Transport & Logistik : Frachtpreise: Dem Verkehr entzogen

LKW Frachtpreise
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Sie klingeln nahezu pausenlos, die Telefone in der Disposition. Wenn Jürgen Huth morgens durch das Großraumbüro geht, dann weiß er, dass das Geschäft brummt. Die Kunden rufen an, weil sie wieder Aufträge haben, die sie quer durch Europa verschicken müssen. Und den dafür benötigten Laderaum wollen sie bei Huth und seinen Mitarbeitern einkaufen. Aber der muss immer öfter abwinken. Denn seit die Wirtschaft wieder anzieht, ist der Transportbedarf so rasant gestiegen, dass es auch für ihn immer schwieriger wird, noch ein freies Plätzchen auf einem seiner sechshundert Laster zu finden. “Gerade jetzt, wo die Kapazitäten am Markt knapp sind, bietet unser großer Eigenfuhrpark einen Riesen-Vorteil gegenüber dem Wettbewerb“, sagt Jürgen Huth, Geschäftsführer der Augustin Freight GmbH. Knappe Kapazitäten. Damit spricht der Logistiker aus, was vielen seiner Mitbewerbern derzeit ernste Sorgen bereitet: die Engpässe im Straßengüterverkehr. Die Kunden wollen wieder deutlich mehr Ware transportieren als noch vor einem Jahr, aber die Menge an Lastern, die dafür benötigt würde, ist nicht am Markt verfügbar. Wie stark das Problem der knappen Kapazitäten bereits um sich gegriffen hat, zeigt das aktuelle Transportbarometer von Progtrans und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Danach haben bereits 65 Prozent der befragten Unternehmen mit Dispositionsschwierigkeiten zu kämpfen. In der Seefracht sind immerhin noch knapp 30 Prozent betroffen, bei allen anderen Verkehrsträgern weniger als 20 Prozent. Engpässe sind in der Logistik nichts Ungewöhnliches. Dass es dazu aber so kurz nach der größten Rezession seit dem zweiten Weltkrieg kommt, hat viele erstaunt. Doch außer am Spotmarkt hat sich die Knappheit bisher nicht in den Frachtpreisen niedergeschlagen. Das wollen die Logistikern nun ändern – und kündigen Preiserhöhungen auf breiter Front an. Wählerische Frächter. “Es gibt praktisch keine leeren Lkw mehr”, sagt Peter Hunker, Geschäftsführer der europäischen Frachtbörse Trans.eu, über die pro Monate rund eine Million Aufträge abgewickelt werden. Die Situation führt dazu, dass die dort registrierten Frächter wählerisch werden. „Sie nehmen nur noch die Aufträge an, die wirklich einen guten Preis erzielen und sich für das Unternehmen lohnen.“ Für einen kompletten Lkw von Österreich nach Deutschland werden da schon mal 1,20 Euro pro Kilometer verrechnet. In den Osten nach Tschechien und Polen geht es um Tschechien und Polen geht es mit einem Euro etwas billiger. Dass das ganz schön happig ist, zeigt ein Vergleich mit den Raten von Anfang des Jahres. Diese lagen um 40 Cent unter dem derzeitigen Niveau.Über den Transport Market Monitor (TMM) von Capgemini Consulting, der sich aus den Daten der Plattform Transporeon mit einem jährlichen Transportvolumen von über zwei Milliarden Euro in Europa speist, lässst sich die aktuelle Situation zudem auch noch im Zeitablauf analysieren. Und das Ergebnis ist mehr als erstaunlich. Mit einem Plus von 13,5 Prozent war der Preisanstieg vom ersten auf das zweite Quartal 2010 der höchste, der seit Beginn derartiger Analysen im Rahmen des TMM ermittelt wurde (siehe Grafik). Die Gründe. Da die Steigerungsrate so deutlich ausfällt, greift die Konjunkturerholung als Erklärung zu kurz. Um die Situation zu verstehen, muss man sich erneut mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise beschäftigen. Als Anfang 2009 die weltweite Nachfrage wegbrach, waren viele Frächter gezwungen, ihre Flotte anzupassen. Leasingverträge wurden storniert und geplante Investitionen gestrichen. Mehrere tausend Laster sollen damals allein in Österreich stillgelegt worden sein. Monatelang kämpfte die Branche ums Überleben, die Zahl der Insolvenzen stieg in dieser Zeit sprunghaft an. Diese einschneidenden Erfahrungen dürften noch vielen Frächtern in den Knochen sitzen. Denn statt wie bei früheren Aufschwüngen gleich einige hundert neue Laster zu bestellen, sind es heute vielleicht einige Dutzend. Entsprechend moderat entwickeln sich die Lkw- Absatzzahlen in Europa. Sie steigen zwar, aber die Volumina liegen immer noch unter dem Vorjahresniveau. Gebremst werden die Investitionensabsichten der Frächter auch von den Banken. Da es insbesondere für kleine Unternehmen schwierig ist, Kredite zu kommen, können sie ihre Flotten nicht in dem Ausmaß erweitern, wie es ihr Geschäft erfordert. Dass sich die Situation bald entspannen könnte, damit ist aber auch noch aus einem anderen Grund nicht zu rechnen. “Die Frächter haben im vergangenen Jahr schwer gelitten und versuchen jetzt, die Verluste zu kompensieren”, sagt Elmar Wieland, Vorstandschef von Schenker Österreich & Co. Höhere Preise. Dass die Frachtpreise angezogen haben, spürten bisher vor allem die Logistiker. Die gestiegenen Kosten wollen sie nun an ihre Kunden weitergeben. Industrie und Handel müssen sich nun also auf Preiserhöhungen einstellen. In welchem Ausmaß sie zur Kasse gebeten werden, hängt auch von ihrem Verhandlungsgeschick ab. Im Schnitt liegen die Erhöhungen bei rund drei bis fünf Prozent, geht aus dem Transport Market Monitor hervor. „Laderaumkostensteigerungen und volatile Preisfaktoren wie Treibstoffzuschläge sind in die Transportpreise mit zu integrieren", kündigt Günter Hirschbeck, Niederlassungsleiter von Dachser Wien an. Selbst Unternehmen, die Jahresverträge abgeschlossen haben, können sich heuer nicht auf der sicheren Seite wähnen. “In diesen Fällen müssen wir einen Weg finden, die Preiserhöhungen vorzuziehen”, sagt Wieland vom Marktführer Schenker. Nach dieser Devise verfährt auch Jürgen Huth von Augustin. “Der Ausbruch aus der Preisspirale nach unten gelingt nur, wenn man sich von der Konkurrenz abhebt. Aufgrund unserer Qualitätsoffensive ist es uns gelungen, auch bei Kunden mit längerfristigen Verträgen, bereits erste Preisanpassungen durchzusetzen.“ Ausblick. Und auch was die nächsten Monate angeht, sich die Experten einig. Sie erwarten, dass sich die Transportnachfrage weiter beleben wird. Das Wachstum wird zwar nicht mehr so dynamisch sein wie in den Boomajahren vor der Wirtschaftskrise. Aber es geht dennoch weiter bergauf. Die Auftragsbücher der Kunden seien voll, berichtet auch Jürgen Huth. Er geht daher davon aus, dass diese Entwicklung auch im ersten Halbjahr 2011 anhalten wird. Auf das Klingeln der Telefone in der Disposition wird er so schnell also nicht verzichten müssen. Lesen Sie auf Seite 2: Luft, Wasser, Schiene - so entwickeln sich die Frachtpreise

Die Fluglinien haben sich auf Grund der starken Nachfrage im vierten Quartal des vergangenen Jahres auf die mit der wirtschaftlichen Erholung einhergehende Auftragslage vorbereiten können. Zum einen stieg der durchschnittliche Ladefaktor um rund 66 Prozent, zum anderen erhöhten sich die Frachtkapazitäten um rund 5,4 Prozent. Und auch für heuer haben die Airlines fleißig geordert. Die 1340 neuen Jets und Turbopropeller in den Büchern für 2010 stehen, bedeuten ebenfalls mehr Kapaziäten für die Fracht. Entsprechend entspannt sehen die Logistiker die Situation. „In bestimmte Destinationen wie etwa nach Südamerika, wo es jetzt schon schwierig ist, Platz zu bekommen, wird es vereinzelt zu Laderaumknappheit kommen“, sagt Michael Fraberger, Product Management Seafreight Europe, Corporate Air & Sea Gebrüder Weiss. Die Luftfrachtpreise sind auf Grund der gestiegenen Nachfrage bereits im vierten Quartal 2009 gestiegen, und dieser Trend hat sich auch heuer fortgesetzt. Für den ersten Oktober kündigten die Fluglinien durchschnittliche Preiserhöhungen zwischen zehn und zwanzig Prozent an, wobei diese je nach Destination sehr unterschiedlich ausfallen werden. „Wir werden gut mit den Fluglinien verhandeln und die Erhöhungen, die notwendig sind, weitergeben“, sagt Fraberger. Auch in der Seefracht steigen die Raten wieder. „So wie die Überkapazitäten an Laderaum den Einbruch der Frachtraten 2009 bewirkten, konnten die Raten heuer auf Grund der Knappheit wieder auf ein akzeptables Niveau angehoben werden“, erklärt der Produktmanager.