Interview : FACC-Chef: „Ich habe das Gefühl, man passt sich eher an uns an“

Machtlinger FACC
© Robert Gortana

Herr Machtlinger, dürfen Sie als CEO eines mehrheitlich chinesischen Unternehmens noch Ihren geliebten Espresso trinken oder hat man Ihnen längst ein Deputat an grünem Tee aufgezwungen?

Robert Machtlinger Den vertrage ich nicht. Zum Glück will ihn mir auch niemand einreden. Abgesehen davon haben wir zwar einen chinesischen Mehrheitsaktionär, machen aber neunzig Prozent unseres Umsatzes in Österreich. 3.100 unserer insgesamt 3.400 Mitarbeiter arbeiten in Österreich. Vor allem aber: Das Herz des Unternehmens schlägt in Österreich. Wir entwickeln unsere Produkte hier und wir bearbeiten auch den Markt von hier aus. Wir sind daher ein durch und durch österreichisches Unternehmen.

Ihr Mehrheitsaktionär, die chinesische AVIC, sieht das anders. Auf der AVIC-Homepage wird die FACC ziemlich prominent als ein Unternehmen in chinesischer Hand beworben.

Machtlinger Ich denke, das ist aus der Sicht eines Mehrheitseigentümers auch legitim. Und es ist auch als ein positives Zeichen zu werten: Wir durften in den vergangenen neun Jahren, seit dem Einstieg der AVIC, 450 Millionen Euro in das Unternehmen investieren, davon 250 Millionen in Forschung und in die Entwicklung von Neuaufträgen. Wir haben also einen sehr starken, engagierten und strategischen Investor im Hintergrund.

Trotzdem liegt die Vermutung nahe, dass sich mit dem Einstieg der Chinesen die Kultur im Unternehmen geändert hat.

Machtlinger Natürlich funktioniert ein Unternehmen mit typisch österreichischen Kerneigentümern anders. Was sich tatsächlich geändert hat, ist die Form des Dialogs mit dem Eigentümer und dem Aufsichtsrat. Einem österreichischen Kernaktionär legt man einen Vorschlag eher bald vor und er sagt dann Ja oder Nein dazu. In China sind mehr Gespräche im Vorfeld nötig und eine konkrete Frage kommt erst dann auf die Tagesordnung, wenn aus den Vorgesprächen klar geworden ist, dass Zustimmung zu erwarten ist.

Es heißt, in China wird auch ein Nein höflichkeitshalber als ein Ja verpackt. Haben Sie von Ihren Eigentümern je ein klares Nein gehört?

Machtlinger Es gab sehr wohl Fälle, wo auch ein klares Nein zu vernehmen war. Aber es stimmt, man muss sich auf eine etwas andere Art der Kommunikation einstellen, als das in einem rein österreichischen Umfeld der Fall wäre. Das ist aber auch der Fall, wenn sie Geschäfte in Frankreich machen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sich unser Mehrheitseigentümer in der Kommunikation eher an uns anpasst als wir an ihn. Kurz und gut: Wenn es darauf ankommt, reden wir nicht stundenlang um den heißen Brei herum.

Ihr Kernfunktionär ist ein Staatsunternehmen in einem kommunistisch regierten Land. Das ist mit der österreichischen Businesswelt problemlos kompatibel?

Machtlinger Dass die grundlegende Strategie der AVIC von der chinesischen Politik definiert wurde und darin besteht, den chinesischen Luftfahrtsektor zu entwickeln, ist kein Geheimnis. Das wird auch sehr konzentriert und auch mit dem nötigen langen Atem verfolgt. Als Einzelunternehmen unterliegen wir aber den europäischen beziehungsweise österreichischen Gesetzen und Governance-Richtlinien. Es gibt kein zusätzliches Reporting an den Mehrheitseigentümer. Ab und zu wird aus China eine Kennzahl nachgefragt, die im chinesischen Kontext eine Rolle spielt, aber das war es dann auch schon.

Die Strategie, als FACC von der Entwicklung in China zu profitieren, setzt voraus, dass man überzeugt ist, dass sich dieser Markt weiter so positiv entwickelt wie bisher. Das glauben nicht alle Analysten.

Machtlinger: Es ist ja nicht so, dass wir nur auf China setzen würden. Wir haben Kunden weltweit, auf jedem Passagierflugzeug der Welt sind Komponenten von uns drauf. Für mich ist allerdings trotzdem ganz klar, dass China der Weg zu einem Markt ist, in dem die Nachfrage nach Verkehrsverbindungen in der Luft massiv steigen wird. Schon heute geht jedes fünfte von Airbus beziehungsweise Boeing gebaute Flugzeug nach China. Allein China kauft pro Jahr 300 Flugzeuge. Damit wird China für uns zu einem Heimmarkt, denn wir sonst nicht hätten.

Sie haben öfters erwähnt, dass der starke chinesische Kerninvestor Ihnen die Möglichkeit gibt, einen langfristigen Kurs zu fahren, ohne auf jeden Ausschlag des Börsenkurses reagieren zu müssen. Ist der AVIC der Börsenkurs tatsächlich egal?

Machtlinger Nein, der ist natürlich niemandem egal, mir nicht und den Aktionären erst recht nicht. Wir müssen daher unsere Zahlen liefern, was durchaus Dampf am Kessel erzeugt. In Summe sehe ich die Börsennotierung aber absolut positiv, weil sie Transparenz schafft und weil sie ein Motivationsfaktor ist.

Für die nächsten Jahre wird noch einmal eine gewaltige Beschleunigung des Geschäfts prophezeit.

Machtlinger Ja. Langstreckenflugzeuge mit einem Composite-Anteil von größer 50 Prozent am Gesamtgewicht des Flugzeugs, die heute produziert werden, sind auf eine Fertigungsrate von rund fünfzehn Stück pro Monat ausgelegt. Wir besitzen derzeit Technologien, Materialien und Prozesse welchen diesen Industrialisierungsgrad sehr gut abdecken. Für die nächste Generation an Kurzstreckenflugzeugen werden eher Fertigungsraten von hundert Stück pro Monat nötig sein. Mit den heute verwendeten Materialien ist das nicht mehr machbar, weil die Prozesszeiten einfach zu lang sind. Wir arbeiten daher schon jetzt an neuen, automatisierungsfreundlichen Materialien und Prozessen, um unseren Kunden in drei bis vier Jahren bereits getestete Lösung für zukünftige Flugzeuganwendungen anbieten zu können.

Turbinen werden schon heute pro Nutzungsdauer abgerechnet. Wird es bald ganze Flugzeuge as a Service geben?

Machtlinger Ich erlebe im Moment eher das Bemühen der OEMs, zu ihren Flugzeugen auch das Service dazu zu verkaufen. Der weltweite Markt für die Flugzeug-Maintenance wird mit rund 64 Milliarden Dollar beziffert und ein großer Teil dieses Kuchens geht derzeit an den OEMs vorbei. Das versuchen sie zu ändern und es ist zu erwarten, dass es in diesem Bereich in Zukunft für freie Anbieter schwieriger werden wird. Wir stellen uns darauf ein, indem wir einerseits die OEMs bei ihren Servicetätigkeiten unterstützen, andererseits aber auch regional mit unabhängigen Anbietern kooperieren. Bei Modellen wie „power per the hour“, bei denen Turbinen über die tatsächlich abgerufene Leistung abgerechnet werden, kann ich mir allerdings schon vorstellen, dass die Hersteller auch ihre Zulieferer mit an Bord holen und sie auch im Sinne von „power per hour“ bezahlen. Das ist ein interessanter Gedanke, würde aber den in unserem Bereich ohnehin eher langsamen Return of Investment in den ersten Jahren noch einmal beeinflussen, auf die 20-25-jährige Nutzung von Flugzeug aber langfristig sehr wohl ein hochinteressantes Geschäftsmodell darstellen.

Sie haben die FACC nach der Betrugsaffäre des Jahres 2016 übernommen, als das Unternehmen 50 Millionen Euro verlor und für viele nicht klar war, wie es aus dieser Krise hervorgehen wird. Heute hat die FACC das Desaster überwunden. Was war das Geheimnis dahinter?

Machtlinger Es gab keines. Ich kenne die FACC seit dreißig Jahren und weiß daher ganz genau, welches Potenzial in dem Unternehmen steckt. Insofern habe ich nie daran gezweifelt, dass wir den damaligen Geld- und Imageverlust überwinden werden. Entscheidend für den Erfolg waren aber vier Faktoren: der Kerneigentümer, der nach dem Betrugsfall trotzdem neue Investitionen bewilligt hat, damit wir zum Geldverlust nicht auch noch Zeit in der Weiterentwicklung des Unternehmens verlieren. Die Mitarbeiter, von denen es ein volles Commitment gab, neue Wege zu beschreiten und unsere Visionen umzusetzen, aber allen voran unserer Kunden, die weiter auf die Innovationskraft und die Zuverlässigkeit vertrauen und signifikante Neuaufträge bei uns platziert haben.