter von uns war –, herrscht seit dem Börsegang der Österreichischen Post AG ein extrem starker Wettbewerb zwischen uns beiden. Und natürlich gibt es da immer die Befürchtung: Falls man kooperiert, könnte der Partner etwa auch wissen, welche Volumina und welche Kunden man hat.“ Selbst bei niederschwelligen Kooperations-Möglichkeiten wie etwa im Ausbildungsbereich geschehe zu wenig. Hier geht´s weiter

Walter Trezek hält solche Themen für Peanuts angesichts der „riesigen Wettbewerbs-Fragen“, die auf europäischer Ebene auf den KEP-Markt zukämen. Dabei, präzisiert er, gehe es um den B2C-Bereich – „hier spielt sich das Wachstum ab, und hier gibt es auch das Konfliktpotenzial.“ Während es im B2B-Segment immer schon einen relativ starken Mitbewerb gab (die Österreichische Post peilt laut Peter Umundum für dieses Jahr einen Marktanteil von 20 Prozent an), befindet sich der Bereich B2C nach wie vor zu rund 75 Prozent in Händen der Post. Was dieses Segment so attraktiv macht, ist nicht zuletzt der Boom des E-Commerce in den vergangenen Jahren. Amazon und Co. sorgen für gewaltige Wachstumsraten. Postpakete bis zu zehn Kilogramm fallen laut Postmarktgesetz in den Bereich des Universaldienstes, sollten also laut politischem Willen der EU mit dem 2011 in Kraft getretenen Gesetz einer vollständigen Liberalisierung unterliegen. Und hier ortet Trezek die Kalamitäten: Ein wichtiger Punkt sei das Zollrecht: Als Universaldienstleister unterliege die Österreichische Post hier einem einstufigen Verfahren statt – wie der Mitbewerb – einem zweistufigen. „Das bringt unglaubliche Vorteile in der Abwicklung: Sie können viel besser konsolidieren – nicht jedes einzelne Paket, sondern alle in Bausch und Bogen –, Sie haben Transitfreiheit durch die Staaten, Sie haben ein internationales Abrechnungssystem, das Sie zu Grenzkosten verwenden können.“ „Nationales Recht ist dagegen unwirksam.“ Zum Wettbewerbs-Thema, meint Walter Trezek, werde dieses Ungleichgewicht spätestens mit der weltweiten Implementierung der Grenzkosten-basierenden IT-Systeme des Weltpostvereins werden, „die konkurrenzfähig sein werden mit den Systemen einer UPS oder einer FedEx. Diese Systeme erlauben es, Pakete zu Grenzkosten weltweit zu verfolgen, abzurechnen, bei Airlines zuzuladen – und das alles auch noch mit Postfinanzdiensten zu kombinieren.“ Der Mitbewerb, sagt Trezek, werde Zutritt zu diesen Systemen verlangen, „und juristisch ist völlig klar, dass dieser Zutritt auch zu gewähren ist. Nationales Recht, das dem Universaldienstleister Vorteile einräumt, ist dagegen unwirksam.“ Hier geht´s weiter

Peter Umundum bezeichnet den Kritikpunkt als nicht begründet: „Es ist ja der europäische Zollkodex, der derzeit ganz allgemein keine Verpflichtung zur elektronischen Zollanmeldung für ,Briefe, Drucksachen, Postkarten´ und ,nach dem Weltpostvertrag beförderte Waren´ vorsieht.“ Eine „Besserstellung der Österreichischen Post, die gegen europäisches Recht verstößt“, wie Trezek behaupte, bestehe daher nicht. Wem gehören die Abgabeboxen? Weiteres Konfliktpotenzial bieten in Trezeks Augen die Abgabeboxen in den Ballungsräumen – ein Konzept, das derzeit in Europa Schule macht: Ähnlich wie beim Briefkasten verfügt der Konsument über eine individuelle Box, in der die Pakete landen, falls der Kunde zum Zustellungszeitpunkt nicht angetroffen wird. Walter Trezeks Argument: „Das ist Infrastruktur, die exklusiv der Österreichischen Post zusteht – ähnlich wie die Hausbrieffachanlagen. Es kann aber doch nicht sein, dass sich ein marktbeherrschendes Unternehmen in einem bestimmten Marktsegment einen Vorteil auf der letzten Meile verschafft, indem es eine Infrastruktur, die Dritte anschaffen müssen, exklusiv nutzt. Das ist ja eigentlich denkunmöglich.“ Das Dilemma, dass ein Unternehmen den Mitbewerb laut PMG nicht vom Universaldienst ausschließen darf, versuche die Österreichische Post zu umgehen, „indem sie Dritten Eigentum an diesen Boxen suggeriert. Letztendlich ist es eine Verfügung des Empfängers, im Ersatzfall in die Box einzulegen. Das ist nicht rechtswidrig, aber wenn Sie das im Rahmen des Universaldienstes machen, schaffen Sie eine zumindest teil-flächendeckende Infrastruktur, die Sie Dritten öffnen müssen. Dieser Punkt ist zumindest regulierungsbedürftig.“ Von Universaldienst könne hier keine Rede sein, entgegnet Umundum, die Kritik sei daher nicht nachvollziehbar. „Die Österreichische Post installiert im Einvernehmen mit den Gebäudeeigentümern zum Vorteil der Endkunden diese neuen Abgabeeinrichtungen“, erklärt der Post-Vorstand. „Diese Innovation bietet die Post freiwillig an, um den Empfängern die Abholung ihrer Einschreib- oder Paketsendung in der Nähe ihrer Wohnung zu ermöglichen und ihnen den Weg zur nächsten Post-Geschäftsstelle zu ersparen. Es handelt sich dabei um keine Verpflichtung im Rahmen des Universaldienstes.“ Jedem anderen Marktteilnehmer stehe es ebenso frei, mit Gebäudeeigentümern die Errichtung von Abgabeeinrichtungen zu vereinbaren. „Keine wesentliche Infrastruktur“. Trezeks Vergleich der Boxen mit den Hausbriefkästen sei also juristisch unzutreffend: Während diese laut PMG jedem Marktteilnehmer zugänglich sein müssen, um jedem Postdienste-Anbieter die Zustellung von unbescheinigten Briefsendungen zu ermöglichen, seien die Postempfangsboxen eben eine neue, zusätzliche Abgabevorrichtung für bescheinigte Sendungen, die die Post ihren Endkunden anbietet. „Der Markt für Paketdienste ist seit jeher liberalisiert“, betont Umundum. „Die neuen Postempfangsboxen stellen keine wesentliche Infrastruktur dar, von deren Zugang das Fortbestehen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Mitbewerbs abhängt, immerhin bestehen seit Jahren wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zur Aushändigung der Sendungen an die Empfänger. Inwieweit hier eine ,Regulierungskompetenz´ einer Behörde gegeben sein soll, ist nicht verständlich.“ Dass die Marktteilnehmer diese Themen nicht „anzünden“, erklärt sich Walter Trezek so: „Der Mitbewerb lässt sich das im Moment in meinen Augen als Randthema gefallen. Die warten ab, ob es in den Ballungsräumen zu größeren Ausrollaktionen kommt. Sollte das der Fall sein, wird sich sicherlich etwas tun.“ Zustellung ohne Post? Der Druck könnte aber auch von ganz anderer Seite kommen. „Für Österreich kann ich mir sehr gut vorstellen, dass dritte Unternehmen – angefangen bei Amazon bis hin zu Paketdiensten – beschließen, im B2C-Bereich auch ohne die Post zuzustellen. Das einzige, das sie dazu brauchen, sind Paketstationen à la Deutsche Post.“ Derartige Modelle kündigten sich bereits an und seien zum Teil auch schon ausfinanziert. „Es gibt derzeit zwei, vielleicht auch drei Netzbetreiber, die nach Österreich schielen, um derartiges aufzubauen. Wir nähern uns im B2C-Bereich einer Situation an, in der Zustellung ohne Post durchaus möglich ist.“ Welche Netzbetreiber das seien? Dürfe er noch nicht sagen, meint Walter Trezek. Aber der Gedanke scheint ihn zu amüsieren. Bernhard Fragner