Serie Lieferkette optimieren : Flexible Fertigung: ... und jetzt im Rhythmus!

Josef Hackl Geschäftsführer Wild
© Rainer Max Wegscheidler

Hans Kostwein liebt den rationalen Standpunkt. Kurzfristige Marktschwankungen von bis zu 20 Prozent? Dazu extremer Lieferdruck mit kurzfristigen Änderungswünschen des Kunden? Darauf regiert der Chef des Maschinenbauers Kostwein mit überraschenden Prämissen. „Eine Riesenchance, uns durch Flexibilität noch stärker von Mitbewerbern zu unterscheiden“, sagt er. Das sind nicht nur leere Worte. Die Produktion der Kärntner – auf Verpackungs-, Textil- und Werkzeugmaschinenfertigung spezialisiert – ringt Besuchern Respekt ab. Gleich fünf verschiedene Maschinentypen laufen in Klagenfurt über eine Montagelinie mit neun Stationen. Alle 2,7 Stunden erfolgt der nächste Takt. Mit einer Lagerumschlaghäufigkeit von 18 liegt die Flexibilität in einem Bereich, von dem andere nur träumen können. Zwischenläger zur Auftragspufferung sind nur als letzter Ausweg vorgesehen. Spitzen im Auftragswesen glättet der Betrieb lieber „durch höchst flexible Prozesse“, so Kostwein. Steigender Lieferdruck Lieferdruck, die Explosion bei Produktvarianten, dazu eine Volatilität, die nicht nur von den Rohstoffmärkten kommt: Der Druck auf Produktionsbetriebe steigt. Auch, weil sie die Prozesse immer mehr auf die Bedürfnisse des Kunden zuschneiden müssen. Betriebe sollten deshalb „klare Servicelevels und gezielte Entkopplungspunkte“ definieren, meint Franz Staberhofer, Leiter Logistikum der FH Steyr und Obmann des Vereins Netzwerk Logistik (VNL). Alle Beteiligten der Lieferkette – von der Beschaffung bis hin zu Produktion, Vertrieb und Finanz – seien „in einen gemeinsamen Zielkorridor“ zu bringen. Dabei wesentlich: Die Abstimmung auf die eigene Unternehmenskultur. „Nicht nur mit schönen Worten oder Folien, sondern im realen Projekt“, so Staberhofer. Dass das möglich ist, beweisen Betriebe wie Wild oder Trumpf Maschinen Austria. Besonders die Arbeit an vollgetakteten Linien und intelligenten Auftragspuffern treiben sie voran. Die Highlights.Lesen Sie weiter: Trumpf: Markt als Tempomacher

Mit extremen Volatilitäten muss sich auch der Biegemaschinenhersteller Trumpf Maschinen Austria auseinandersetzen. „Die Planbarkeit wird immer schwerer“, sagt Werkleiter Thomas Saiko. Trotzdem schaffen es die Paschinger, die durchschnittliche Lieferzeit bei Biegemaschinen bei nur zwei Monaten zu halten. Allein bei den manuell bedienbaren Biegemaschinen muss die Produktion 17 verschiedene Grundtypen beherrschen. Die Oberösterreicher reagieren darauf mit radikal minimierter Verschwendung in der sequentiellen Fertigung. Der Kaizen-Prozess „hat schon viel Verschwendung herausgenommen“, so Saiko. Derzeit arbeite der Betrieb an einer besseren Durchdringung „von der Teamleiterebene aufwärts“. Alle zwei Wochen passt der Hersteller zudem die Produktionsgeschwindigkeit an die Marktgeschwindigkeit an. Die Belastung in der Produktion bleibt über Wochen trotzdem gleichmäßig – die Glättung der Auslastungskurven hat man sich von Autobauern abgeschaut. Es gibt noch weitere Stellschrauben zu größerer Flexibilität. Die Paschinger können mit der Lieferzeit spielen – „also etwa auf vier, fünf Wochen hinuntergehen“, so Saiko. Oder – wenn größere Einschnitte nötig sind – etwas tun, was derzeit vier, fünf Mal im Jahr passiert: „Die Linie neu austakten“, sagt Saiko. Lesen Sie weiter: Wild: Intelligente Auftragspuffer

Zwei Kennzahlen sind bei Wild, Entwickler und Hersteller von Medizintechnik und technischer Optik, ein erprobtes Maß für die Kundenzufriedenheit. „Die Lieferverpflichtung – also, ob gehalten wird, was der Betrieb mit der Auftragsbestätigung verspricht. Der Lieferservicegrad hingegen gibt an, „wie gut wir auf kurzfristige Lieferungen reagieren“, so Wild-Geschäftsführer Josef Hackl. Durch die flexible Produktion – also jederzeit aktivierbare Produktionsreserven – schaffen sich die Kärntner einen erstaunlichen Sicherheitspolster. Für minimale Fertigungsdurchlaufzeiten sorgt bei den Kärntnern ein cleveres System, das mit Hilfe von Pufferregalen arbeitet. Interner Name: „Das tragbare Loch“. Wie bei einem Kanbansystem wird der Produktionsablauf über den physischen Materialfluss gesteuert. Nur kommen die Kärntner ohne den klassischen Informationsträger, die Kanbankarte, aus. Diese Rolle übernehmen physische, „bewusst limitiert dimensionierte“ (Hackl) Pufferregale, etwa vor der mechanischen Produktion oder der Lackierstation. Nähert sich das Regal einem vollen Zustand – das entspricht einer Liegezeit von unter 24 Stunden –, drücken die Mitarbeiter auf die Tube und arbeiten länger. Ein Platz im Puffer muss immer vorhanden sein. „Sonst gibt es Materialstau“, so Hackl. Der Riesenvorteil: Die regulären Aufträge laufen praktisch so schnell „wie Eilaufträge“ durch die Fertigung, schildert Hackl.Lesen Sie weiter: BMW Motoren Steyr: Sequenz als Prinzip

Bis zu 900 unterschiedliche Motorenvarianten im Jahr: Die Zahl der produzierten Motorenderivate steigt auch im BMW-Motorenwerk Steyr. Und trotzdem produzieren die Oberösterreicher die Triebwerke in Rekordzeit. Vom Auflegen bis zum Verbau in den deutschen Fahrzeugwerken vergehen nur zwei Arbeitstage. Themen wie KVP oder Sauberkeit und Ordnung (5S) „sind uns längst in Fleisch und Blut übergegangen“, erzählt Eugen Schantini, Logistikleiter im Werk in Steyr. 2009 heimste der Betrieb nicht umsonst den Logistikpreis des VNL ein. Aktuell bereitet sich das Motorenwerk auf die Produktion der neuen Baukasten-Motoren vor. Um den Anlauf dieser neuen Motorengeneration optimal zu schultern, verankert das Motorenwerk gerade ein neues Bereitstellungsprinzip an den einzelnen Montagearbeitsplätzen. „Wir gehen an variantenreichen Montagearbeitsplätzen vom Routenzug-Prinzip zur Versorgung in Montagesequenz – dem „engine set“-Prinzip – über“, so Schantini. Hier werden jedem einzelnen zu fertigenden Motor „exakt die dafür benötigten Teile bereitgestellt“, erklärt Schantini. Bald soll das Logistiksystem „flächendeckend in Steyr“ zu finden sein.Lesen Sie weiter: Kostwein: Stille Reserven

Kurzfristige Marktschwankungen von bis zu 20 Prozent sind für Kostwein-Chef Hans Kostwein mittlerweile Realität. „Wir sehen es als Chance, uns durch Flexibilität von Mitbewerbern zu unterscheiden“, sagt Kostwein. Was den Kärntnern – auf Verpackungs-, Textil- und Werkzeugmaschinenfertigung spezialisiert – hervorragend gelingt. Gleich fünf verschiedene Maschinentypen laufen in Klagenfurt über eine Montagelinie mit neun Stationen. Alle 2,7 Stunden erfolgt der nächste Takt. Mit einer Lagerumschlaghäufigkeit von 18 liegt die Flexibilität in einem Bereich, von dem andere nur träumen können. Kostwein ist kein großer Freund von Zwischenlägern zur Auftragspufferung. „Nur der letzte Ausweg“, meint er. Spitzen im Auftragswesen glättet er lieber „durch flexible Prozesse“.Der Betrieb, der heuer 150 Millionen Euro Umsatz einfahren will, drehte dazu schon an einigen Stellschrauben. Maschinenbediener im Klagenfurter Werk haben Programmierkenntnisse und beherrschen auch die Qualitätssicherung. So kann Kostwein Personal schnell verschieben – auch von Fertigungs- in Montageprozesse, wie aktuell etwa in den Kernmarkt Verpackungsmaschinen.Optimiert wurde auch schon die Logistiksteuerung. Jede Nacht werden die Materialboxen an den Montagelinien gewogen. Ist ein kritischer Füllstand erreicht, wird „vollautomatisch über ERP die Nachbestellung beim Lieferanten eingeleitet bzw. ein Fertigungsauftrag in der Produktion ausgelöst“, schildert Geschäftsführer Hans Kostwein. Gleichzeitig wird damit die Anlieferung eines Rohmaterialloses gestartet. Kernmaschinen – etwa große Bearbeitungszentren – versucht der Maschinenbauer dreischichtig auszulasten. In Nebenprozessen hält man sich mehr Spielraum – und pendelt sich bei 80 Prozent Maschinenauslastung ein. „Ein guter Wert, um flexibel zu bleiben“, so Kostwein.