Transportlogistik : Gebrüder-Weiss-CEO Senger-Weiss: "Wir brauchen mehr Europa"

Gebrüder Weiss-Chef Senger-Weiss
© Gebrüder Weiss

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Senger-Weiss, kurzfristige Verschiebungen in den Handelsströmen und volatile Märkte gehören für Logistiker zum Geschäft. Die Pandemie störte diese diffizil eingespielte Systematik jedoch gröber. Was prägt den Jahresauftakt?

Wolfram Senger-Weiss: Einerseits begleitet uns das Gefühl, dass das Vorjahr noch nicht geendet hat. Die Hoffnungen, ohne längere Lockdown-Phasen ins neue Jahr starten zu können, haben sich leider nicht bewahrheitet. Das drückt ein wenig auf die Grundstimmung. Andererseits ist Gebrüder Weiss erfolgreich durch 2020 gekommen und das gibt uns Energie und Stärke.

Aus wirtschaftlicher Perspektive ist eine gewisse Stimmungsaufhellung zu spüren: Unternehmen treffen Vorbereitungen für die Rückkehr der Konsumkraft, wie wir es auch 2009 beobachtet haben. In der Industrie dürften sich die Auftragsbücher füllen, es beginnt das Auffüllen der Lager mit Vorprodukten. Erhöhte Nachfrage kommt aus China. Wir waren in jeder Phase nahe am Kunden und konnten Marktanteile gewinnen. Das gibt uns Zuversicht, gestärkt aus dieser Krise hervorgehen zu können.

Die Aufbruchsdynamik macht freie Logistikkapazitäten speziell in der Luft- und Seefracht derzeit zum knappen Gut...

Senger-Weiss: Wir erwarten, dass der Peak bis zum chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar anhält und sich die Lage dann wieder etwas normalisiert. Engpässe bei den Vor- und Nachläufen zu den Häfen verstärken das Problem der fehlenden Schiffskapazitäten. Unsere Teams sind extrem gefordert das erhöhte Informationsbedürfnis von Kunden und Lieferanten zu stillen und Aufträge abzuwickeln. Wir haben seit Ausbruch der Pandemie versucht jeden Auftrag positiv zu erfüllen und sind zuversichtlich, dass unsere Kunden diesen Umstand nicht so schnell vergessen.

Viele gingen die Extrameile - ein Umstand, der Kunden, Partner und ihre 3.000 Mitarbeiter in Österreich in schwierigen Zeiten ein wenig mehr als sonst üblich zusammenschweißt?

Senger-Weiss: Ja, die Mitarbeiter haben Unglaubliches geleistet. Die besondere Situation hat verbunden und Entscheidungswege weiter verkürzt.

Unterstützung bei der Echtzeitbereitstellung von Informationen in Warenströmen finden Kunden im digitalen Kundenportal von Gebrüder Weiss (myGW, Anm.). Der Marktstart 2020 war eine Punktlandung, oder?

Senger-Weiss: Definitiv, das war unsere Antwort auf das gestiegene Transparenzbedürfnis unserer Kunden. Unabhängig von ihrem Arbeitsplatz erhalten unsere Kunden im Portal volle Transparenz über ihre Aufträge, können Sendung verfolgen oder Dokumente abrufen. Im Vorjahr haben wir das Feature ETA (voraussichtliche Ankunftszeit) für den Landtransport ergänzt. Weitere Funktionalitäten sind in Umsetzung. So arbeiten wir beispielsweise mit wissenschaftlichen Partnern an Logiken wie man gewerbliche und private Kunden im Vorfeld differenzieren kann, um zusätzliche Services anbieten zu können.

Der Güterverkehr bleibt von den verschärften Einreiseregeln in Österreich bis dato ausgenommen, in Deutschland wurde laut über eine zeitweilige Stilllegung der öffentlichen Personen- und Fernverkehrsnetze zur Pandemieeindämmung nachgedacht. Aus Ihrer Sicht: Muss man sich um den freien Warenverkehr sorgen?

Senger-Weiss: Überlegungen, die in Richtung Einschränkung des freien Warenverkehrs in Europa gehen, sind gefährlich. Die negativen Folgen wären in der Industrie und auch beim Konsumenten unmittelbar zu spüren. Die Sperre der Grenze nach Großbritannien vor Weihnachten hat gezeigt, wie rasch die Situation eskalieren kann. Wir brauchen dringend wieder weniger nationalstaatliche Sicht und mehr Europa.

Vielen Dank für das Gespräch!