Industrieforschung : Fünf herausragende Forschungstempel für Ihr Digitalisierungsprojekt

Es ist derzeit das wohl größte Angstreservoir der Industrie: Bei der Digitalisierung ins Hintertreffen zu gelangen. Doch glücklicherweise zählt zum heimischen Brauchtumskanon auch, sich eine quicklebendige Auftragsforschungsszene zu erhalten. Landauf, landab, wird – stets mit konkreten Zielen vor Augen – industrienah geforscht und entwickelt. Wo wird das Internet der Dinge vorangetrieben? Wo die Schönheit neuer Technologien zelebriert? INDUSTRIEMAGAZIN sah sich in fünf Elite- Forschungsschmieden Österreichs um.

1. DIGITAL Institut für IKT, Graz

Am Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien der Joanneum Research wird die Losgröße-1-Produktion verwirklicht.

Kaum ein Unternehmen kann es sich heute leisten, eine Menge an Kilos mit sich herumzuschleppen. Doch so verschwendungsfreie Prozesse, wie sie im Dana-Türen-Werk in Spital am Pyhrn existieren, sind selten: In der oberösterreichischen Niederlassung des Türenherstellers Jeld-Wen fertigt man Türen hocheffizient und maßgeschneidert in Losgröße 1. Bildgebende Sensoren sorgen für eine lückenlose Qualitätskontrolle in der automatisierten Türenfertigung bei voller Produktionsgeschwindigkeit. Kameras scannen die vorbeilaufenden Türen und Bildverarbeitungsprogramme im Hintergrund und prüfen, ob die Kanten und Oberflächen der Türen einwandfrei sind. Der Ist-Zustand wird blitzschnell mit den Soll-Vorgaben verglichen und entsprechend verwertet.

Wo möglich, werden über direkte Rückkopplungen in den Produktionsprozess Korrekturmaßnahmen eingeleitet. Dem Grazer Forschungsdienstleister Joanneum Research, langjähriger Partner des Türenherstellers, kommt bei Technologie- und Wissenstransfer eine Schlüsselfunktion zu. Alfred Rinnhofer, Spezialist für Bildanalyse und Messsysteme am Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien bei Joanneum Research, fasst zusammen: „Im Unternehmen gibt es seit Jahren ganz große Bereitschaft, mehr aus den Prozessen herauszuholen.“

2. Center for Smart Manufacturing, Wels

Am Campus Wels wurde soeben ein Industrie-4.0-Testlabor, das Center for Smart Manufacturing, eröffnet.

Die Vision lautet auch hier: Die intelligente, voll automatisierte und selbstoptimierende Produktion realisierbar zu machen. Im rund 800 Quadratmeter großen Labor arbeiten derzeit 21 Wissenschafter und fünf Studenten. Das Testlabor entstand in Kooperation mit namhaften Industrieunternehmen und KMU, rund vier Millionen Euro wurden bereits investiert. Bei der Eröffnung des „Center for Smart Manufacturing“ führten die Forscher der FH OÖ durch die verschiedenen Stationen der modernen Forschungsfabrik und zeigten Projekte aus den Bereichen virtuelle Inbetriebnahme, Simulation, Fertigung und 3D-Druck sowie kollaborative Robotik.

Zu den Kooperationspartnern zählen der Schweißtechnikhersteller Fronius, der Autozulieferer Kreisel Electric sowie das Leichtmetallkompetenzzentrum LKR und das Ludwig Boltzmann Institut. Auch mit B&R, TGW, Engel und Sony wird entwickelt.

Die Ausstattung in den Fachbereichen ist top: So bilden fünf Werkzeugmaschinen mit den Technologien 4-Achs Drehen, HSC-Fräsen, Draht- und Senkerodieren den Kern der klassischen Fertigungstechnologien. Darüber hinaus werden tribologische Fragestellungen mittels Hochtemperatur- und Spiraltribometer gelöst. Plus: Seit 2005 ist im Labor die österreichweit erste Maschine zur generativen Verarbeitung von Metallen im Einsatz. Damit besteht hier die lange Erfahrung mit dieser Technologie. Seit 2014 ist neben FDM und 3D-Druck eine zweite Metall-Technologie im Einsatz. In zahlreichen Forschungsprojekten wird die generative Verarbeitung von Werkstoffen mit einem höheren Kohlenstoffanteil entwickelt.

3. Smart Production Lab, Kapfenberg

Ein neues Forschungszentrum der FH Joanneum treibt ab 2018 die smarte Produktion in der grünen Mark voran.

Noch dauert es ein wenig, bis Unternehmen und Studenten Produktionstechniken der Industrie 4.0 erproben können: 2018 soll das Zentrum seinen Betrieb aufnehmen. Smart Production Lab wird die Lehr- und Forschungsfabrik an der FH Joanneum in Kapfenberg heißen. Der Spatenstich zu dem Projekt, in welches bis Ende 2018 rund zwei Millionen Euro investiert werden, fand im August statt. Betrieben wird es vom Kapfenberger FH-Institut Industrial Management – Industriewirtschaft. „Unsere Vision ist ein moderner, offener Platz für Kreativität und Innovation mit dem Schwerpunkt auf der digitalen Produktion und einem öffentlich zugänglichem FabLab“, erläuterte Lab-Leiterin Barbara Mayer die Idee hinter dem obersteirischen Laboratorium. So sollen unter anderem Produkt-Prototypen ganz speziell nach Kundenwunsch gefertigt werden können und an Testständen die digitale Transformation der Fertigung an realen Unternehmensprozessen erforscht werden können, „von der CAD-Datei bis zur Auslieferung der Produkte“, so Mayer.

Martin Tschandl, Leiter des Instituts Industrial Management – Industriewirtschaft, will das Lab massiv in die Lehre an der Kapfenberger FH integrieren. Er wünscht sich, dass die Studierenden das „Smart FabLab“, den öffentlich zugänglichen Bereich des Smart Production Labs, auch darüber hinaus nutzen: „Wir möchten das ‚Maker‘-Bewusstsein unserer Studierenden stärken und es ihnen möglich machen, eigene Prototypen zu entwickeln und zu realisieren.“ Nicht nur lernen, sondern auch „machen“, sei laut Tschandl die Devise: „Vielleicht ergibt sich dadurch ja die eine oder andere fruchtbare Geschäftsidee für unseren Industriestandort“, so der Institutsleiter.

4. CD-Labor für modellintegrierte, intelligente Produktion, Wien

Im neuen Christian Doppler-Labor für modellintegrierte, intelligente Produktion entwickeln TU-Forscher Technologien für die Digitalisierung.

Gerade eröffnet, schon wird entwickelt. Darunter: Ein digitaler Zwilling einer ganzen Fabrik. Dieser soll helfen, Bestellung, Lager und Produktionsstraße zu einem intelligenten, vorausschauend und eigenständig handelnden System zusammenwachsen zu lassen. Erforderlich dafür sind Computermodelle, mit denen sich die einzelnen Maschinen und Abläufe präzise beschreiben lassen und die auf intelligente Weise miteinander verknüpft werden. Leiter des Labors: Manuel Wimmer vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien.

Sein Ziel: Die Konzeption und intelligente Verknüpfung solcher digitaler Zwillinge. Andererseits forscht man daran, wie sich diese Modelle auch im laufenden Betrieb nutzen lassen. Geht es nach dem Willen der Wissenschafter und der beiden Industriepartner des CD-Labors, den Softwarefirmen Certicon und Lieberlieber, steht am Ende der Entwicklung eine intelligente Fabrik, in der sich die einzelnen Maschinen aufeinander einstellen, in der Fehler automatisch erkannt und behoben werden, in der die Produktionsrate ganz von selbst an den Lagerbestand und an aktuelle Bestellungen angepasst wird.

5. Smart Factory, Graz

Im Juli fiel der Startschuss für die neue Smart Factory der TU Graz.

Auf 300 Quadratmetern stehen modernste Fertigungstechnologien zur Verfügung. Dazu gehören u. a. additive und lasergestützte Fertigung, Collaborative Robotik, Hybridtechnologien und die Vernetzung mit modernen Kommunikationstechnologien sowie Big Data Analytics für die Erprobung und Erforschung industrieller Produktionsanwendungen.

Auch hier lautet die Idee der smarten Fabrik: Firmen sollen unter Laborrahmenbedingungen die Erforschung und Herstellung von Innovationen im Bereich Industrie 4.0 testen, bevor diese in die reguläre Produktionskette eingeflochten werden. „Wir wollen gemeinsam mit jungen Menschen intelligente Produktionsformen der Zukunft erforschen und Forschungsfelder für die Industrie eröffnen“, hob Kurt Hofstätter, Leiter der Division Digital Factory bei Siemens Österreich, hervor. Das Unternehmen steuert den Großteil der IT-Infrastruktur von der Software für production Design, für Simulation, Cloudlösungen bis hin zu den Netzwerken und Vernetzungen mit anderen Pilotfabriken bei.