Hintergrund : Für den Iran sind Sanktionen der USA schlimmer als Krieg

Meer, schöne Natur, friedliche Atmosphäre, leckere Fischgerichte und nette Einwohner. Das sind die Merkmale der Inseln in der südiranischen Provinz Hormozgan. Aber schon bald könnte aus diesen idyllischen Touristeninseln am Persischen Golf ein Kriegsschauplatz werden. Die Inseln liegen nämlich in der Nähe der Straße von Hormuz. Dort könnte es nach Einschätzung von Beobachtern am ehesten zu einem militärischen Konflikt zwischen dem Iran und den USA kommen.

Durch die Straße von Hormuz wird nämlich fast ein Drittel der weltweiten Ölexporte verschifft. Auch das iranische Öl, zumindest bis vor Beginn der neuen amerikanischen Sanktionen. "Falls eines Tages die USA wirklich den iranischen Ölexport blockiere sollten, dann wird überhaupt kein Öl mehr vom Persischen Golf exportiert", sagte Präsident Hassan Rouhani. Damit meinte er eine Blockade der Meerenge von Hormuz. Dies könnte neben einer globalen Ölkrise auch einen verheerenden Krieg zur Folge haben.

Auf der anderen Seite des Golfs liegen nämlich Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), zwei arabische Staaten, die mit den USA verbündet und dem Iran verfeindet sind. Vor allem die saudische Propaganda gegen Teheran läuft seit Wochen auf Hochtouren. Das sunnitische Königreich sieht im schiitischen Nachbarn den Dämonen der Region. Die saudischen Zeitung "Arab News", so etwas wie das englische Sprachrohr des Landes, befürwortete in diesem Monat sogar "chirurgische Angriffe" gegen den Iran. Wo so gezündelt wird, kann es schnell zur Explosion kommen.

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An diesem Donnerstag will Saudi-Arabien bei einem Gipfeltreffen die anderen Länder der Region um sich scharen. In der für Muslime heiligen Stadt Mekka kommen die Anführer der Mitglieder des Golf-Kooperationsrates und der Arabischen Liga zu einem Krisentreffen zusammen, um über die iranischen "Aggressionen" in der Region zu reden. Seit Wochen wirft Riad dem Iran immer wieder Gewaltakte in der Region vor. Und US-Sicherheitsberater John Bolton machte den Iran für angebliche Angriffe auf vier Handelsschiffe vor der Küste der Emirate, unweit der Straße von Hormuz, verantwortlich.

Damit der Konflikt nicht noch weiter eskaliert, soll nun der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe zwischen den beiden Seiten vermitteln. Abe hat sowohl gute Beziehungen zu US-Präsident Donald Trump als auch zum Regime in Teheran und wäre somit ein geeigneter Vermittler. Er soll Mitte Juni nach Teheran kommen, um Präsident Rouhani zu überzeugen, mit Trump diplomatische Gespräche zu beginnen. Rouhani hat Verhandlungen mit Trump nicht gänzlich ausgeschlossen, will aber im Vorfeld eine Rückkehr der USA zum Wiener Atomabkommen von 2015 sowie die Aufhebung der US-Sanktionen.

Vor dem Hintergrund der Spannungen mit Saudi-Arabien bot der Iran zudem an, einen Nichtangriffspakt mit allen Golfstaaten zu unterzeichnen. "Wir hatten die Unterzeichnung eines solchen Pakts mit allen Staaten am Persischen Golf schon mal vorgeschlagen ... dieser Vorschlag ist weiterhin auf dem Tisch", sagte Außenminister Mohamed Javad Zarif. Der Iran wolle "die besten Beziehungen" zu den Golfstaaten. Dieser Pakt würde diese Absicht unterstreichen und zur Entspannung in der Region führen, so der iranische Chefdiplomat.

"Krieg wäre Zukunft, Sanktionen sind unsere Gegenwart"

Vor einem Kriegsszenario haben aber überraschenderweise die Inselbewohner vor der Straße von Hormuz weniger Angst. Die leiden vielmehr unter den US-Sanktionen, die seit Monaten ihre Existenz bedrohen. "Krieg ist Zukunft, Sanktionen aber Gegenwart ... das Problem sind unsere leeren Taschen, nicht ein eventueller Krieg", sagt der 43-jährige Mansur M. von der Insel Hormuz.

Seit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen und Verhängung neuer Sanktionen steckt der Iran in einer akuten Wirtschaftskrise. Die nationale Währung Rial ist seit Monaten nur noch die Hälfte wert. Die Menschen leiden unter der astronomischen Inflation und müssen sparen. Für Reisen oder Shoppen ist kein Geld mehr da.

Die fast 5.000 Einwohner der Insel Hormuz verdienen ihr Geld hauptsächlich mit Tourismus und Fischerei. Bei beiden Einnahmequellen mussten sie jedoch wegen der Sanktionen schwere Verluste hinnehmen. Es kommen immer weniger Touristen und dementsprechend wird auch weniger Fisch gegessen. "Das ist für uns weitaus schlimmer als die Raketen des Großen Satans (USA)", sagt die Inselbewohnerin Somayeh. Vor Raketen könne man sich ja irgendwie schützen, vor Sanktionen aber nicht, so die 62-jährige Köchin.

Unter schlechter Wirtschaft und Mangel an Touristen leidet auch die Nachbarinsel Qeshm, eine der drei größten Freihandelszonen des Landes. "Fußball ohne Ball ... so ungefähr ist auch eine Freihandelszone ohne Handel", sagt Kasem R., Besitzer eines Sportartikelladens auf Qeshm. Die Touristen hätten für Shoppen einfach kein Geld mehr. Daher empfinde auch er die US-Sanktionen schlimmer als einen Krieg.

"Trump ist ein Idiot, die in Teheran sind aber auch nicht besser"

Für die wirtschaftliche und politische Krise machen die meisten Inselbewohner sowohl US-Präsident Trump als auch die iranische Regierung verantwortlich. "Trump ist ein Idiot, die in Teheran sind aber auch nicht besser", sagt der Taxifahrer Amir in Qeshm. Den von Präsident Rouhani geforderten Widerstand gegen Trump und die USA lehnt er vehement ab. Warum solle er sich für eine Regierung opfern, die sich mehr um arabische Bewegungen kümmere als ums eigene Volk.

Die Kritik an der Nahostpolitik der iranischen Regierung und ihre Unterstützung für Syrien, Jemen, die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah und die palästinensische Hamas waren auch mehrmals Thema bei regimekritischen Protesten im Land. "Nicht für Gaza, nicht für den Libanon, unser Leben opfern wir nur für den Iran", so der Slogan der Demonstranten landesweit.

(Von Jan Kuhlmann und Farshid Motahari, dpa /APA/red)